Das Bremer Wirtschaftsressort ist von einem Zusammenschluss von Gastronomen verklagt worden. Konkret geht es um die Allgemeinverbindlicherklärung im Hotel- und Gaststättengewerbe: Auf Grundlage dieser Erklärung können alle Beschäftigten der Branche von Tariflohnerhöhungen profitieren – auch wenn ihr Betrieb nicht tarifgebunden ist. Restaurants, Cafés und Hotels in Bremen müssen demnach mindestens die geltenden Tariflöhne zahlen.
Der Weg dorthin stößt allerdings auf Kritik. Die Bremer Gastro-Gemeinschaft (BGG) klagt nun gegen die erst vor Kurzem in Kraft getretene Allgemeinverbindlicherklärung – und damit gegen das Wirtschaftsressort. Senatorin Kristina Vogt (Linke) hat die Erklärung nach dem Votum eines Ausschusses unterzeichnet. Ihr Haus ist zuständig.
Was sind die Gründe für die Klage?
"Wir wurden der Möglichkeit beraubt, mitzugestalten", nennt der Geschäftsführer der BGG, Thorsten Lieder, einen wesentlichen Grund für die Klage. Die BGG hätte an den Tarifgesprächen zwischen dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga in Bremen und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vor Ort gerne teilgenommen. Dazu kam es aber nicht. Grundsätzlich seien aus seiner Sicht zudem Spielregeln der Allgemeinverbindlicherklärung "deutlich verletzt worden".
Lieder betont: "Wir wettern nicht gegen gute Löhne gegen gute Arbeit." Die meisten Betriebe zahlten ohnehin deutlich mehr – schon aufgrund des Wettbewerbs um Personal: "Mit dem Tariflohn kommt man nicht mehr weit." Für problematisch hält er auch Regelungen zum Überstundenabbau im Tarifvertrag, die für viele Gastronomen nicht passend seien.
Was sagt die Gegenseite?
Aus Sicht der Gewerkschaft sind die Kritikpunkte der BGG "schwer nachvollziehbar". Am Mittwoch luden NGG und Dehoga zum Austausch ein – mit Staatsrat Kai Stührenberg aus dem Wirtschaftsressort. Iris Münkel von der NGG erklärte dabei, der Unmut der BGG ziele nicht auf die Entgeltstruktur an sich, sondern vor allem darauf, nicht an den Verhandlungen beteiligt gewesen zu sein. Der Verein sei jedoch zum Zeitpunkt der Gespräche überhaupt nicht tariffähig gewesen.
"Wir sehen das anders", sagt dazu Thorsten Lieder. Grundsätzlich zweifelt der Zusammenschluss daran, dass NGG und Dehoga allein die Interessen der Gastronomie in Bremen vertreten sollten – mit Verweis auf die Mitgliederstruktur.
Warum halten Experten das Instrument an sich für wichtig?
Bremen ist mit der Allgemeinverbindlichkeit in der Gastronomie vor ein paar Jahren Vorreiter unter den Bundesländern gewesen. Detlef Pauls ist neben dem Landesverband in Bremen auch im Bundespräsidium des Dehoga engagiert. "Ich bin doch sehr hart angegangen worden", sagte der Hotelier im Gespräch. "Inzwischen ziehen einige nach."
Der Dehoga steht hinter der Sache. "Für uns ist das wichtig, dass wir alle unter den gleichen Bedingungen kämpfen", sagte die Geschäftsführerin in Bremen Natalie Rübsteck. "Wir sind keine Mindestlohnbranche. Wir wollen, dass die Menschen, die für uns arbeiten, fair bezahlt werden." Die NGG sieht das Instrument auch als Lösung, damit Konkurrenzkämpfe zwischen den Betrieben nicht über den Lohn auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.
Was sollten Beschäftigte in der Bremer Gastronomie tun?
Wer im Gastgewerbe tätig ist, sollte genau hinschauen, ob sein Arbeitgeber sich an die Erklärung hält. "Die Beschäftigten haben jetzt die ersten Abrechnungen bekommen", sagte Münkel. In der Beratung hat die NGG schon von Fällen gehört, in denen Unternehmen die Löhne nicht entsprechend angepasst haben. Alle Beschäftigten hätten dabei einen Anspruch: die Studentin in der Kneipe, der gelernte Koche im Restaurant oder der Auszubildende. "Ich kann immer den Tariflohn einfordern." In der untersten Entgeltgruppe für ungelernte Kräfte in den ersten zwölf Monaten liege er bei 12,30 Euro – und damit über dem Mindestlohn von 12 Euro. Die Regelung mache es Beschäftigten leichter, den Tariflohn einzufordern, was gerade in den vielen kleinen Betrieben, so Münkel, sonst "unglaublich schwierig" sei.
Wie reagiert das Wirtschaftsressort auf die Klage?
Die Klage hat das Wirtschaftsressort laut Staatsrat Stührenberg vor etwa vier Wochen erreicht. Zuständig ist in diesem Fall das Bremer Arbeitsgericht. "Wir werden das verteidigen", sagte Stührenberg zur Klage. "Wir glauben an die Allgemeinverbindlicherklärung." Es gehe dabei auch um eine "Frage der Fairness".
Gibt es weitere Gespräche?
Der Chef der BGG erklärte trotz des Konflikts, die Tür des Vereins stehe "jederzeit offen". Wenn Dehoga und NGG verbindlich zusagten, die Bremer Gastro-Gemeinschaft an den nächsten Tarifverhandlungen "auf Augenhöhe" zu beteiligen, sagte Lieder gegenüber dem WESER-KURIER, "dann werden wir darüber nachdenken, die Klage zurückzuziehen". Der BGG gehe es um eine gute Zusammenarbeit der Akteure vor Ort im Sinne der Betriebe und Beschäftigten.