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Gasversorgung Wer im Falle eines Engpasses Energie bekommt

"Privatkunden gehören zu den geschützten Kunden", sagt Christian Meyer-Hammerström, Geschäftsführer der Osterholzer Stadtwerke und Vizepräsident des Bundesverbands der Energiewirtschaft, im Interview.
17.05.2022, 06:48 Uhr
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Wer im Falle eines Engpasses Energie bekommt
Von Peter Hanuschke

Muss sich der private Haushalt im Falle eines Gas-Lieferstopps Sorgen machen, dass die eigenen vier Wände in der nächsten Heizperiode kalt bleiben?

Christian Meyer-Hammerström: Entscheidend ist, wann es zu einem Gas-Lieferstopp kommt. Die Lage ist schon ernst. Aber wir bekommen ja nicht nur Gas aus Russland. Natürlich gibt es eine große Abhängigkeit vom russischen Gas, aber es ist in den vergangenen Wochen bereits gelungen, den Anteil am Gesamtgasbedarf von 50 auf 30 bis 35 Prozent zu reduzieren. Daran wird weitergearbeitet, etwa durch den Einsatz von verflüssigtem Erdgas, also durch LNG. Noch sind wir ein ganzes Stück weit davon entfernt, bei privaten Haushalten eine Gasreglementierung vorzunehmen. Da gibt es noch andere Puffer dazwischen.

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Welcher Puffer sind das?

Dazu gehört vor allem, wo und wie viel Großkunden an Gas einsparen oder durch andere Energietra?ger kompensieren können. Genau deshalb hat die Bundesnetzagentur eine entsprechende Umfrage bei den etwa zweieinhalbtausend Großkunden in Deutschland gestartet. Es geht letztlich darum, dass private Haushalte mit Energie versorgt werden können, aber auch die Wirtschaft keinen Totalzusammenbruch erleidet.

Das heißt, wer Gas bei einem Lieferengpass bekommt, steuert die Bundesnetzagentur?

Wir als Energieunternehmen, in diesem Fall als Netzbetreiber, führen in einer solchen Situation aus, was die Bundesnetzagentur dann vorgibt. Es gibt den Notfallplan Gas. Momentan befinden wir uns in der ersten Stufe, der Frühwarnstufe, danach folgt die Alarmstufe und in der letzten Stufe, der Notfallstufe wird die Bundesnetzagentur als sogenannter Bundeslastverteiler sagen, wo in Deutschland wie viel Leistung reduziert werden muss, damit ein Netz nicht zusammenfällt.

Werden größere und kleinere Energieversorger dann unterschiedlich behandelt?

Nein. Die Bundesnetzagentur nimmt die Endkundenebene in den Blick, und zwar diejenigen Kunden, die stündlich mehr als 10.000 Kilowattstunden, also zehn Megawatt Leistung, benötigen. Diese Kunden werden momentan alle abgefragt, es wird eine Datenbank aufgebaut, um dann entsprechend steuern zu können. Ob dieser Kunde über einen großen oder kleinen Netzbetreiber seine Energie bekommt, spielt keine Rolle. Eine Rolle spielt aber, in welcher Region er liegt. Denn die physikalischen Gasflüsse sind im bundesdeutschen Gasnetz nicht überall gleich. Auch das gilt es im Notfall zu berücksichtigen und zu steuern, um komplette Zusammenbrüche zu vermeiden.

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Welche Bedeutung hat die Gasgroßkunden-Datenbank der Bundesnetzagentur letztlich?

Die spielt bei der Gesamtversorgungslage eine Rolle. Die Privatkunden gehören zu den geschützten Kunden. Auch eine Einrichtung wie ein Krankenhaus gehört in diese Kategorie. Anders sieht es bei Industriekunden aus. Da müssen wir als Netzbetreiber eine eindeutige Aussage von der Bundesnetzagentur für den Fall der Fälle haben, ob dieses Unternehmen systemrelevant ist oder nicht. Das entsprechend vorzubereiten, ist momentan die große Aufgabe der Bundesnetzagentur, ein Beispiel: Auf Papier könnte im absoluten Notfall auf den ersten Blick verzichtet werden. Dieser Industriezweig stellt aber auch Verpackungsmaterial her, das für medizinische Produkte unverzichtbar sein kann.

Wie wird der Aspekt berücksichtigt, dass ohne Energie Unternehmen ihre Produktion einstellen müssen und damit auch viele Arbeitsplätze gefährdet sind?

Jedes Unternehmen hat eine große und nachvollziehbare Motivation, dass es als systemrelevant eingestuft wird. An dieser Stelle kann ich aufgrund meiner Funktion im Bundesverband und der daraus resultierenden Rolle in verschiedenen Gremien sagen, dass die Ministerien sehr verantwortungsvoll mit diesem komplexen Thema umgehen. Es ist eine noch nie da gewesene Situation. Natürlich gab es schon immer Simulationsrechnungen, was bei Gasengpässen passieren könnte. Da ist man aber immer davon ausgegangen, dass es einen Ausfall von beispielsweise zwei Wochen gibt, weil vielleicht eine Pipeline eine Havarie hat. Jetzt ist es so, dass man sich auf einen nicht überschaubaren Zeitraum auf eine solche Situation vorbereiten muss.

Wie kann das Unternehmen oder der Privathaushalt die Situation positiv beeinflussen?

Das A und O ist jetzt das Thema Energiesparen. Ich hoffe, dass das noch stärker ins Bewusstsein aller Beteiligten rückt. Das gilt nicht nur für das Sparen bei Gas, sondern jetzt am Ende der Heizperiode auch bei Strom. Warum Strom? Strom wird teilweise auch von Gaskraftwerken erzeugt. Und vereinfacht gesagt: Je weniger Strom ich mit Gas erzeugen muss, desto mehr Gas habe ich zur Verfügung. Was jetzt im Sommer an Gas eingespart wird, muss in die Speicher, um die gesetzlich festgelegten Speicherstände zu erreichen, und wir gut durch den nächsten Winter kommen.

Gas wird teurer. Worauf müssen sich Kunden perspektivisch einstellen?

Ja, Gas wird für Endkunden teurer, aber es muss Grenzen geben.

Meinen Sie Preisobergrenzen?

Ich beschreibe einmal die momentane Situation. Energieversorgern ging es ähnlich wie Tankstellen. Ob der Liter Sprit einen oder zwei Euro kostet, der Tankwart verdient mehr oder weniger das Gleiche. So ähnlich war das bei uns auch auf die Kilowattstunde bezogen. Heute zahlen wir am Großhandelsmarkt für eine Kilowattstunde Gas ungefähr zehn Cent, ohne Transport und Steuern. Der Privatkunde hat, alles inkludiert bis zur Heiztherme zu Hause, einen Preis von sieben Cent. Ich liege aktuell in der Beschaffung also weit über dem, was ich bekomme.

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Folglich müssen die Preise angepasst werden.

Das wird passieren. Das ist aber nicht ganz so einfach, und das werden mir meine Kollegen der anderen Versorgungsunternehmen bestätigen. Denn wir können nicht alle paar Wochen einfach so die Preise erhöhen. Als Energieversorger gehört es zu unserer gesellschaftlichen Verantwortung, zu gucken, was das mit den Menschen macht. Die Menschen müssen die Preise auch bezahlen können. Wenn der Gaspreis in der Jahresrechnung um 500 Euro steigt, dann ist das für viele Menschen nicht mehr bezahlbar oder nur mit Einschränkungen, dann fällt der Jahresurlaub aus. Andererseits können und dürfen Energieversorger als im Wettbewerb tätige Unternehmen keine Sozialpolitik betreiben, das ist Aufgabe der Politik. Wir können nur weiterhin mit Fingerspitzengefühl agieren und das tun wir auch.

Was ist die Alternative?

Mit der momentanen Preissituation setzt sich auch das Bundeswirtschaftsministerium verantwortungsvoll auseinander. Das Thema ist dort angesiedelt, und je nachdem wie sich die Situation entwickelt, wird es staatliche Unterstützungen geben, ähnlich der Hilfsfonds, die während Corona aufgelegt wurden. Davon gehe ich aus.

Das Gespräch führte Peter Hanuschke.

Zur Person

Christian Meyer-Hammerström, Jahrgang 1968, ist Geschäftsführer der Osterholzer Stadtwerke und Vizepräsident des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Zur Sache

Gasspeicher zu mehr als 40 Prozent gefüllt


Nach dem Ende der winterlichen Heizphase füllen sich Deutschlands Gasspeicher allmählich wieder. Wie aus der Webseite von Europas Gasinfrastruktur-Betreiber (GIE) hervorgeht, sind die Speicher inzwischen zu 40,8 Prozent gefüllt (Stand 16. Mai). Einen Monat zuvor waren es nur 29,8 Prozent gewesen. Der aktuelle EU-Schnitt liegt mit 39,5 Prozent ähnlich hoch wie der Deutschland-Wert. Es ist normal, dass sich die Speicher im Frühjahr und Sommer wieder füllen. Da Heizungen abgeschaltet werden, sinkt die Nachfrage nach Energie. Angesichts eines drohenden Lieferstopps von russischem Erdgas ist es in diesem Jahr besonders wichtig, dass die Speicher gut gefüllt sind. Gasspeicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit eine Art Puffersystem für den Gasmarkt. Für gewöhnlich sind die Speicher mit Beginn der Heizperiode im Herbst gut gefüllt, bis zum Frühjahr nehmen die Füllstände dann ab. An kalten Wintertagen werden bis zu 60 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland aus deutschen Speichern abgedeckt. Laut dem neuen Speichergesetz sollen sie am 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein.

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