In Bremens Kfz-Werkstätten stehen so viele Autos zur Reparatur wie lange nicht mehr. Momentan lassen die Menschen ihre Wagen reparieren und stecken manchmal sogar mehr Geld hinein, als er eigentlich noch wert ist, stellt Basem Khan fest. Der Lehrlingswart der Bremer Kfz-Innung hat zwei Werkstätten in Huchting und in Schwachhausen.
Als Grund führt Khan die momentane Situation auf dem Gebrauchtwagenmarkt an: „Da fahren die Leute lieber ihr altes Auto weiter und investieren in die Instandsetzung, als sich bei den momentanen Preisen irgendwo ein gebrauchtes Auto zu kaufen.“ Ebenso kennt er Beispiele, bei denen die Menschen wegen des Chipmangels wesentlich länger auf ihren Neuwagen warten müssen als ursprünglich gedacht. Um diese Zeit zu überbrücken, müssen sie ebenfalls nochmals Geld in ihr bisheriges Auto stecken.
Der Hintergrund: Wegen der Lieferengpässe gibt es weniger Neuwagen. Also weichen die Verbraucher auf Gebrauchtwagen aus, die dadurch erheblich im Preis gestiegen sind – manche sind zum Teil teurer als Neufahrzeuge. Die Auswertung des Marktbeobachters DAT ergab: Im April war ein drei Jahre alter Benziner beim Kauf im Autohandel mehr als 30 Prozent teurer als ein vergleichbares Fahrzeug 2021. Diesel-Fahrzeuge verteuerten sich um knapp 32 Prozent auf einen Durchschnittspreis von 28.960 Euro. Die Zahlen beziehen sich auf dreijährige Gebrauchtwagen quer über alle Segmente und Marken.
Angesichts dieser Preisentwicklung lohnt es sich offenbar, den eigenen Wagen lieber reparieren zu lassen, als ihn im Falle eines Autokaufs in Zahlung zu geben. Dazu passt die Statistik, die die Bremer Kfz-Innung veröffentlicht hat: Demnach hat Bremen von fast allen Bundesländern den ältesten Pkw-Bestand. Hier sind die Autos im Durchschnitt 10,6 Jahre alt, wie Zahlen des Kraftfahrtbundesamts zeigen.
„2012 lag das Durchschnittsalter eines Pkw an der Weser noch bei 8,8 Jahren“, sagt Hans Jörg Kossmann, Obermeister der Bremer Kfz-Innung und Mercedes-Vertragshändler. Allerdings sei die Qualität der Fahrzeuge und der Wartung zum einen gestiegen, zum anderen habe die Fahrleistung infolge der Pandemie abgenommen – mehr Menschen arbeiteten im Home-Office und haben den Weg zur Arbeit eingespart. Dies führe zu einer längeren Haltedauer. Insgesamt sind in Bremen und Bremerhaven mehr als 346.000 Autos zugelassen.
Die Unsicherheit der Käufer
Einen weiteren Grund für hohe Auslastung der Betriebe sieht Kossmann sieht in der Unsicherheit der Käufer: „Die Menschen wissen gar nicht, was sie sich für ein Auto kaufen sollen und bleiben lieber bei ihrem alten, den sie ja auch kennen.“ Vielen erscheine es beispielsweise noch zu früh, sich für ein E-Auto zu entscheiden: „Mit der Reparatur wollen sie diese Entscheidung um einige Jahre nach hinten verschieben. Wer jetzt ein E-Auto kauft, macht das nur wegen der Prämie, sonst würde das ganz anders aussehen.“
Nur in Brandenburg ist das Durchschnittsalter der Pkw mit 10,5 Jahren älter als in Bremen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 10,1 Jahren. Basem Khan gibt zu bedenken: „Wenn man sein Auto repariert und möglichst lange fährt, ist das auch im Sinne der Nachhaltigkeit.“ Sollten sicherheitsrelevante Teile oder Dinge nicht mehr zu reparieren sein, würde er abwinken und dem Kunden auch sagen, dass sich das nicht mehr lohne.
Khan und Kossmann hören ebenso von Kollegen aus anderen Bremer Werkstätten, dass diese gut zu tun haben. Angesichts der nahenden Sommerferien, Beginn ist am 14. Juli, sollten Autobesitzer nicht auf den letzten Drücker in der Werkstatt vorbeischauen. „Am besten jetzt schon einen Termin vereinbaren. Denn wegen Corona haben wir weiterhin Ausfälle und nicht jedes Teil ist sofort verfügbar“, erläutert Kossmann. Während der Sommerferien seien Beschäftigten selbst in Urlaub, das habe Folgen für die Zahl der Termine. „Meist weiß man ja schon jetzt, wenn das Auto ein Problem hat.“ Termine für eine Inspektion gebe es in Khans Betrieb derzeit nicht kurzfristig: „Mit einem Vorlauf von drei bis vier Wochen sollte man schon rechnen.“
Der Trend zum Gebrauchtwagen scheint auch in Niedersachsen anzuhalten. Im „Heimatland“ von Volkswagen sanken im Mai die Neuzulassungen um knapp sieben Prozent, verglichen mit 2021.