"Wir lieben Lebensmittel" lautete bisher die Werbebotschaft von Edeka an die Käufer. Doch plötzlich darf es bei dieser Liebe ruhig etwas billiger zugehen, um auch angesichts der hohen Inflation weiterhin Herzenspartner der Kunden sein. Die greifen im Supermarkt nämlich angesichts der kräftigen Preissteigerungen verstärkt zu den Eigenmarken der Ketten. Das hat der aktuelle Index zum Verbraucherverhalten ergeben, den die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) monatlich erhebt. Demnach stieg der Umsatzanteil bei den Artikeln ohne Marke im April um vier Prozent verglichen mit dem Vorjahr.
Außerdem stellt die GfK fest, dass die Verbraucher nicht mehr bereit sind, jeden Preis zu zahlen. In den vergangenen zwei Pandemiejahren sei Qualität oft wichtiger als der Preis gewesen. Doch angesichts der Tatsache, dass die privaten Haushalte im April 8,6 Prozent mehr für Nahrungsmittel ausgeben mussten als im April 2021, halten sie sich zurück. Sie wollen nun weniger Geld für Fleisch und Fisch ausgeben.
Rabatt nur für Kunden mit Deutschlandcard
Diesen Trend greifen die Ketten auf. Edeka will daran erinnern, dass es im Sortiment auch die günstigen Eigenmarken gibt. Gleichzeitig wirbt die größte Handelskette Deutschlands seit vergangener Woche auch damit, dass 200 Artikel der eigenen Marke bis Ende August den gleichen Preis behalten – vorausgesetzt, der Kunde besitzt die Deutschlandcard, mit der er eigentlich Punkte sammelt. Bei der Discounter-Tochter Netto sollen bis Ende Juli 200 Artikel des täglichen Bedarfs den gleichen Preis behalten, sofern man eine Deutschlandcard besitzt.
Was die Supermarktkette als tollen Service für die Kundschaft anpreist, ruft die Verbraucherschützer auf den Plan. Bei der Bremer Verbraucherzentrale ist man alles andere als begeistert. "Die Verknüpfung mit der Deutschlandcard halte ich verbraucherrechtlich für äußerst bedenklich", sagt Rechtsexpertin Anke Behn. "Schließlich bezahlt der Kunde ja mit seinen Daten, um diese Rabattierung zu erhalten, denn nur mit dieser Rabattkarte erhält der Kunde die Preisgarantie und legt damit seine Daten offen."
Diese Aktion schließt Kunden aus
Sie ergänzt: "Kunden, die diese Karte nicht haben, werden von der Rabattierung ausgeschlossen." Das könnte Verbraucher dazu animieren, sich eine solche Karte zuzulegen. Behn rät: "Kunden sollten genau darauf achten, ob da nicht vor dieser Aktion bereits eine Preiserhöhung vollzogen wurde." Einige Preise habe man ja als Verbraucher im Kopf, einige würden ihre Kassenbons auch länger aufbewahren, sodass sich die aktuellen Preise womöglich noch mit denen vor einigen Monaten vergleichen ließen.
Die Konkurrenz wie Lidl und Aldi setzt in ihren wöchentlichen Prospekten ebenfalls ganz auf den Vergleich der Markenpreise mit den eigenen Artikeln ohne Marke. Aldi Nord führt damit die Kampagne fort, die die Kette im vergangenen Jahr mit dem Slogan "Entdecke den Unterschied" begonnen hatte. "Die aktuelle pointierte Bewerbung unserer Eigenmarken ist die Fortsetzung dieser Strategie" sagt Aldi-Nord-Sprecher Axel vom Schemm. Nun bezeichnet sich der Discounter als "Erfinder der Eigenmarke". Derzeit gebe es 1370 Artikel aus dem eigenen Sortiment, was etwa 80 Prozent des Warenangebots entspricht.
Aldi musste bei Markenartikeln erst aufholen
Paradox ist, dass es eine Zeit bei Aldi gab, in der der Discounter unbedingt mehr Markenprodukte im Sortiment haben wollte, um so gegenüber dem Hauptkonkurrenten Lidl Boden gut zu machen. Denn dort liegt der Markenanteil laut GfK derzeit bei etwa 40 Prozent – und damit also höher als bei Aldi. Laut dem Handelsexperten Thomas Roeb von der Fachhochschule Bonn-Rhein Sieg begann Aldi um das Jahr 2005 herum, das Sortiment mit Markenartikeln auszubauen: "Damals wurde beispielsweise Ferrero zum ersten Mal gelistet."
Bei Edeka sei es wiederum gut 15 Jahre her, dass sich der Händler mit den eigenen Marken neu positionierte. "Der damals neue Einkaufsvorstand stellte fest, dass die Eigenmarken vernachlässigt wurden. Die Sorge damals war, dass sie die ertragreicheren Markenartikel schwächen könnten." Der neue Vorstand sah, "dass man den Discountern kein Paroli bieten könnte, wenn man die Eigenmarken nur so mitlaufen lässt", erinnert sich Roeb, Professor für Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Edekas Herz schlägt plötzlich anders
Das bei Edeka nun das Herz plötzlich anders schlägt, bewertet Roeb so: "Es war in den letzten Jahren nicht notwendig, die Eigenmarken zu bewerben. Die Märkte sind in den letzten Jahren schöner und größer geworden, die Kunden haben es gemocht." Erst jetzt, wo die Discounter in jüngster Zeit wieder einen Aufschwung erlebten, werde Edeka sehr schnell nervös. "Man sagt sich, dass man nun das Preisprofil schärfen muss, um die Kunden zu halten.“ Wie viel Zeit Edeka hatte, um die neue Kampagne umzusetzen, wollte das Unternehmen dem WESER-KURIER nicht sagen. Roeb bezeichnet die Umsetzung als "zügig" verglichen mit der Zeit, die man sonst von der ersten Idee bis zum Ausspielen in den Medien benötige. Die Liebe zu Lebensmitteln in Zeiten der Inflation wird sich also noch länger im niedrigpreisigen Segment abspielen – damit der Kunde seinem Supermarkt bloß nicht den Rücken kehrt.