Bis zu 78 Millionen Euro will der Glasfasernetzbetreiber Deutsche Giganetz in Bremen-Nord investieren, um möglichst viele Haushalte ans schnelle Internet anzuschließen. Voraussetzung: Ein Drittel der Internetnutzer macht einen Vertrag mit Giganetz, noch bevor das erste Glasfaserkabel in der Erde liegt – sonst wird gar nicht erst gebuddelt. Bei der Kundenwerbung geht Giganetz nach Meinung einiger Betroffener jedoch nicht gerade zimperlich vor.
Seit Ende Juni ist Giganetz in Bremen-Nord auf Kundenfang. Zuvor hatte das Unternehmen mit der Stadt einen Kooperationsvertrag unterschrieben. Im Wirtschaftsressort sieht man die Giganetz-Pläne als "bedeutendes Projekt" – geht es doch um die flächendeckende Versorgung mit Glasfaserkabeln fürs schnelle Internet. Auch in Borgfeld wird zurzeit mit Wissen und Zustimmung des Wirtschaftsressorts um Netzkunden geworben – dort sind drei Unternehmen auf Akquise.
Bagger rollen erst nach Vertragsabschluss
Die Deutsche Giganetz GmbH mit Sitz in Hamburg, hinter der zwei große Investmentfonds stehen, hat nach eigenen Angaben Kooperationsverträge mit mehr als 160 Kommunen und Metropolregionen geschlossen. Die Bagger rollen allerdings erst an, wenn 35 Prozent der möglichen Kunden in einem Gebiet einen Nutzungsvertrag unterschrieben hätten. Um diese Zahl zu erreichen, ziehen Werber von Haustür zu Haustür und sammeln Vertragsunterschriften. Damit beauftragt Giganetz in der Regel eine örtliche Agentur.
Laura Schimmler und einige ihrer Nachbarn und Bekannten haben den Auftritt eines Giganetz-Werbers erlebt. Sie beschreibt das so: "Ein junger Mann im Auftrag eines privaten Konzerns klingelt unangemeldet bei Ihnen an der Tür, liefert Ihnen keinerlei schriftliche Infos zu seinem Produkt und teilt Ihnen mit, Sie müssen aber jetzt sofort etwas unterschreiben, weil das sonst 2000 Euro kostet." Wo genau man am Ende preislich landet, warum man zeitlich so unter Druck gesetzt wird und wozu das überhaupt gut sein soll – "so genau kann einem der junge Mann das auch nicht erklären", berichtet sie.
Die einzige verbindliche Information sei die Feststellung, dass man sich damit für zwei Jahre an Giganetz binde, wobei unklar bleibe, wann der Vertrag beginnt, wann eine Lieferung erfolgt und welche Vertragsbedingungen gelten. "Auf mehrfache Nachfrage bekommt man dann möglicherweise einen Zettel, auf dem ,Seite 2 von 2' steht", sagt Schimmler. Was auf „Seite 1 von 2“ steht, bleibt offen.
Auch andere Einwohner berichten von aggressiven Verkaufsmethoden der Giganetz-Werber. Im Internet finden sich einige Fälle aus anderen Kommunen, in denen von ähnlichen Praktiken die Rede ist. In Nauheim bei Mainz etwa bat der Bürgermeister nach Einwohnerbeschwerden zum Gespräch. In Weinheim bei Ludwigshafen forderte die Stadt einen Verhaltenskodex für die Werber.
Giganetz räumt "vereinzelt aufgekommene Beschwerden" ein, denen man "lückenlos sowie konsequent" nachgegangen sei. "Unsere Priorität liegt klar darauf, sicherzustellen, dass die Akquisition unserer potenziellen Kundinnen und Kunden reibungslos und verbraucherfreundlich erfolgt", versichert Giganetz-Sprecherin Simone Gerrits. Beschwerden könnten telefonisch (unter 040 / 593 63 00) oder per Mail (kundenservice@deutsche-giganetz.de) eingereicht werden. Informiert werde die Bevölkerung seit Wochen über eigens eingerichtete Shops in Blumenthal und Vegesack, auf Bürgerdialogen sowie lokalen Veranstaltungen und Festen. In Blumenthal sei die Akquisitionsphase bis zum 20. November verlängert worden, weil das Ziel "noch nicht ganz erreicht" sei; in Vegesack läuft die Vorvermarktung noch bis zum 4. Dezember.
Im Wirtschaftsressort seien bisher keine Beschwerden eingegangen, sagt Behördensprecher Christoph Sonnenberg. "Wir gehen davon aus, dass sich die Telekommunikationsunternehmen oder die von ihnen mit der Vermarktung beauftragten Firmen an angemessene Umgangsformen halten", betont er. Der Ausbau des Glasfasernetzes finde "im Interesse der Stadtgemeinde Bremen" statt – allerdings nicht in deren Auftrag. Man habe in diesem Jahr Absichtserklärungen mit drei Netzbetreibern unterzeichnet: der Deutschen Giganetz, Glasfaser Nordwest (Telekom und EWE) und Deutsche Glasfaser.
Die Verbraucherzentrale weist darauf hin, dass bei Haustürgeschäften ein 14-tägiges Widerrufsrecht besteht. Die Frist beginnt, sobald die Auftragsbestätigung des Netzbetreibers vorliegt. Das heißt: Wird der Anschluss ein paar Wochen oder Monate später bereitgestellt und die erste Rechnung verschickt, ist es für einen Widerruf zu spät. Die Vertragslaufzeit darf allerdings nur maximal zwei Jahre betragen; auch diese beginnt mit der Auftragsbestätigung und nicht erst mit der Freischaltung des Anschlusses.