Tische aus Gitterboxen, Möbel aus Paletten, über der Theke hängen Glühlampen an Kabeln. Das erste Markenzentrum von Borgward versucht gar nicht erst, wie ein normales Autohaus auszusehen. Vielmehr kommt es daher wie eine Bar in irgendeinem angesagten Stadtviertel. Wäre da nicht das massige Auto, perfekt ausgeleuchtet, auf einem roten Teppich vor einer großen Leinwand.
Der BX7 TS in der limitierten Edition ist das zentrale Element im Markenzentrum in bester Stuttgarter Innenstadtlage. Und er ist auch das zentrale Element für Borgward: Zum ersten Mal nach 57 Jahren trägt ein Auto wieder diesen legendären Markennamen. „Das ist eine besondere Woche für uns“, sagt Tom Anliker, Marketing- und Vertriebschef bei Borgward, als er über den Start auf den deutschen Markt spricht.
Anfang der Woche hatte er eine umfassende Kooperation mit der Werkstattkette ATU verkündet, am Wochenende sind die ersten Interessenten in Stuttgart, um auf einem Kundenevent die ersten Borgwards aus chinesischer Produktion in Deutschland Probe zu fahren – und im besten Fall auch zu kaufen.
Ist er gut genug?
Es ist der Moment, auf den die etwa 80 Borgward-Mitarbeiter in Stuttgart und die weltweit 5000 Angestellten jahrelang hingearbeitet haben. Sie haben designt, gebaut und vermarktet, haben geforscht und getestet. Trotzdem könnte es am Ende schwer fallen, die Kunden zu überzeugen. Der Borgward BX7 in der limitierten Edition wirkt wie ein gutes Auto, keine Frage.
Die lautet vielmehr: Ist er gut genug? Und ist Borgward gut genug, oder sind die eingeschlagenen Wege zu riskant für das junge Unternehmen? Zum Beispiel der Vertrieb: Hier verzichtet der Autobauer, anders als in China, auf Autohäuser wie man sie kennt. Das Unternehmen setzt auf die sogenannten Brand Center, so wie in Stuttgart.
Bislang gibt es aber nur dieses eine. Geplant ist auch, in andere deutsche Metropolen zu gehen. Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt. Acht bis zehn dieser Showrooms sollen entstehen. Auch in Bremen. Zum deutschen Marktstart in dieser Woche ist das aber noch nicht geschehen.
Der Vertrieb läuft bislang über das Internet. Weil ein physisches Händlernetz sehr teuer sei, habe man aus der Not eine Tugend gemacht. In der Marktforschung habe man herausgefunden, dass sich viele Kunden vorstellen könnten, ihr Auto im Internet zu kaufen. „Davon wurden wir selbst überrascht“, sagt Tomás Caetano, Marketingchef bei Borgward.
Anfangs gehe man davon aus, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Kunden ihr Auto im Internet kaufen. Perspektivisch könnte der Anteil auf bis zu 80 Prozent steigen. „Jeder Kauf beginnt heutzutage mit einer Google-Suche“, sagt Anliker. Dabei sei es egal, ob es um eine Bohrmaschine oder um ein Haus gehe. Am Internet führe kein Weg vorbei. Dem will Borgward gerecht werden.
Gleichzeitig sind sich die Autobauer bewusst, dass nicht der gesamte Kauf am Rechner erledigt werden kann. Wer den ersten Borgward sehen, anfassen und Probe fahren will, der muss derzeit noch in das Brand Center nach Stuttgart kommen. „Wir können uns aber auch vorstellen, dass wir künftig mit den Autos zu den Interessenten kommen“, sagt Borgward-Sprecher Marco Dalan. Bislang ist das aber noch nicht möglich.
Sie haben eine Vision
Wie viele Autos das Unternehmen 2018 in Deutschland verkaufen will, dazu will bei Borgward keiner etwas sagen. In China habe man aber schon nahezu 100.000 Autos abgesetzt. Allerdings seien die Verkaufszahlen nach einem soliden Start eingebrochen. Nach Zahlen des Online-Portals Carsalesbase wurden zur Einführung in China im Juli 2016 mehr als 4000 Fahrzeuge der Modelle BX7 und BX5 verkauft, ein Jahr später waren es noch 3200.
Im April dieses Jahres brach der Absatz noch weiter ein. Borgward verkaufte gerade mal 1900 Autos. Zum Vergleich: 2017 wurden in China insgesamt fast 25 Millionen Autos verkauft. Hinzu kommt, dass der Mutterkonzern Foton schon seit einigen Monaten auf der Suche nach einem zusätzlichen Investor für Borgward ist. Er soll neues Geld bringen – auch um die Marke strategisch weiterzuentwickeln. Chinesische Medien berichten sogar, dass sie ganz verkauft werden könnte.
Was klar wird: Die Leute hinter Borgward haben eine Vision. Es geht nicht nur darum, ein passables Auto unter einem bekannten Namen zu bauen, um nach einem Modell wieder in der Versenkung zu verschwinden. Und auch wenn der Investor Foton, der die Marke wiederbelebt hat, aus China kommt, so ist zumindest der BX7 TS Limited Edition kein billig daherkommendes Fahrzeug (siehe Testbericht unten).
Auch die Nachfolger sollen es nicht sein. Schon im Oktober soll die reguläre Ausgabe des BX7 in Deutschland an den Start gehen, im Dezember soll der BX5 folgen, Anfang 2019 der BX6. Später im kommenden Jahr will Borgward dann den nächsten Schritt wagen. Das Unternehmen will mit dem BXi7 einen Elektro-SUV auf den Markt bringen. „Normale Motoren wird es weiterhin geben“, sagt Anliker. „Die Zukunft ist aber elektrisch.“
Auch das ist ambitioniert. Bislang gibt es kaum E-SUV am Markt. Doch das Projekt steht vor einem großen Problem. Eigentlich sollte der E-Borgward in Bremen gebaut werden. Mit viel Tamtam und einer großen Show haben das Unternehmen und Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) das im Oktober 2016 verkündet. Schon die Suche nach dem richtigen Grundstück verzögerte sich aber.
Erst galt Bremerhaven als heißer Favorit, dann sollte es plötzlich größer werden als geplant. Gefunden wurde schließlich ein 140 000 Quadratmeter großes Areal im Bremer Güterverkehrszentrum. Mit der Wirtschaftsförderung wurde eine Absichtserklärung unterzeichnet, dass Borgward bis Anfang 2018 mit dem Bau der Fertigung an dieser Stelle beginnt. Bislang hat das Unternehmen das Grundstück aber noch nicht einmal gekauft.
Mit Geschichte in die Zukunft
Die chinesische Regierung prüfe derzeit Auslandsinvestitionen, hieß es im Winter als Begründung. Und diese Antwort gilt auch heute noch. „Der Evaluierungsprozess dauert länger als gedacht“, sagt Anliker. Und auch die politische Weltlage behindert Borgwards Pläne. Der Handelsstreit zwischen China, der EU und den USA sei ein zusätzliches Hemmnis.
Anliker gibt zu: „Die Lage ist nicht so, wie wir uns das als dynamisches Unternehmen gedacht haben.“ Die E-Borgwards sollen trotzdem nächstes Jahr kommen, dann halt per Schiff aus China. Frühestens und optimistisch gedacht erst ab Mitte 2019. Anliker betont aber auch: „Stand heute halten wir an unseren Plänen in Bremen fest.“

Im Borgward-Werk im chinesischen Miyun können bis zu 360.000 Autos pro Jahr gebaut werden.
Bremen hat einen festen Platz beim neuen Borgward – zumindest in der Markenbildung. Hier sprechen alle immer von der „DNA“, von „Heritage“ und vom Pioniergeist des Gründers. Carl F.W. Borgward als Elon Musk des deutschen Wirtschaftswunders, und Anliker und seine Kollegen seine Enkel im Geiste. Der alte Borgward wird bei den neuen Borgwards als Visionär gehandelt, aber seine Autos einfach nur nachbauen wollen sie nicht.
Aus allen Gesellschaftsschichten
„Wir sind keine Retromarke“, sagt Design-Chef Anders Warming. Trotzdem orientiert sich Borgward am alten Design. „Wir nehmen das Echo aus der Vergangenheit und das, was wir in Zukunft brauchen werden.“ Isabella, Goliath, Hansa und die anderen Borgward-Autos finden immer nur einen Anklang im neuen Design. Mal in einer Linie, die das Auto ziert, mal im Kühlergrill. Nie mit dem Holzhammer, immer nur angedeutet.
„Es gibt zu viele Autos auf der Straße, die nicht wirklich schön aussehen“, sagt Warming. Borgward will sich nicht dazu zählen. Das Design soll mühelos aussehen, aber auch selbstbewusst. In etwa so, wie sich die Kunden wahrnehmen. Die beschreibt Caetano als „progressiv modern Mainstream“, als aufgeschlossen und mit einem mittleren oder gehobenen Einkommen. Aber aus allen Gesellschaftsschichten und von jung bis alt.
Leute, die sich mit der Marke und mit dem Menschen Borgward identifizieren können und wollen. „Wir wollen daher erst unsere Marke bekannt machen, dann aufs Volumen gehen“, sagt Anliker. Und er meint damit: Borgward will eine Geschichte verkaufen und dazu ein Auto – und nicht etwa ein Auto mit eigener Geschichte. Der BX7 ist das erste Kapitel in der neuen Borgward-Geschichte. Wie viele es noch geben wird, das bestimmen am Ende die Kunden.
Wechsel an der Borgward-Spitze
Philip Koehn löst Ulrich Walker als Vorstandsvorsitzenden bei Borgward ab. Das teilte das Unternehmen am Freitag mit. Walker war seit 2015 Vorstand des Autobauers und hatte zuvor unter anderem die China-Geschäfte von Daimler verantwortet. Schon damals sei vereinbart worden, dass Walker seinen Posten abgebe, sobald Borgward in den deutschen Markt gestartet sei, sagte ein Sprecher auf Nachfrage. Koehn war bereits Anfang Mai zum Vorstand berufen worden, den Vorsitz übernimmt er zum 1. Juli. Zuvor leitete er die Entwicklung der Luxusmarke Rolls-Royce.