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Handelskammer-Präses im Interview "Die politische Farbe ist mir völlig egal"

Nach drei Jahren endet im Januar turnusgemäß die Amtszeit der ersten Frau an der Spitze der Handelskammer Bremen. Im Gespräch mit dem Weser-Kurier zieht Janina Marahrens-Hashagen Bilanz.
28.12.2021, 19:00 Uhr
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Von Christoph Barth

Frau Marahrens-Hashagen, Ihre dreijährige Amtszeit als Präses der Handelskammer fiel zu zwei Dritteln in die Zeit der Corona-Epidemie. Wann wurde Ihnen zum ersten Mal bewusst, dass dieses Virus die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft derart dominieren würde?

Janina Marahrens-Hashagen: Als wir Anfang letzten Jahres zum ersten Mal von diesem Virus hörten, das da in China grassierte, bin ich noch guten Gewissens in den Urlaub geflogen, in die Karibik. Erst als es richtig losging, als die Flüge gestrichen wurden, die Kreuzfahrtschiffe festsaßen, wurde mir klar: Da ist etwas unterwegs, was schwer zu handhaben sein wird. Irgendwann rief mein Sohn an, der mittlerweile in der Geschäftsführung unseres Unternehmens sitzt, und sagte: Mama, da kommt was auf uns zu.

Ihr Unternehmen stellt Schilder her, unter anderem für Kreuzfahrtschiffe, die plötzlich keiner mehr haben wollte.

Ja, und als ich nach Hause kam, bemerkte ich sofort, wie verunsichert unsere Mitarbeiter bereits waren. Die ersten Aufträge wurden storniert, wir saßen da mit halb angefangener Ware und fragten uns: Wie geht es nun weiter?

Einzelhandel, die Veranstaltungsbranche, Tourismus – alle mussten von heute auf morgen schließen. War da Panik zu spüren?

In vielen Fällen ja, vor allem bei kleinen Unternehmen, die plötzlich vor dem Nichts standen. Wir haben als Handelskammer versucht, unseren Mitgliedern so viele Informationen wie möglich zur Verfügung zu stellen. Aber häufig war vor allem auch die emotionale Unterstützung ganz wichtig.

Wie hat die bremische Wirtschaft die Krise bis jetzt überstanden?

Die Branchen sind sehr unterschiedlich betroffen. Da, wo die Auswirkungen gravierend sind, hatten und haben wir ja zum Glück das Instrument der Kurzarbeit, was relativ schnell und verlässlich funktioniert hat. Und auch die staatlichen Soforthilfen haben geholfen, auch wenn die nicht immer sofort geflossen sind.

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Seit der Bürgerschaftswahl im Mai 2019 haben Sie es im Wirtschaftsressort mit einer linken Senatorin zu tun, Kristina Vogt. Was haben Sie gedacht, als die Ressortverteilung des rot-grün-roten Senats feststand?

Am Anfang habe ich erst einmal kritisch geschaut, aber meine Vorurteile sind nicht bestätigt worden. Frau Vogt hat sich sehr pragmatisch für die Belange der Wirtschaft eingesetzt. Die Amtsbezeichnung "Wirtschaftssenatorin" füllt sie aus – sie ist für die Wirtschaft da.

Wie hat sich Ihr Verhältnis zu Frau Vogt entwickelt? Man hört, dass Sie sich auch auf einer persönlichen Ebene respektvoll nähergekommen sind.

Sie ist pragmatisch, sie ist immer gut vorbereitet, was ich sehr schätze. Sie hat durchaus ihre eigenen Sichtweisen, aber man kann lösungsorientiert mit ihr diskutieren.

Schweißt die Krise Sie zusammen?

Wir haben uns auf Augenhöhe durch die Krise bewegt.

Ohne die Krise hätte es wahrscheinlich mehr gekracht.

Krachen muss es nicht, wir diskutieren immer sachorientiert.

Dann sagen wir es so: Es hätte den einen oder anderen Dissens gegeben.

Das liegt in der Natur der Dinge.

Ihre Probleme mit dem rot-grün-roten Senat liegen aber mehr bei der anderen Farbe, dem Grün, oder?

Die politische Farbe ist mir völlig egal. Ich bin die Vertreterin der Wirtschaft und an sachorientierten Lösungen interessiert. Das heißt zum Beispiel in der Verkehrspolitik: Wir sind für die autoarme Innenstadt und legen Wert auf ein in sich schlüssiges Gesamtkonzept. Wenn man zum Beispiel einfach zwei Straßen sperrt, ist das kein tragfähiges Konzept.

Martinistraße und Am Wall, wo Mobilitätssenatorin Maike Schaefer von den Grünen die Verkehrsregelung geändert hat.

Die Innenstadt muss erreichbar bleiben, und bevor man irgendetwas zurückdrängt, muss man doch erst einmal sehen: Wie und wo kann man Alternativen schaffen?

Aber wird der Kampf gegen den Klimawandel nicht spätestens, wenn die Corona-Epidemie überwunden ist, das dominierende Thema auch in der Wirtschaft sein? Und heißt das dann auch: autofreie Innenstadt, Natur- und Artenschutz statt neuer Gewerbegebiete?

Natürlich müssen und wollen wir uns dem Thema Klimawandel stellen. Aber es ist ja nichts gewonnen, wenn wir in Bremen glauben, alles richtig zu machen, und die Leute dann zum Einkaufen in andere Städte fahren oder Unternehmen sich im Umland ansiedeln und dort Gewerbeflächen in Anspruch nehmen.

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Träumen wir einmal davon, das Virus hätte es nie gegeben: Mit welchen Themen hätten Sie sich dann in ihrer Amtszeit beschäftigt?

Bildung ist für mich ein ganz, ganz wichtiges Thema. Weil es für uns als Unternehmen immer schwieriger wird, in der Schule gut ausgebildete junge Leute zu uns in die Berufsausbildung zu holen. Wir erleben, durch die Pandemie jetzt noch verstärkt, dass es da vielfach an Grundkenntnissen fehlt. Wer Heizungsbauer werden will, sollte zumindest einen Dreisatz beherrschen. Wichtige Themen sind auch Klimaschutz, Stadt- und Verkehrsentwicklung oder die großen nationalen und internationalen Herausforderungen.

Ich hätte jetzt erwartet, dass auch das Thema "mehr Frauen in Spitzenpositionen" ganz oben auf Ihrer Liste steht.

Der Anteil muss höher werden, keine Frage. Eine Quote fände ich aber degradierend. Es geht um Motivation, ums Mutmachen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Niemand möchte Quotenfrau sein.

Sie werden sich künftig wieder mehr um Ihr eigenes Unternehmen kümmern?

Ich gehe noch ein bisschen arbeiten, ja.

Inzwischen sitzt Ihr Sohn dort in der Geschäftsführung. Wie bringen Sie dem bei, dass Mama jetzt wieder häufiger mitmacht?

Wir haben einen klaren Exit-Plan: Ich werde noch ein Jahr voll mitarbeiten und mich dann auf drei Tage pro Woche zurückziehen. Irgendwann muss man den jungen Leuten das Feld überlassen.

Das Gespräch führte Christoph Barth.

Zur Person

Janina Marahrens-Hashagen war drei Jahre lang als erste Frau Präses der Handelskammer Bremen. Im Januar endet ihre Amtszeit turnusgemäß. Die Marahrens-Gruppe stellt Beschilderungen her.

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