Geht es nach der Handelskammer Bremen und Bremerhaven, dann wird die Osterholzer Feldmark für Wohnbebauung erschlossen und für Gewerbeansiedlung weitere Flächen in Niedervieland und Bayernstraße. Das ist einer der Schritte, die die Kammer zur langfristigen Stärkung des Wirtschaftsstandorts fordert. Und kurzfristig soll nach Ansicht der Kammer die rot-grün-rote Regierung für ein investitionsfreundliches Klima sorgen. Das soll dabei helfen, der schwächelnden Konjunktur entgegenzuwirken, die weltweit zu beobachten ist und Bremen mit einem traditionell hohen Exportanteil besonders trifft.
„Eine kurzfristige Maßnahme wäre beispielsweise, für eine Beschleunigung bei der Genehmigung von Bauprojekten zu sorgen“, sagte Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, am Montag. Da würden derzeit Monate und manchmal Jahre vergehen. Das dürfe nicht sein. Es sei auch schädlich, dass die Regierung über höhere Standortkosten diskutiere. Allein der Gedanke daran schrecke mögliche Investoren ab.
„Die Konjunkturaussichten treiben mir Sorgenfalten ins Gesicht“, beschrieb Handelskammer-Präses Janina Marahrens-Hashagen die wirtschaftliche Situation Bremens und Bremerhavens. Nach Jahren des stetigen Aufschwungs befinde sich die Wirtschaft in einer konjunkturellen Schwächephase. So gab es nach Angaben der Handelskammer einen leichten Rückgang der bremischen Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr 2019, während im Bundesdurchschnitt noch ein leichter Zuwachs verzeichnet wurde. Auch für 2020 rechnet die Kammer aufgrund von zurückgehender Nachfrage aus dem Ausland mit einer anhaltend schwachen konjunkturellen Entwicklung. Aus Sicht der Kammer ist nun die rot-grün-rote Regierung gefordert, mit einer wirtschaftsstärkenden Politik einem Abschwung entgegenzusteuern und bei den öffentlichen Ausgaben die richtigen Prioritäten zu setzen.
„Der Fokus muss jetzt eindeutig auf der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts liegen“, so Janina Marahrens-Hashagen. Die Grundlage für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum seien Investitionen. „Hierfür benötigen die Unternehmen in Bremen und Bremerhaven verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen und kurzfristig verfügbare Gewerbeflächen für Erweiterungen und Neuansiedlungen.“ In Bremerhaven gebe es in diesem Zusammenhang zumindest mit der Luneplate ein Areal, das mittelfristig erschlossen werden soll.
Von der rot-grün-roten Landesregierung, die seit Mitte August im Amt ist, erwartet die Kammer „jetzt zügige Arbeit an den strukturellen Themen, um die knappen öffentlichen Haushaltsmittel im Sinne der Standortqualität für Bremen und Bremerhaven einzusetzen. Wir benötigen dringend investive Maßnahmen, vorrangig Verbesserungen in der Verkehrs- und Digitalinfrastruktur sowie der Bildungsqualität.“ Nur mit einer zügigen und konsequenten Investitionsstrategie könne das Land auch für kommende Generationen als Unternehmens-, Arbeits- und Wohnstandort attraktiv bleiben.
Diese Ziele widersprechen sich auch nicht mit der angestrebten Umwelt- und Mobilitätswende. „Die ist nur möglich, wenn es eine vernünftige Infrastruktur und eine funktionierende Wirtschaft gibt“, so die Präses. Für eine solche Wende werde Geld benötigt. Das komme von Unternehmen und deren Mitarbeitern. Doch Voraussetzung dafür sei eine gut laufende Wirtschaft. Dass es einen Konjunkturabschwung gebe, zeige sich auch anhand der Gewerbesteuereinnahmen. „Die lagen im Land Bremen 2018 bei 600 Millionen Euro, 2019 sollen es voraussichtlich 11,4 Prozent weniger sein, wobei Bremerhaven sogar weiterhin ein leichtes Plus haben soll“, sagte Janina Marahrens-Hashagen.
Weiterhin robuste Binnennachfrage
Nach ersten Berechnungen der statistischen Ämter sei in der ersten Jahreshälfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 0,4 Prozent zurückgegangen, so Fonger. „Damit war die konjunkturelle Entwicklung im Land Bremen ungünstiger als im Bundesdurchschnitt, wo im selben Zeitraum noch ein leichtes Wachstum von plus 0,4 Prozent verzeichnet wurde.“ Die nachlassende Konjunktur lasse sich größtenteils auf die schwächelnde Industrieproduktion zurückführen, welche in Bremen ganz besonders stark vom Export abhänge. Eine Abschwächung der globalen Konjunktur durch Handelskonflikte und den Brexit treffe Bremen mit seiner hohen Exportintensität stärker als im Bundesdurchschnitt. Gestützt werde die Konjunktur aber weiterhin von einer robusten Binnennachfrage.
Auch auf dem bremischen Arbeitsmarkt zeigten sich erste negative Auswirkungen der nachlassenden Konjunktur. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Land Bremen sei, so Fonger, nach vorläufigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit im Juni 2019 gegenüber dem Vorjahr zwar noch einmal um 1,2 Prozent auf etwa 334 000 gestiegen. Der Zuwachs sei aber geringer als der Bundesdurchschnitt, der bei plus 1,6 Prozent liege.
Entgegen dem Bundestrend habe die Arbeitslosigkeit im Land Bremen sogar wieder zugenommen: Im November 2019 stieg die Zahl der Arbeitslosen im Land Bremen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,4 Prozent auf etwa 36 000 an. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im selben Zeitraum um plus 0,5 Prozentpunkte auf 9,8 Prozent. Gleichzeitig blieb die Quote im Bundesdurchschnitt unverändert bei 4,8 Prozent.
Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin viele Unternehmen händeringend qualifizierte Fachkräfte suchen, so Marahrens-Hashagen. Auf der anderen Seite könnten Unternehmen nicht mehr alle Ausbildungsplätze besetzen. „Dass Politik vor diesem Hintergrund tatsächlich über eine Ausbildungsumlage nachdenkt, ist absurd. Die Ausbildungsumlage lehnen wir strikt ab.“
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