Die Geschäftserwartungen der Unternehmen im Nordwesten für die kommenden zwölf Monate haben sich deutlich verschlechtert. Das geht aus den aktuellen Konjunkturumfragen der bremischen und niedersächsischen Industrie- und Handelskammern hervor. Zwar wird die derzeitige Geschäftslage noch von etwas mehr als der Hälfte der Firmen in der Region als zufriedenstellend bewertet. Doch die Prognosen für das kommende Jahr sind inzwischen in sämtlichen Branchen negativ.
„Die Stimmung ist sehr verhalten, die Unternehmen sind wenig investitionsbereit und blicken mit Sorge auf die Zukunft“, sagte Janina Marahrens-Hashagen, Präses der Bremer Handelskammer, im Interview mit dem WESER-KURIER. In Niedersachsen sind die Unternehmen ebenfalls skeptisch: „Die internationalen Handelsstreitigkeiten dominieren das Wirtschaftsklima und bremsen Handel und Wachstum aus“, so Horst Schrage, Hauptgeschäftsführer der IHK Niedersachsen. „Hinzu kommen gravierende strukturelle Herausforderungen der Industrie.“
Auch Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, warnte vor den Folgen des wirtschaftlichen Abschwungs. „Die Konjunkturaussichten werden zunehmend ungemütlicher und unsicherer“, sagte Kramer beim Festakt zum 200-jährigen Bestehen der Reederei F. A. Vinnen am Freitag in Bremen. „Die Zeiten des Höher, Schneller, Weiter sind nun erst mal vorbei.“ Sollten sich die internationalen Handelskonflikte noch verschärfen, könne aus der Wachstumsdelle „eine ernsthafte Krise werden“, sagte der Bremerhavener Unternehmer. „Den Wind können wir nicht ändern, aber wir können die Segel danach richten.“
Dass Arbeitsplätze wegfallen, erwartet Handelskammer-Präses Marahrens-Hashagen zunächst in der Automobilindustrie. Aber auch ein weiterer Beschäftigungsabbau sei wahrscheinlich. „Die aktuelle Entscheidung von Bosch, die Lenksäulenfertigung in Bremen einzustellen, ist ein Beispiel dafür.“
In Bremen geht nur jedes zehnte Unternehmen von einer Besserung aus
Den Umfragen zufolge rechnen in Niedersachsen zwölf Prozent der Unternehmen mit einer günstigeren Geschäftsentwicklung (Vorquartal 13 Prozent), 33 Prozent (22 Prozent) erwarten eine ungünstige Entwicklung. In Bremen und Bremerhaven geht nur jedes zehnte Unternehmen von einer Verbesserung aus, im Vorquartal war es noch jeder neunte Betrieb. Ein Drittel der Befragten erwartet eine weitere Verschlechterung, vor drei Monaten waren es nur 22 Prozent der Unternehmen. Düsterer fielen die Prognosen der bremischen Unternehmen zuletzt 2009 aus.
Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen, rechnet in diesem Jahr noch mit einer konstanten Beschäftigung, im kommenden Jahr allerdings mit einem Rückgang. „Leider ist unsere Ausgangslage eine Sockelarbeitslosigkeit von fast zehn Prozent.“ Das zeige die dringende Notwendigkeit einer wirtschaftsstärkenden Investitionspolitik im Land Bremen.
Der Bremer Wirtschaftspolitik wird in der Konjunkturumfrage für die vergangene Legislaturperiode ein „denkbar schlechtes Zeugnis“ ausgestellt. Etwas mehr als die Hälfte der Firmen bewerteten die Politik des rot-grünen Senats als „schlecht“. Besonders häufig wird die Verkehrspolitik bemängelt. Die Unternehmen werfen dem Senat mangelnde Instandhaltung der Infrastruktur vor. Auch der Umgang mit der maroden Lesumbrücke wird kritisiert. Der neuen Landesregierung trauen nur 6,1 Prozent der Befragten eine bessere Wirtschaftspolitik zu, fast die Hälfte geht von einer Verschlechterung aus.
Das Wirtschaftsressort habe in den vergangenen Jahren einige wichtige Impulse gesetzt, beispielsweise in der Luft- und Raumfahrt, sagte Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) auf Nachfrage. „In der neuen Legislatur haben wir für den Wirtschaftsbereich eine Reihe von Vorhaben beschrieben, die wir umsetzen werden.“ Dazu gehöre etwa die Neuaufstellung des Gewerbeentwicklungsplans, die stärkere Förderung von Firmengründungen durch Frauen und neue Angebote zur Digitalisierung von kleinen Unternehmen. Konjunkturell werde es einige Herausforderungen geben, so die Senatorin. „Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir die richtigen Weichen gestellt haben, um eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik umzusetzen.“