Es ist morgens um 5.45 Uhr im Gewerbegebiet in Dreye vor den Toren Bremens. Temperaturen von minus vier Grad machen aus der Dunkelheit um diese Zeit nicht gerade einen schönen Morgen. In dem Moment trudeln auf dem Hof des Gerüstbauers Ste-Ba noch ein paar Gesellen ein, bis das Team komplett ist. Dann werden die Auftragszettel an die Teams vergeben, anschließend beginnt emsiges Treiben. Gabelstapler setzen sich in Bewegung und beladen die Lieferfahrzeuge mit Gerüstteilen. Wo das Beladen per Stapler nicht möglich ist, heben die Gesellen die benötigten Komponenten von Hand auf die Pritsche.
Für Dennis Schnakenberg, Peter Stelter und Abdoudramane Kone ist es an diesem Morgen anders. Sie müssen ein Gerüst in der Bremer Innenstadt abbauen. Sie brauchen also Platz auf ihrem Fahrzeug und laden einige Teile ab, die vom Vortag liegen geblieben sind.
Gegen 6.30 Uhr fahren die Teams los zu den Baustellen. Als Gerüstbauer ist man auf einer Baustelle immer der erste und immer der letzte. Ohne sie können die anderen Gewerke nicht loslegen. Bei minus vier Grad würden Maler und Betonbauer draußen auch nicht loslegen. Denn ihre Werkstoffe, Farbe und Beton, stehen mit Temperaturen unterhalb von fünf Grad auf Kriegsfuß.
In 20 Metern Höhe bei minus vier Grad
Gegen sieben Uhr kommen die Gerüstbauer in der Bremer Innenstadt am Richtweg an. Durch ein Foto auf ihrem Auftragszettel wissen sie bereits, was sie erwartet: ein 20 Meter hohes Gerüst mit zehn Etagen, das oben zur Seite versetzt ist und über das Dach auf die andere Seite ragt. „Wenn man das sieht – sowas macht schon Spaß“, sagt Dennis Schnakenberg. Zuerst dreht er ein Schild unten am Gerüst um, das dort hängt. Nun besagt das Schild, dass das Begehen des Gerüsts verboten ist.
Dann gehen er und seine Kollegen zum Inspizieren ganz auf die oberste Plattform. Zuvor haben sie sich die typische Montur mit Helm, Gurtzeug mit Sicherungshaken und Handschuhen angezogen. An ihren Gürteln hängen eine Ratsche zum Schrauben, ein Hammer und ein scharfes Messer. „Wir müssen oben auch vorsichtig schauen, ob es bei diesen Temperaturen glatt ist“, sagt Stelter.

Peter Stelter reicht dem Kollegen Abdoudramane Kone einen Gerüstboden an. Stück für Stück bauen sie zusammen mit Kollegen Dennis Schnakenberg das Gerüst ab.
Der Plan zum Abbauen ist festgelegt. Beim Hinabsteigen schneiden die drei die Kabelbinder durch, die die grünen Schutznetze an der Außenseite des Gerüsts halten. Die Netze sollen verhindern, dass während der Bauarbeiten Material auf vorbeiradelnde Passanten fällt. Nun geht es mit Eimern und einem dicken Seil, das länger als das ganze Gerüst ist, in die Höhe, um nach und nach Stangen, Böden und Verbindungsstücke, die Kupplungen, auseinanderzuschrauben. Schnakenberg und Stelter klinken den Sicherheitshaken von ihrem Gurtzeug ein und beginnen, die Stangen über den Dächern auseinander zu schrauben. Abdoudramane Kone, kurz „Abdou“ genannt, der erst seit einem Jahr und sieben Monaten im Gerüstbau arbeitet, nimmt die Teile entgegen. Der 25-Jährige stammt von der Elfenbeinküste und kam 2015 nach Deutschland.
Größtes Sicherheitsrisiko: Zusammenstöße mit Radfahrern
Gegen 8.30 Uhr hängt Dennis Schnakenberg die ersten Teile an den Haken seines Gerüstseils und lässt sie vorsichtig hinab, während er auf der achten Ebene steht. Die beiden Kollegen stehen über ihm und reichen die Teile von oben an. Für Schnakenberg ist Sicherheit oberstes Gebot. Bei seiner Vorsicht wäre an diesem Morgen das größere Risiko, dass einer der Gesellen unten am Richtweg von einem Radler angefahren wird. Nach und nach kommen die ersten Böden am Haken des Seils herunter.
Um 9.15 Uhr machen die drei Gesellen Frühstück in ihrem Lieferwagen. Kaffee und Stullen haben sie dabei. Dabei erzählt Dennis Schnakenberg, dass sie auch für die Industrie Gerüste bauen, und dass das seinen Beruf so abwechslungsreich mache. Für einen namhaften Flugzeugbauer haben sie in der Produktionshalle ein Gerüst aufgebaut, dass etwa alle zwei Monate versetzt werden muss. „Das geht bei denen nur am Wochenende. Wenn ich mich freiwillig dafür melde, habe ich als Ausgleich unter der Woche frei.“ Außerdem sagt er: „Du lernst bei jedem Gerüst immer wieder neu hinzu.“

Noch hängen die letzten Teile von dem Schornsteingerüst. Aber nicht mal eine Stunde später befinden sich die Teile bereits unten, um sie auf den Lieferwagen zu laden.
Schnakenberg kann sich keinen anderen Beruf vorstellen. Seit 2007 ist er als Gerüstbauer tätig: „Ich komme aus einer Familie, in der Lkw-Fahren lange Tradition hat.“ So ist auch sein Vater Lkw-Fahrer, um schwere Metallteile zu bewegen. Entsprechend wollte der Sohn auch in diesen Beruf. Aber bei dem Betrieb ging das damals nicht und schräg gegenüber war ein Gerüstbauer. Mit dem Hinweis: „Frag da doch mal“ machte er die Ausbildung zum Gerüstbauer.
30 Berufsjahre unfallfrei
Kollege Peter Stelter ist 54 Jahre alt und arbeitet seit 30 Jahren als Gerüstbauer – die Wehwehchen in seinem Körper würden sich einigermaßen in Grenzen halten. „In den Seilen“ hingen beide bisher noch nie – dass sie also abrutschten und der Sicherheitshaken an ihrem Gurtzeug sie aufgehalten hätte. Was beiden am Beruf gefällt: „Wir sind immer an der frischen Luft.“ Schnakenberg ergänzt: „So, wie in den kommenden Jahren weiter gebaut wird, ist meine Arbeit sicher.“ Ebenso mache ihnen allen die Arbeit im Team Spaß. Das ist es, was auch Kone gefällt. Ganz nebenbei macht ihre Arbeit auch den Besuch eines Fitnessstudios überflüssig.
Schnakenberg würde sich wünschen, wenn mehr junge Menschen seinen Beruf ergreifen und bedauert, dass das derzeit nicht der Fall sei. Seine Chefs würden auch gern mehr Azubis einstellen. Zusätzliche Mitarbeiter suchen sie sowieso. Geschäftsführer Marius Matthias hat zusammen mit Malik Tharia erst kürzlich das Unternehmen übernommen und sagt: "Gerade jetzt, ein halbes Jahr nach der Übernahme, freuen wir uns über den Zuspruch und den Rückhalt vom gesamten Team." Es mache Spaß, einen solchen Betrieb nun in der dritten Generation fortzuführen.
Gerüst am Aalto-Hochhaus
Matthias ergänzt: "Auch wenn es sich wirklich um harte Arbeit handelt, bringt es einfach Freude zu sehen, was mit Gerüsten alles entstehen kann und wir dafür sorgen, dass alle anderen Gewerke am Bau sicher arbeiten können." Beim Anblick des aktuell größtes Projekts, dem Gerüst am Aalto-Hochhaus in der Vahr bekomme er Gänsehaut. "Eingehüllt wie von Christo, das können wir auch", scherzt der Geschäftsführer.
Vom Gerüst stehen jetzt noch sechs Etagen. Doch damit geht es fix. Kurz vor 15 Uhr ist alles auf dem Wagen, dann geht es zurück nach Weyhe zum Abladen. Wo es am nächsten Tag hingehen wird, weiß das Team noch nicht. Es kann durchaus auch mal nach Hamburg oder Hannover gehen. So groß ist der Radius von Ste-Ba, und gute Gerüste werden angesichts des Baubooms überall benötigt – aufgebaut von Leuten mit Spaß an ihrer Arbeit wie Dennis Schnakenberg, Peter Stelter und Abdoudramane Kone.