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Serie: Wo Bremen Spitze ist Himmlisches Bremen: So wichtig ist der Standort für die Raumfahrt

Die Luft- und Raumfahrt hat in Bremen eine große Tradition. Bis heute ist die Hansestadt wichtiger Treiber der Luft- und Raumfahrt – und das sowohl in der Produktion als auch in der Forschung.
24.06.2023, 12:24 Uhr
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Von Björn Lohmann

Großstädte sind immer auch Standorte großer Industrien. Bremen ist da keine Ausnahme. Doch die Hansestadt hat eine Besonderheit, die sie mit nur wenigen Städten teilt: Man kann ihre Produkte sehen, wenn man in den Himmel schaut. Ob am Taghimmel vorbeiziehende Flugzeuge der Firma Airbus oder am Nachthimmel die Internationale Raumstation ISS mit dem Forschungsmodul Columbus – überall ist Luft- oder Raumfahrttechnik made in Bremen drin. Selbst die meisten Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo stammen aus den Produktionshallen des Bremer Unternehmens OHB.

Die Luft- und Raumfahrt hat in Bremen eine Tradition, die bis ins Jahr 1909 zurückreicht, als Flugbegeisterte den "Bremer Verein für Luftschiffahrt" gründeten. 1913 begann der Bau des Flughafens, 1924 nahm mit Focke-Wulf Flugzeugbau die industrielle Produktion ihren Anfang. Hier wurde der Hubschrauber erfunden und startete 1936 zu seinem Jungfernflug. 1961 nahm dann auch die Raumfahrt in Bremen ihren Anfang, um eine Europa-Rakete als Gegengewicht zu den US-amerikanischen und sowjetischen Aktivitäten zu entwickeln.

Bremer Luft- und Raumfahrtbranche besteht aus mehr als 140 Unternehmen

Heute besteht die Bremer Luft- und Raumfahrtbranche aus mehr als 140 Unternehmen und 20 Forschungsinstituten, bei denen rund 12.000 Menschen beschäftigt sind. Gemeinsam setzen sie jährlich mehr als vier Milliarden Euro um. Damit ist Bremen das Bundesland mit dem höchsten Anteil an Beschäftigen in der Luft- und Raumfahrt und Deutschlands Raumfahrtstadt Nummer eins.

Fast alle großen Namen der Branche finden sich in Bremen: Das Airbus-Werk entwickelt und produziert die Hochauftriebssysteme für alle Airbus-Flugzeuge sowie Rumpf und Frachtladesystem des Militärtransportflugzeugs A400M. Für die Raumfahrt hat Airbus in Bremen das Columbus-Modul der ISS gebaut, ebenso wie den Raumtransporter ATV. Das neue Nasa-Raumschiff Orion, mit dem einst wieder Menschen zum Mond und später vielleicht zum Mars fliegen sollen, erhält sein Servicemodul ebenfalls aus dem Bremer Airbus-Werk. Damit verantwortet erstmals in der Geschichte ein europäisches Unternehmen ein missionskritisches Bauteil für die Nasa.

Die Ariane Group, ein Gemeinschaftsunternehmen von Airbus und dem französischen Konzern Safran, baut seit mehr als 40 Jahren die Oberstufen ihrer namensgebenden europäischen Trägerraketen in Bremen. Sie haben inzwischen mehr als 240 erfolgreiche Starts hingelegt. An der sechsten Ariane-Generation, die bald die fünfte Generation ablösen soll, haben mehr als 600 Firmen in 13 Ländern mitgewirkt, koordiniert von der Ariane Group. Der Raumfahrtkonzern OHB produzierte in der Hansestadt zahlreiche Satelliten der ersten Generation des Navigationssystems Galileo. Es ist mit 30 geplanten Satelliten und einer Genauigkeit von wenigen Zentimetern der Konkurrenz aus GPS, Glonass und Beidou um etwa den Faktor zehn überlegen.

Gemeinsam mit Thales Alenia Space baut OHB zudem die europäischen Wettersatelliten MTG. Außerdem stammt die Hera-Sonde aus der Produktion von OHB. Sie soll im All den Erfolg der Dart-Mission überprüfen, mit der die Nasa im vergangenen Jahr einen Testlauf zur Asteroidenabwehr durchgeführt hat. Luft- und Raumfahrtanwendungen speziell für militärische Zwecke entwickelt in Bremen neben Airbus vor allem der Rüstungskonzern Rheinmetall.

Doch nicht nur die industrielle Entwicklung und Produktion ist in Bremen stark vertreten. Namhafte Forschungseinrichtungen aus der Luft- und Raumfahrt sind hier beheimatet, darunter das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (Zarm) der Uni Bremen sowie das Institut für Raumfahrtsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Wie vielfältig die nötigen Technologien für Luft- und Raumfahrt sind, zeigt sich an der engen Vernetzung mit weiteren lokalen Forschungsinstituten wie dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung.

Im Laufe der Jahre nahmen große Technologieprojekte hier ihren Anfang oder fanden in Bremen ihren Schwerpunkt, darunter das nationale Leitkonzept zum „adaptiven Flügel“, die EU-Technologieplattform Awiator und das aktuelle EU-Großprogramm Clean Aviation – saubere Luftfahrt. Auch Airbus forscht in Bremen an der emissionsfreien Luftfahrt.

In Bremen lernen auch die Raumfahrtexperten von morgen

Selbst der Fachkräftenachwuchs wird direkt in Bremen ausgebildet. Die Universität, insbesondere aber auch die Hochschule Bremen bieten zahlreiche Bachelor- und Masterstudiengänge im Bereich der Luft- und Raumfahrt an. Und das frühe Interesse am Thema weckt das stets lange im Voraus ausgebuchte DLR School Lab, das zusammen mit der Esa in diesem Jahr den bundesweiten CanSat-Wettbewerb ausgerichtet hat. Dabei bauen die Teilnehmenden einen Getränkedosen-großen Satelliten, der in einen Kilometer Höhe geschossen wird und bei seinem Sinkflug zur Erde Messungen anstellen soll.

Mit dieser Vielfalt an Stärken aus Wirtschaft, Forschung und Ausbildung ist Bremen als Standort der Luft- und Raumfahrt einmalig in Deutschland. Die Politik unterstützt das seit Jahrzehnten, zuletzt mit dem rund 7,5 Millionen Euro schweren Forschungsprogramm LuRaFo, das Raumfahrt, ökoeffizientes Fliegen, Leichtbau, Fertigungsprozesse und künstliche Intelligenz zusammenführt. Man darf also davon ausgehen, auch zukünftig beim Blick in den Himmel Spuren Bremens zu entdecken.

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Herausragende Infrastruktur

In Bremen forschen Fachleute in realer Schwerelosigkeit und an virtuellen Flugzeugen

Mit 146 Metern Höhe ist er ein weit sichtbares Symbol der Bremer Raumfahrtforschung: Der Fallturm des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation lockt jedes Jahr Fachleute aus Forschung und Entwicklung aus der ganzen Welt nach Bremen. In seinem Inneren ermöglicht eine evakuierte Fallröhre mit einem Katapult für insgesamt rund zehn Sekunden den freien Aufstieg und Fall und währenddessen den Zustand der Schwerelosigkeit, wie er im All herrscht. Sein Bau Ende der 1980er-Jahre kostete damals 24 Millionen Mark, die Nachrüstung des Katapults im Jahr 2004 erforderte weitere 4,2 Millionen Euro.

Das Experiment in der Schwerelosigkeit ist für zahlreiche Forschungsfelder spannend, ganz besonders jedoch für die Raumfahrt, die hier neue Technologien und Geräte testen kann. Ein Beispiel ist der Mascot Lander, der 2018 auf dem Asteroiden Ryugu gelandet ist. Im Fallturm haben die Entwickler erprobt, wie sich das Landemodul in der Schwerelosigkeit von der Sonde trennt. Andere Experimente betreffen das Tanken im Weltall oder das Pflanzenwachstum in der Schwerelosigkeit.

Zwei weitere Bremer Besonderheiten sind seit 2019 das Centre for Eco-efficient Materials & Technologies (EcoMaT) und das darin befindliche Virtual Product House (VPH). Die Wirtschaftsförderung Bremen betreibt das EcoMaT mit seinen mehr als ein Dutzend Mietern, darunter Airbus und DLR. Auf 21.800 Quadratmetern forschen 500 Fachleute am umweltfreundlichen Leichtbau, der Entwicklung neuer Materialien und Oberflächentechnologien sowie dem 3D-Druck.

Das VPH ist ein Zusammenschluss mehrere DLR-Institute, die gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Forschung virtuell Flugzeugkomponenten entwickeln und testen. Ein Beispiel dafür ist ein sogenannter digitaler Zwilling eines Flugzeugflügels. In Simulationen kann dessen Verhalten unter definierten Bedingungen analysiert werden, ohne dass für jede Designänderung des Flügels ein neuer Prototyp gebaut werden muss. Weitere Komponenten, die die Fachleute im VPH entwickeln, sind Landeklappen und Wasserstofftanks. Das übergeordnete Ziel sind klimaneutrale Flugzeuge.

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