Großstädte sind immer auch Standorte großer Industrien. Bremen ist da keine Ausnahme. Doch die Hansestadt hat eine Besonderheit, die sie mit nur wenigen Städten teilt: Man kann ihre Produkte sehen, wenn man in den Himmel schaut. Ob am Taghimmel vorbeiziehende Flugzeuge der Firma Airbus oder am Nachthimmel die Internationale Raumstation ISS mit dem Forschungsmodul Columbus – überall ist Luft- oder Raumfahrttechnik made in Bremen drin. Selbst die meisten Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo stammen aus den Produktionshallen des Bremer Unternehmens OHB.
Die Luft- und Raumfahrt hat in Bremen eine Tradition, die bis ins Jahr 1909 zurückreicht, als Flugbegeisterte den "Bremer Verein für Luftschiffahrt" gründeten. 1913 begann der Bau des Flughafens, 1924 nahm mit Focke-Wulf Flugzeugbau die industrielle Produktion ihren Anfang. Hier wurde der Hubschrauber erfunden und startete 1936 zu seinem Jungfernflug. 1961 nahm dann auch die Raumfahrt in Bremen ihren Anfang, um eine Europa-Rakete als Gegengewicht zu den US-amerikanischen und sowjetischen Aktivitäten zu entwickeln.
Bremer Luft- und Raumfahrtbranche besteht aus mehr als 140 Unternehmen
Heute besteht die Bremer Luft- und Raumfahrtbranche aus mehr als 140 Unternehmen und 20 Forschungsinstituten, bei denen rund 12.000 Menschen beschäftigt sind. Gemeinsam setzen sie jährlich mehr als vier Milliarden Euro um. Damit ist Bremen das Bundesland mit dem höchsten Anteil an Beschäftigen in der Luft- und Raumfahrt und Deutschlands Raumfahrtstadt Nummer eins.
Fast alle großen Namen der Branche finden sich in Bremen: Das Airbus-Werk entwickelt und produziert die Hochauftriebssysteme für alle Airbus-Flugzeuge sowie Rumpf und Frachtladesystem des Militärtransportflugzeugs A400M. Für die Raumfahrt hat Airbus in Bremen das Columbus-Modul der ISS gebaut, ebenso wie den Raumtransporter ATV. Das neue Nasa-Raumschiff Orion, mit dem einst wieder Menschen zum Mond und später vielleicht zum Mars fliegen sollen, erhält sein Servicemodul ebenfalls aus dem Bremer Airbus-Werk. Damit verantwortet erstmals in der Geschichte ein europäisches Unternehmen ein missionskritisches Bauteil für die Nasa.
Die Ariane Group, ein Gemeinschaftsunternehmen von Airbus und dem französischen Konzern Safran, baut seit mehr als 40 Jahren die Oberstufen ihrer namensgebenden europäischen Trägerraketen in Bremen. Sie haben inzwischen mehr als 240 erfolgreiche Starts hingelegt. An der sechsten Ariane-Generation, die bald die fünfte Generation ablösen soll, haben mehr als 600 Firmen in 13 Ländern mitgewirkt, koordiniert von der Ariane Group. Der Raumfahrtkonzern OHB produzierte in der Hansestadt zahlreiche Satelliten der ersten Generation des Navigationssystems Galileo. Es ist mit 30 geplanten Satelliten und einer Genauigkeit von wenigen Zentimetern der Konkurrenz aus GPS, Glonass und Beidou um etwa den Faktor zehn überlegen.
Gemeinsam mit Thales Alenia Space baut OHB zudem die europäischen Wettersatelliten MTG. Außerdem stammt die Hera-Sonde aus der Produktion von OHB. Sie soll im All den Erfolg der Dart-Mission überprüfen, mit der die Nasa im vergangenen Jahr einen Testlauf zur Asteroidenabwehr durchgeführt hat. Luft- und Raumfahrtanwendungen speziell für militärische Zwecke entwickelt in Bremen neben Airbus vor allem der Rüstungskonzern Rheinmetall.
Doch nicht nur die industrielle Entwicklung und Produktion ist in Bremen stark vertreten. Namhafte Forschungseinrichtungen aus der Luft- und Raumfahrt sind hier beheimatet, darunter das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (Zarm) der Uni Bremen sowie das Institut für Raumfahrtsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Wie vielfältig die nötigen Technologien für Luft- und Raumfahrt sind, zeigt sich an der engen Vernetzung mit weiteren lokalen Forschungsinstituten wie dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung.
Im Laufe der Jahre nahmen große Technologieprojekte hier ihren Anfang oder fanden in Bremen ihren Schwerpunkt, darunter das nationale Leitkonzept zum „adaptiven Flügel“, die EU-Technologieplattform Awiator und das aktuelle EU-Großprogramm Clean Aviation – saubere Luftfahrt. Auch Airbus forscht in Bremen an der emissionsfreien Luftfahrt.
In Bremen lernen auch die Raumfahrtexperten von morgen
Selbst der Fachkräftenachwuchs wird direkt in Bremen ausgebildet. Die Universität, insbesondere aber auch die Hochschule Bremen bieten zahlreiche Bachelor- und Masterstudiengänge im Bereich der Luft- und Raumfahrt an. Und das frühe Interesse am Thema weckt das stets lange im Voraus ausgebuchte DLR School Lab, das zusammen mit der Esa in diesem Jahr den bundesweiten CanSat-Wettbewerb ausgerichtet hat. Dabei bauen die Teilnehmenden einen Getränkedosen-großen Satelliten, der in einen Kilometer Höhe geschossen wird und bei seinem Sinkflug zur Erde Messungen anstellen soll.
Mit dieser Vielfalt an Stärken aus Wirtschaft, Forschung und Ausbildung ist Bremen als Standort der Luft- und Raumfahrt einmalig in Deutschland. Die Politik unterstützt das seit Jahrzehnten, zuletzt mit dem rund 7,5 Millionen Euro schweren Forschungsprogramm LuRaFo, das Raumfahrt, ökoeffizientes Fliegen, Leichtbau, Fertigungsprozesse und künstliche Intelligenz zusammenführt. Man darf also davon ausgehen, auch zukünftig beim Blick in den Himmel Spuren Bremens zu entdecken.