Noch rattern täglich Kohlezüge durch Bremen. Sie versorgen die Hochöfen der Arcelor-Mittal-Hütte mit Koks, der für die Erzeugung von Roheisen unerlässlich ist. Doch damit soll in einigen Jahren Schluss sein. Dann soll sauberer Wasserstoff die Kohle ersetzen. Dafür jedoch müssen Pipelines gebaut oder umgerüstet werden, die das Stahlwerk an das künftige europäische Fernleitungsnetz anschließen. Die Arbeiten am Projekt "Hyperlink" sollen noch in diesem Jahr beginnen. Am Dienstag stellte der Netzbetreiber Gasunie im Technologiezentrum Ecomat seine Pläne vor.
Gut 600 Kilometer Pipelines wollen die Niederländer quer durch Norddeutschland ziehen – von der dänischen bis zur holländischen Grenze, vorbei an Hamburg, Bremen und der Industrieregion Hannover/Wolfsburg/Salzgitter. Nach den neuesten Plänen soll ein Abzweig bis ins Ruhrgebiet führen. Zum großen Teil sollen dabei vorhandene Erdgasleitungen so umgerüstet werden, dass sie Wasserstoff aufnehmen können. Dieser, so der Plan, wird zum Teil aus den Nachbarländern sowie aus Norwegen und Übersee importiert, zum Teil in der Region erzeugt. Die Hoffnungen ruhen dabei auf den großen Offshore-Windparks, die den nötigen Öko-Strom für die Produktion von "grünem Wasserstoff" liefern sollen.
Das Bremer Stahlwerk soll einer der Großabnehmer des Wasserstoffs werden. Die neue Direktreduktionsanlage, die die beiden Hochöfen ersetzen soll, verbrennt beim Schmelzen des Eisenerzes Wasserstoff statt Koks. Dadurch soll der CO2-Ausstoß der Hütte, die heute allein für die Hälfte der Treibhausgasemissionen in Bremen verantwortlich ist, auf nahezu null gesenkt werden. Für die Europäische Union hat das Projekt deshalb höchste Priorität: Die Pipeline läuft bei der EU als "Wichtiges Projekt von gesamteuropäischem Interesse" (IPCEI); die staatliche Förderung soll deshalb beschleunigt genehmigt werden.
Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) denkt bereits einen Schritt weiter: „Ein Großverbraucher von grünem Wasserstoff wie das Bremer Stahlwerk, das frühzeitig an das internationale Fernleitungsnetz angeschlossen wird, ist eine große Chance für die gesamte Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven", sagt sie. Dadurch erhielten weitere Unternehmen die Möglichkeit, diesen Zugang zu nutzen. „Mir ist es ein besonderes Anliegen, nicht nur die Stahlwerke, sondern auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen auf dem Weg in die Wasserstoffwirtschaft zu unterstützen", sagt Vogt.
Das Henne-Ei-Problem
Auch bei Gasunie hofft man auf möglichst viele neue Kunden. Denn der Bau einer Pipeline folgt dem Henne-Ei-Prinzip: Ohne Pipeline keine Kunden, ohne Kunden keine Pipeline. „Der Wasserstoff-Hochlauf in Deutschland gelingt nur, wenn wir auf der Abnehmer-Seite wichtige Partner haben, die zukünftig auf den Energieträger ‚grüner Wasserstoff‘ setzen", sagt Anke Alvermann-Schuler, verantwortlich für die Entwicklung von Hyperlink bei Gasunie. "Für diese stellen wir die geeignete Infrastruktur zur Verfügung."
Die Auftaktveranstaltung im Ecomat sollte dazu dienen, die Pläne bekanntzumachen und mögliche Kunden von den Vorzügen eines Wasserstoff-Anschlusses zu überzeugen. Bäckereien, Brauereien, Kaffeeröster – alle, die ihre Anlagen jetzt noch mit Erdgas heizen, sind potenzielle Wasserstoff-Kunden. Noch sind allerdings keine Lieferverträge abgeschlossen; auch Arcelor-Mittal hat noch nichts unterschrieben. "Wir gehen mit dem Beginn der Arbeiten also in Vorleistung", sagt Alvermann-Schuler. "Einer muss ja den Anfang machen."
In diesem Jahr wolle das Unternehmen damit beginnen, die bestehende Erdgasleitung zwischen Bremen und Hamburg für den Transport von Wasserstoff aufzurüsten. "Der Stahl ist noch sehr gut, aber wir erneuern die Dichtungen und Ventile", sagt Alvermann-Schuler. Wasserstoffmoleküle sind winzig klein und entkommen durch die kleinste Ritze – die Pipeline muss also absolut dicht sein. Um an die Bauteile heranzukommen, müssen Bagger die in der Erde verlegte Leitung teilweise ausgraben. Bis 2026 sollen die Arbeiten am ersten "Hyperlink"-Bauabschnitt abgeschlossen sein. Bremen wird dann an eine Wasserstoff-Ferngasleitung angeschlossen sein. Eine Verlängerung bis Bremerhaven sei "prinzipiell möglich", sagt Alvermann-Schuler. Auch dafür könnte eine alte Erdgasleitung genutzt werden; 30 Kilometer Pipeline müssten neu gebaut werden. Bis jetzt gebe es aus Bremerhaven aber noch nicht genug Nachfrage, die die Investition rechtfertigen würde.