Es knallt, blitzt und raucht gewaltig, wenn ein Elektro-Lichtbogenofen unter Strom gesetzt wird. Bis zu 3500 Grad heiß sind die Blitze, die zwischen seinen Grafit-Elektroden durch den Schrotthaufen im Inneren des Ofens zucken und diesen binnen Minuten zum Schmelzen bringen. So soll in Zukunft bei Arcelor-Mittal in Bremen Stahl erzeugt werden. Dafür braucht die Hütte enorme Mengen an Strom – so viel, dass sie direkt an eine neue Hochspannungsleitung angeschlossen werden soll.
Dass rund um Bremen in den kommenden Jahren neue Stromleitungen gezogen werden müssen, hat nicht nur mit dem Energiehunger der Stahlwerke zu tun. Der Netzbetreiber Tennet hält den Ausbau für unverzichtbar, weil künftig mehr Strom von Offshore-Windparks in der Nordsee in das deutsche Leitungsnetz eingespeist und verteilt werden soll. Deshalb will das Unternehmen die drei wichtigsten Stromtrassen rund um Bremen in den kommenden Jahren verstärken: Conneforde-Sottrum, Elbe–Weser und Elsfleth–Ganderkesee. In den meisten Fällen bedeutet das: Höhere Masten und dickere Strippen, die aber weitgehend den vorhandenen Trassen folgen sollen.
Für die Stahlwerke und ihre neuen Schmelzöfen muss in jedem Fall eine Extra-Leitung gelegt werden. Bislang sah der Plan vor, die große Fernleitung Conneforde-Sottrum, die nördlich um Bremen herumführt, von 220 auf 380 Kilovolt aufzurüsten und bei Ritterhude anzuzapfen, um sie mit einem neuen Umspannwerk im Blockland zu verbinden. Die Trafos sollen an der Autobahn 27 in Höhe der Anschlussstelle Industriehäfen stehen. Von dort allerdings sind es fast fünf Kilometer bis zum Stahlwerk – der Strom wäre also noch nicht am Ziel.
Deshalb hat Tennet jetzt einen Alternativplan vorgelegt, inoffiziell als "Südvariante" bezeichnet: Er sieht vor, die neue 380-Kilovolt-Hochspannungsleitung Conneforde-Sottrum nicht entlang der bestehenden Trasse um Bremen herumzuführen, sondern direkt am Stahlwerk vorbei durchs Stadtgebiet zu ziehen. Das bedeutet: Von der Schaltanlage in Elsfleth würde die Leitung nicht schon bei Farge die Weser kreuzen, sondern zunächst südlich des Flusses durch das Gebiet der Gemeinden Berne und Lemwerder verlaufen, parallel zur Trasse Elsfleth–Ganderkesee. Erst am Ochtum-Sperrwerk ginge es dann über die Weser, geradewegs auf die Hütte zu. Das Umspannwerk könnte also direkt am Werkszaun stehen, im neuen Gewerbegebiet "Industriepark".
Eine Leitung entlang der A281
"Der Standort bietet den Vorteil, dass die regionale Stromversorgung nur kurze Trassen benötigt", erklärt Insa Balssen, Referentin für Bürgerbeteiligung bei Tennet. "Das Stahlwerk könnte direkt an das Umspannwerk angeschlossen werden, um die geplante Dekarbonisierung der Stahlproduktion voranzutreiben", also die Umrüstung der Hüttenwerke auf CO2-freie Herstellungsmethoden.
Allerdings müsste die Hochspannungsleitung dann vom Stahlwerk aus das Stadtgebiet durchqueren, um weiter in Richtung Sottrum zu gelangen. Tennet will dafür einen Korridor zwischen Burg-Grambke und Oslebshausen entlang der A 281 untersuchen. Durchs Blockland ginge es dann an Ritterhude vorbei auf die Trasse der bestehenden Hochspannungsleitung zu.
Das Amt für regionale Landesentwicklung in Lüneburg, das für das notwendige Raumordnungsverfahren zuständig ist, hat die neuen Tennet-Pläne inzwischen veröffentlicht und tauscht sich darüber mit Behörden und Verbänden aus. "Das Verfahren ist aber noch in einem sehr frühen Stadium", sagt Linda Neddermann, Sprecherin der Bremer Umweltsenatorin. "Wir prüfen beide Varianten und haben da noch keine Präferenzen."
Auch der Umweltschutzverband BUND hat die Pläne noch nicht im Detail studiert, sieht jedoch bereits Probleme. "Meine vorläufige Einschätzung ist, dass die Südvariante deutlich bedenklicher wäre als die bisherigen Pläne", sagt Martin Rode, Geschäftsführer des Bremer BUND-Landesverbandes. Die Weserquerung an der Ochtum-Mündung würde über wertvolle Naturschutzflächen führen, insbesondere Rastgebiete für Zugvögel. Im weiteren Verlauf müsste die Hochspannungsleitung dann zwischen Burg-Grambke und Oslebshausen bebautes Gebiet durchqueren.
Das jedoch wäre auch bei der Nordvariante mit einem Umspannwerk im Blockland nötig, versichert Tennet-Sprecherin Balssen: "Eine Anbindung dieses Umspannwerkstandortes an das Stahlwerk müsste ebenfalls über eine 380-Kilovolt-Freileitung erfolgen, um ausreichend Energie für die geplante Dekarbonisierung zu erhalten." Stromleitungen dieser Stärke würden üblicherweise nicht in der Erde vergraben, sondern als Freileitung an Masten aufgehängt. "Erdverkabelung im Höchstspannungs-Wechselstrombereich ist eine neue Technologie und wird daher nur in einzelnen Pilotprojekten auf kurzen Abschnitten zu Testzwecken durchgeführt, die vom Gesetzgeber festgelegt werden", erläutert Balssen. "Für das Projekt Conneforde-Sottrum gibt es keine gesetzliche Grundlage hierfür."
Üblich sei die Erdverkabelung im Nieder- und Hochspannungsbereich (bis 110 Kilovolt). Aber die Strommengen, die die Stahlwerke für ihre neuen Elektroöfen brauchen, könnten eine solche Leitung überfordern. Balssen: "Technisch ist das nicht ratsam."