Der Bauplatz ist schon ausgesucht, die Planung steht: Auch die Bremer Hütte bekommt ein neues Großaggregat, das die kohlebefeuerten Hochöfen ersetzen soll: eine Direktreduktions- oder kurz DR-Anlage. Wie die anderen deutschen Stahlwerke will Arcelor Mittal weg vom Koks und seine Produktion auf "grünen Stahl" umstellen. Doch der Weg dahin ist lang und teuer.
Vom Weserdeich in Seehausen aus betrachtet, ragen die beiden Hochöfen des Stahlwerks wie die letzten Zeugen der Schwerindustrie in den Himmel. An ihrer Arbeitsweise hat sich im Prinzip seit 200 Jahren wenig verändert: Oben schütten Förderbänder unablässig Eisenerz und Koks hinein, unten fließt Roheisen heraus, das anschließend im Stahlwerk zu Stahl veredelt wird. Beinahe 10.000 Tonnen Eisen erschmelzen die beiden Hochöfen der Bremer Hütte jeden Tag, 3,5 Millionen Tonnen im Jahr. Zurzeit laufen sie allerdings auf Sparflamme: Die Nachfrage lahmt, die Stahlindustrie steckt in der Krise.
Doch die Dinosaurier des Industriezeitalters sind auch in Bremen vom Aussterben bedroht. Denn ihre bewährte Arbeitsweise hat einen entscheidenden Nachteil: Durch die Verbrennung der Kohle entweicht jede Menge CO2 aus dem Ofen – je nach Berechnung 1,5 bis knapp zwei Tonnen pro erzeugter Tonne Stahl. Das ist nicht gut fürs Klima, wie man inzwischen weiß. Die Bremer Hütte zeichnet allein für die Hälfte der gesamten CO2-Emissionen Bremens verantwortlich.
Deshalb wollen die Hütteningenieure die Hochöfen durch etwas Neues ersetzen. Was sie planen, braucht sich hinter den Altanlagen nicht zu verstecken, im Gegenteil: Mit einer Höhe von 160 Metern wird die geplante Direkreduktionsanlage sogar den großen Hochofen 2 noch überragen. Die Schwerindustrie wird in der Ära des "grünen Stahls" nicht zum Kleingewerbe.
In der Anlage soll das Eisenerz mithilfe von Wasserstoff zu Eisen reduziert werden – die Kohle entfällt. Das ist der Weg, den alle großen Stahlproduzenten in Deutschland in den nächsten Jahren gehen wollen. Das Zwischenprodukt aus der DR-Anlage ist ein poröser Eisenschwamm, kein flüssiges Eisen wie aus dem Hochofen. Wie dieser Feststoff weiterverarbeitet wird, darin unterscheiden sich die Konzepte der Stahlkocher in Duisburg, Salzgitter oder Bremen. Bei Arcelor-Mittal will man mit den Hochöfen auch gleich die Konverter im Stahlwerk abschaffen, in denen Sauerstoff in das flüssige Roheisen geblasen wird, um dieses zu Stahl zu veredeln. Künftig soll im Stahlwerk stattdessen ein großer, elektrisch betriebener Schmelzofen stehen, in dem der Eisenschwamm zusammen mit Schrott verflüssigt und zu neuem Stahl verarbeitet wird.
Eisenschwamm statt flüssiges Roheisen
2,4 Millionen Tonnen Eisenschwamm soll die Bremer DR-Anlage im Jahr erzeugen. Sie ersetzt damit ab Mitte der 20er-Jahre zunächst den kleineren Hochofen 3 und den Hochofen im Arcelor-Mittal-Werk in Eisenhüttenstadt (Brandenburg). Sobald dort eine eigene DR-Anlage in Betrieb geht, kann auch der größere Hochofen 2 in Bremen stillgelegt werden. Die Gesamtkapazität des Bremer Werks soll bei 3,5 Millionen Tonnen Stahl im Jahr bleiben – denn zusätzlich zum Eisenschwamm aus der DR-Anlage werden künftige größere Menge Schrott eingeschmolzen.
Die Investitionskosten für die neuen Anlagen liegen bei gut einer Milliarde Euro. Der Bund und das Land Bremen haben eine weitreichende Förderung des Projekts zugesagt. Zu den genauen Zahlen will sich das Bremer Wirtschaftsressort zurzeit nicht äußern, weil zwischen Brüssel, Bremen und Berlin noch über die Einzelheiten verhandelt wird. Die Genehmigung durch die EU steht also noch aus. "Wir rechnen allerdings bald damit", sagt Michael Hehemann, Vorstandsmitglied bei Arcelor-Mittal Bremen. "Es bleibt bei dem Plan, im nächsten Jahr zu beginnen."
Unklar ist auch noch, wo die enormen Mengen an Wasserstoff für den "grünen Stahl" herkommen sollen. Den Bau einer ersten Produktionsanlage auf dem Hüttengelände haben die Energieversorger SWB und EWE in Auftrag gegeben. Leistung: 10 Megawatt. Benötigt werden für die Versorgung der Hütte rund 1000 Megawatt.