Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Metall-Tarifrunde in der Vahr "Das Geld von Einmalzahlungen ist irgendwann ausgegeben"

Bisher haben die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie kein neues Tarifangebot gemacht. Das nächste Treffen ist am Donnerstag in der Vahr - warum das laut IG Metall ein gutes Zeichen sein kann.
26.10.2022, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Florian Schwiegershausen

Herr Friedrich, in Bremen haben Sie sich zur ersten Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern im Intercity-Hotel getroffen, am Donnerstag zur dritten Runde wird es das Penta-Hotel in der Vahr sein – darf der Verhandlungsort nicht zu viele Sterne haben, damit Ihnen keiner Verschwendungssucht vorwirft?

High Class passt nicht zu uns und auch nicht zur Situation. Wir haben aber gute Erinnerungen an so manche Verhandlung in diesem Hotel. Dort hatten wir zum Beispiel wichtige Schritte nach vorn gemacht, als es um die Frage nach der gleichen Bezahlung von Arbeitern und Angestellten ging. Wir sind dort in der Vergangenheit immer einen Schritt weiter in Richtung Lösung gekommen. Vielleich ist das ja ein Signal für Donnerstag.

Wenn in Berlin der Gaspreisdeckel endlich verabschiedet wäre, inwiefern würde das Ihre Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie einfacher machen?

Es ist ja bereits so, dass wir bei Inflationsausgleich und Sicherung der Kaufkraft auf zwei Komponenten setzen: zum einen auf das, was wir als Tarifpartner selbst schaffen und dann auf das, was vom Staat kommt. Gerade für die unteren Einkommen muss noch ein viertes Entlastungspaket vom Staat kommen. Denn allein mit den Mitteln der Tarifpolitik werden wir die Sicherung der Kaufkraft nicht schaffen.

Es sieht zumindest danach aus aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitgeber bisher kein Angebot gemacht haben.

Im Augenblick ist noch offen, ob sich bei den Arbeitgebern der Bereich durchsetzen wird, der konstruktiv an Lösungen arbeiten will, oder der Bereich, bei dem die Vorgehensweise eher von Abwarten und Verzögerungstaktiken geprägt ist. Uns ist wichtig, Planungssicherheit auf allen Ebenen zu bekommen. Um die Kolleginnen und Kollegen finanziell zu entlasten, werden alle Deckel dieser Welt nicht ausreichen. Da brauchen wir auch eine strukturelle Tariferhöhung. Man darf ja nicht vergessen: Irgendwann laufen die Deckel aus, aber die Kosten bleiben auf hohem Niveau.

Wäre es aufgrund des Verhandlungsstadiums nun zu spät, um pragmatisch zu sagen: Lasst bitte erst abwarten, bis in Berlin Gas- und Strompreisdeckel verabschiedet sind. Dann wissen wir alle, woran wir sind?

Derzeit sehe ich keinen Grund für eine kurze Überbrückungseinigung. Denn ich glaube, dass wir in fünf oder sechs Monaten nicht viel schlauer sein werden, als wir es heute sind. Da bringen uns auch Umfragen von allen Seiten nicht viel weiter. Jetzt ist der Zeitpunkt, um Lösungen am Verhandlungstisch zu finden. Dafür müssen die Arbeitgeber jetzt ein Angebot vorlegen. Und wenn wir schnell zu einer Lösung kommen wollen, brauchen wir ein Doppelwumms-Angebot. Wenn es aber so läuft, dass die Arbeitgeber mit einem niedrigen Angebot einsteigen, um sich mühsam hochhandeln zu lassen, dann müssen sie auch mit allen Konsequenzen leben. Wir sind auf alles vorbereitet.

Lesen Sie auch

Es sieht derzeit eher danach aus, dass es ab Sonnabend um 0.01 Uhr mit den ersten Warnstreiks losgeht – die Metaller bereiten zumindest schon alles vor.

Vieles hängt jetzt vom Angebot der Arbeitgeber ab. Ich habe am Freitag eine Verabredung zum Essen. Die Frage ist, ob ich danach nach Hause fahre oder zum Warnstreik in der Nacht. Mir fehlt momentan die Fantasie, dass wir bis Freitagabend zu einem Abschluss kommen können. Die Frage ist, ob wir über eine Warnstreikwelle reden, über zwei oder über Arbeitskämpfe über 24 Stunden. Die Arbeitgeber haben sich aber dafür entschieden, bis 36 Stunden vor Ende der Friedenspflicht mit dem Angebot zu warten. Dieses muss jetzt so hoch sein, dass wir schnell zu einer Einigung kommen können.

Genau jetzt prescht Airbus mit einer Einmalzahlung an die Beschäftigten in Europa hervor. Sehen Sie den gewählten Zeitpunkt als Zufall oder Absicht?

Es freut mich für die Kollegen von Airbus und ist auf alle Fälle ein Signal, dass man erkannt hat, dass man die Belegschaften unterstützen muss. Denn außerhalb Deutschlands haben wir laufende Tarifverträge mit Erhöhungen um 2,5 Prozent herum. Aber die Inflation ist in England, Spanien und Frankreich rasant gestiegen. Das Geld von Einmalzahlungen ist irgendwann ausgegeben, deshalb brauchen wir auch eine strukturelle Erhöhung. Deshalb hilft das Geschwätz von Nullrunden nicht weiter. Ich hoffe, dass Airbus der Arbeitgeberseite sagt, jetzt müssen wir auch ein gutes Angebot in der Tarifrunde machen.

Solange diese Einmalzahlung nicht mit der Tariferhöhung verrechnet wird…

In den Gesprächen, die ich dazu hatte, habe ich zur Kenntnis genommen, dass das bei Airbus in allen vier Kernländern zusätzlich zu den Tarifverträgen ausgezahlt werden soll. Deshalb ist es ein gutes Signal gerade in der derzeitigen Situation – denn auch alle Teilzeitbeschäftigten und Auszubildenden bei Airbus sollen diese Einmalzahlung in gleicher Höhe erhalten.

Lesen Sie auch

 

Zur Sache

Daniel Friedrich (46)

ist seit 2020 Bezirksleiter der IG Metall Küste. Der gelernte Industriemechaniker führt die Tarifverhandlungen in der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie für die 130.000 Beschäftigten – über 20.000 davon in Bremen.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)