Jetzt Wohneigentum kaufen oder besser abwarten und darauf hoffen, dass die Preise wieder fallen? Diese Frage stellen sich viele, die künftig gerne in eigenen vier Wänden wohnen möchten. Der jetzt vorgelegte Bremer Grundstücksmarktbericht 2017 enthält keine Anzeichen, dass die enorm gestiegenen Immobilienpreise wieder fallen. Im Gegenteil: Die Verkaufspreise kletterten im vergangenen Jahr auf breiter Front weiter. Sie sind so hoch wie noch nie zuvor in der Stadt.
Das Preisniveau für gebrauchte Einfamilienhäuser ist – je nach Lage – binnen Jahresfrist um bis zu acht Prozent gestiegen, das der Eigentumswohnungen sogar um zwölf bis 14 Prozent. Die Kurve zeigt schon seit Jahren aufwärts. Seit 2012 haben sich Bremer Einfamilienhäuser in bevorzugten Wohnlagen um 50 Prozent und in normalen Stadtlagen um 21 Prozent verteuert. Der Preis von Eigentumswohnungen stieg im selben Zeitraum in den begehrtesten Stadtteilen Schwachhausen, Östliche Vorstadt oder Alte Neustadt um 38 Prozent und in mittleren Stadtlagen um 21 Prozent.
Über 7000 Kaufverträge
Diese Zahlen basieren auf harten Fakten, denn die Grundlage sind die notariell beglaubigten Kaufverträge, die der Gutachterausschuss für Grundstückswerte auswertet. „Insgesamt 7307 Kaufverträge aus der Stadt Bremen haben uns vorgelegen, das ist ein Prozent mehr als im Jahr 2015“, sagt Ernst Dautert, Vorsitzender des Gutachterausschusses und stellvertretender Chef der Bremer Katasterbehörde Geoinformation. 3945 Eigentumswohnungen sowie 2307 Ein- oder Zweifamilienhäuser, davon 1343 Reihenhäuser, und 404 unbebaute Grundstücke wurden im vergangenen Jahr im Stadtgebiet verkauft.

Damit wurde ein Umsatz von etwa 1,6 Milliarden Euro getätigt. Ganz genau kann der Ausschussvorsitzende diesen Wert nicht beziffern, denn bei den unbebauten Grundstücken konnte wegen Personalknappheit bei Geoinformation keine detaillierte Auswertung erfolgen. „Auf jeden Fall ist es ein Rekordumsatz für Bremen“, erklärt Dautert. Der Durchschnitt in den vergangenen zehn Jahren habe bei etwa einer Milliarde Euro gelegen.
Apropos unbebaute Grundstücke: Erstmals in dieser Deutlichkeit übt der Gutachterausschuss Kritik an mangelhaften Möglichkeiten für individuellen Hausbau in der Hansestadt. „Das Angebot von Bauplätzen in guten Lagen für den individuellen Einfamilienhausbau (Architektenhaus) in Bremen-Stadt deckte zunehmend nicht die Nachfrage. Im Resultat ist seit einigen Jahren ein Ausweichen von Kaufinteressenten auf das passende Angebot im Bremer ,Speckgürtel‘ zu beobachten“, heißt es im Bericht.
Deutliche Kritik
Waren im Jahr 2003 immerhin noch 222 solcher Bauplätze im Stadtgebiet verkauft worden, sank diese Zahl 2014 auf nur noch 78. Zudem habe sich der Schwerpunkt dieser Verkäufe zunehmend nach Bremen-Nord verlagert, weil in vielen Stadtteilen das Angebot nahe null sei. Vor diesem Hintergrund kann Ernst Dautert der Forderung der SPD, wenig genutzte Kleingartengebiete zu Bauland umzuwandeln, durchaus etwas abgewinnen. „Die Preise für Eigenland-Parzellen stagnieren schon seit einiger Zeit“, argumentiert er weiter. „Das zeigt, dass die Nachfrage nach Parzellen generell nicht zunimmt.“
Begonnen hatte der starke Preisauftrieb im Immobilienmarkt vor einigen Jahren bei den neu gebauten Luxus-Eigentumswohnungen in Bestlagen. Erstverkäufe von Eigentumswohnungen wurden auch 2016 überwiegend in guten und sehr guten Wohnlagen getätigt. Mittlerweile betragen die durchschnittlichen Quadratmeterpreise für neue Wohnungen in der Altstadt 4870 Euro, in Schwachhausen 4550 Euro, in der Überseestadt 4010 Euro und in der Östlichen Vorstadt 3510 Euro. In anderen Stadtlagen liegt die Spanne zwischen 2630 und 3100 Euro. Der stadtweite Durchschnittspreis im Neubausektor ist mit 3910 Euro 13 Prozent höher als 2015.
Die Aufholjagd bei den gebrauchten Wohnungen ist längst in Gang gekommen. Findorff verzeichnet einen mittleren Quadratmeterpreis von 2445 Euro, gefolgt von Horn-Lehe (2215), Schwachhausen (2070), der Alten Neustadt (2090), Oberneuland (2060) und der Östlichen Vorstadt (1925).
Im Westen am günstigsten
In der Stadtlage West (ohne Findorff) ist es mit 1030 Euro pro Quadratmeter am günstigsten. Dass Schwachhausen nicht den Spitzenpreis stellt, liegt daran, dass der Markt schon stark abgegrast ist und 2016 schwerpunktmäßig ältere Standardwohnungen – häufig ohne Lift – auf den Markt kamen.
Gebrauchte Reihenhäuser aus dem Bestand sind ebenfalls noch einmal deutlich teurer geworden. Das betrifft besonders die Östliche Vorstadt, Horn-Lehe, die Alte Neustadt und Findorff. In Schwachhausen haben sich die Preise für Altbauten auf hohem Niveau stabilisiert. Als typisch gilt ein Preis von knapp unter einer halben Million Euro für ein über 80 Jahre altes Reihenhaus mit 170 Quadratmetern Wohnfläche.
Auch in durchschnittlichen Stadtlagen ist eine Verteuerung zu beobachten, wie Ernst Dautert berichtet. Auf die gesamte Stadt bezogen wurden 2016 für ein gebrauchtes Reihenhaus im Durchschnitt 204.000 Euro überwiesen, das sind neun Prozent mehr als im Jahr davor. Eine Doppelhaushälfte aus dem Bestand kostete 213.000 Euro, eine Verteuerung um 17 Prozent.
Villen erzielten Spitzenpreise
Spitzenpreise erzielten 2016 frei stehende Villen in Schwachhausen: Der mittlere Preis für ein solches Gebäude mit 220 Quadratmetern Wohnfläche wird mit 816.000 Euro angegeben, macht 3575 Euro pro Quadratmeter. 22 solcher Prachtvillen wechselten 2016 allein in Schwachhausen den Besitzer.
Und wie geht es mit dem Markt und den Preisen weiter? Während manche Auguren im Immobilienhandel in den deutschen Großstädten von einer Preisblase reden, die bald platzen könnte, hält Ernst Dautert solche Prognosen auf die Stadt Bremen bezogen für unbegründet. In der Hansestadt zeichne sich allenfalls in einigen Preissegmenten eine Stagnation auf hohem Niveau ab, aber kein Absturz. Es sei auch zu beobachten, dass sich in Toplagen Kaufinteressenten sogar überbieten, wenn es etwa um Altbremer Villen oder attraktive Eigentumswohnungen gehe.