Projektentwicklung gilt in der Immobilienwirtschaft als Königsdisziplin: Vom Grundstückskauf über den Bau von Projekten bis hin zur Vermarktung und dem Verkauf liegt alles in der Hand eines Unternehmens. In dieser Branche wurde in den vergangenen zehn Jahren viel Geld verdient. Jetzt ist sie in Schieflage geraten: In jüngster Zeit haben drei namhafte Projektentwickler die Reißleine gezogen: Development Partner, die Project-Gruppe und Euroboden. In dieser Woche musste die Düsseldorfer Gerch-Gruppe für vier Gesellschaften Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden. Experten befürchten, dass noch weitere Unternehmen hinzukommen werden. Sie rechnen damit, dass in den kommenden Wochen und Monaten etwa 25 bis 30 Prozent der Firmen aufgeben müssen. Dadurch dürfte vor allem der Wohnungsbau einen Dämpfer bekommen.
Aber auch Anleger sind betroffen. Die insolvente Project Gruppe hatte laut „Handelsblatt“ mehr als eine Milliarde Euro Eigenkapital über Fonds gesammelt. Mit entsprechenden Mitteln sollen die Entwickler bei der Grundstücksakquise teilweise sehr aggressiv vorgegangen sein. Sie haben in den Boomjahren höhere Preise in Kauf genommen, in der Annahme, diese Preise beim Verkauf gewinnbringend weitergeben zu können. Jetzt leidet die Bau- und Immobilienwirtschaft aber unter stark gestiegenen Baupreisen in Kombination mit hohen Zinsen.
„Wir gehen davon aus, dass insbesondere bei Projekten, die sich seit 24 bis 36 Monaten im Umsetzungsprozess befinden, aktuell an mehreren Stellen Verzögerungen auftreten können“, sagt Jens Lütjen, geschäftsführender Gesellschafter vom Bremer Immobilienunternehmen Robert S. Spies. Die Firma begleitet unter anderem nationale und internationale Projektentwickler. Nicht jeder sei in der Lage, bei aktueller Kalkulation in Teilen auch nur eine schwarze Null zu realisieren, so Lütjen.
Die Strategie, möglichst viel vom Kuchen abzubekommen, funktioniert nicht mehr. Die benötigten Verkaufserlöse können nicht erzielt werden. Der Markt konsolidiere sich derzeit. „Bis wir uns auf einer Geraden befinden, wird es noch einige Zeit dauern, manche Marktexperten gehen von Jahren aus“, so Holger Römer, Sprecher der Bremer Zech Group. „Das Problem bei dem einen oder anderen Unternehmen könnte nun einfach sein, dass ihre ursprüngliche Kalkulation einfach nichts mehr mit der jetzigen Realität zu tun hat.“ Der Markt habe in den vergangenen zehn Jahren für immer höhere Grundstückspreise gesorgt, sie kämen jetzt wie ein Bumerang zurück, der aber nicht von allen aufgefangen werden könne. Hinzu komme, dass wegen der höheren Zinsen auch die Nachfrage der Endkunden, insbesondere bei Wohneigentum, deutlich zurückgegangen sei.
Aufs Grundstücks-Wettbieten verzichtet
„Die führenden Köpfe der Real Estate Unternehmen, an denen wir beteiligt sind, sind sehr gute und erfahrene Manager, die schon mehrere solcher Marktzyklen mitgemacht haben“, so Römer. „Diese haben bewusst auf das Wettbieten verzichtet, konnten aber trotzdem Projekte realisieren, weil sie frühzeitig mit Flächen vorgesorgt hatten.“ Wichtig sei, es sich leisten zu können, auch mal bereits fertiggestellte Immobilien im Bestand zu halten, bis sich der Markt erhole. Damit rechne die Zech Group frühestens im nächsten Jahr.
Lütjen bezeichnet die aktuellen Rahmenbedingungen als schwer verträglichen Cocktail für die Bauwirtschaft. Das Ziel der Bundesregierung – der Neubau von 400.000 neue Wohnungen im Jahr –, sei so nicht zu realisieren. Auch die Quoten zur Schaffung von sozialen Wohneinheiten könnten nicht eingehalten werden. „Die zu erfüllen, hat in der Vergangenheit bei der Erschließung von neuen Wohnquartieren geklappt, aber zurzeit würde sich das in keiner Mischkalkulation mehr darstellen lassen.“
Eine funktionierende Bauwirtschaft sei Voraussetzung, um die Transformation zu nachhaltigem Wohnen in Verbindung mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten zu realisieren, so Lütjen. Es gebe durchaus Interesse von privaten Investoren an solchen nachhaltigen Wohnquartieren, die eine langfristige und auch reduzierte Rentabilität erwarten. „Insbesondere der Bereich Family-Office, also Gesellschaften, die privates Vermögen von Eigentümerfamilien verwalten, ist bereit hier auch Verantwortung, teilweise aus regionaler Verbundenheit, zu übernehmen.“ Gewartet werde auf bessere Rahmenbedingungen. Es sei deshalb gut und richtig, dass das auch in der Politik angekommen sei, und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) beispielsweise steuerliche Anreize vorschlage, um den kriselnden Wohnungsbau anzukurbeln.
Als Reaktion auf die Pleitewelle fordert der Verband „Wohnen im Eigentum“, Käufer müssten bei einer Insolvenz eines Bauunternehmens geschützt werden. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden seien solche Fälle „längst geregelt“. Eine verbindliche Absicherung sei in Deutschland „überfällig“.