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Bremer Immobilienmarkt Den Maklern laufen die Kunden weg

Für die Makler in Bremen und bundesweit ist mangels Nachfrage das Geschäft beim Kauf und Verkauf von Immobilien weggebrochen. Sie können der Situation aber auch etwas Gutes abgewinnen.
19.10.2022, 15:09 Uhr
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Den Maklern laufen die Kunden weg
Von Jürgen Hinrichs

Die Kunden überlegen nicht neu oder warten auf bessere Zeiten – sie springen ab, sind weg für die Makler. Diese Erfahrung macht gerade Anika Schönfeldt-Schulz. Sie ist Vorstandsvorsitzende der norddeutschen Sektion des Immobilienverbands Deutschland (IVD) und vertritt in Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern rund 1500 Mitglieder, die  ihr Geschäft mit der Vermittlung von Wohnungen und Häusern machen. "Die Situation ist so drastisch wie lange nicht mehr", sagt Schönfeldt-Schulz.

Die Menschen seien wegen der veränderten Rahmenbedingungen extrem verunsichert. Der fulminante Anstieg bei den Zinsen für Immobiliendarlehen und die Kostenexplosion bei Energie und allgemeiner Lebenshaltung bringe jedes Finanzierungsmodell ins Wanken. Die Nachfrage sei regelrecht eingebrochen. Für die Makler sei das trotz der momentanen Kaufzurückhaltung mittelfristig eher ein Vorteil: "Wir können mit qualifizierter Beratung jetzt wieder unsere Arbeit machen". Vorher sei vieles unter der Hand weggegangen, vom Eigentümer direkt an den Käufer. Nun kämen die Angebote wieder auf den Markt.

Schönfeldt-Schulz hat unlängst 200 Mitglieder befragt: "91,5 Prozent berichten von sinkender Nachfrage, 60 Prozent sprechen von einem starken Rückgang." Die Zahl der Beurkundungen, also der vollendeten Käufe, sei im Keller. Zu tun habe die Zurückhaltung auch damit, dass Kaufinteressenten sich in diesen Zeiten nicht gerne darauf einließen, eine Immobilie zu erwerben, von der sie nicht aus eigener Erfahrung wissen, wie sie energetisch funktioniert und Kosten verursacht. Dass dieser Faktor krass werden kann, illustriert die Maklerin mit einem Beispiel aus ihrer Praxis: "Einer meiner Kunden hat beim Gas für sein Einfamilienhaus mit 195 Quadratmetern bislang einen monatlichen Abschlag von 310 Euro gezahlt, jetzt werden 2100 Euro fällig."

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Selbst wenn der Kaufwille ungebrochen sei, scheitere es nicht selten an der Finanzierung, weiß Schönfeldt-Schulz: "Sie platzt, weil die Banken nicht mehr mitmachen." Das betreffe alle Komponenten – Wohnungen und Häuser, die es bereits gibt und solche, die noch entstehen sollen. Nach Angaben von Thomas Fürst, Vorstand der Sparkasse Bremen, sind etwa 60 Prozent der Projekte im Neubau auf „hold“ gestellt sind. Das betreffe große wie kleine Investitionen. Wegen der gestiegenen Zinsen und Baukosten könnten sich private Haushalte im mittleren Einkommensbereich kaum noch leisten, eine Wohnung oder ein Haus zu erwerben, so Fürst: „Der Markt ist zusammengebrochen.“ Während es in den vergangenen Jahren zwei oder drei Wochen gedauert habe, eine Immobilie zu vermarkten, gingen dafür heute zwei oder drei Monate ins Land.

Die Vermarktungszeit habe sich nun wieder auf einen vor 2015 üblichen Zeitraum eingependelt, ergänzt die Sparkasse. Gekauft werde weiterhin. Jedoch gebe es mehr Menschen, die sich ihre Traumimmobilie schlichtweg nicht mehr leisten könnten. Mieten sei für viele Wohnraumsuchende, die eigentlich gerne kaufen möchten, jetzt wieder – zumindest kurzfristig – die preiswertere Alternative. Leider bauten diese Menschen als Folge selbst kein Vermögen in Sachwerten auf. Die Nachfrage im Bereich der Anmietung von Immobilien seit deutlich gestiegen.

Ein weiterer Indikator für die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt ist die Zahl der Bauanträge. In der Stadt Bremen gibt es einen klaren Rückgang. Während im ersten Halbjahr 2021 noch 973 Anträge erfasst wurden, waren es im gleichen Zeitraum 2022 nach Behördenangaben 693 Anträge. Als Grund vermutet der Senat eine Zurückhaltung der Bauunternehmen aufgrund allgemein gestiegener Baukosten, Energiekosten, Lieferschwierigkeiten beim Baumaterial und höherer Zinsen. Zu Buche schlage außerdem der Förderstopp des Bundes für energieeffizientes Bauen. Für das zweite Halbjahr 2022 sei nicht mit einer Erholung zu rechnen: "Vielmehr dürfte davon auszugehen sein, dass sich die Zahl der genehmigten Wohneinheiten bestenfalls auf dem erreichten Niveau stabilisiert."

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Trotz dieser merklichen Delle hat die Bundesregierung in der vergangenen Woche ihr Ziel bekräftigt, jedes Jahr 400.000 neue und bezahlbare Wohnungen zu schaffen. "Das ist ehrgeizig", kommentiert mit einiger Skepsis Bremens Baustaatsrätin Gabriele Nießen (parteilos). Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes hält nach eigenen Angaben mittelfristig die Zahl von 300.000 Wohnungen für ein "realistisches und nachhaltiges Ziel". Nach sehr erfolgreichen Jahren prophezeien die großen Bauunternehmen deutliche Rückgänge bei Aufträgen und Umsatz. Bei Firmen mit weniger als 20 Beschäftigten sieht es zurzeit noch ein bisschen besser aus, die Aussichten sind aber auch eher trübe: "Noch haben viele Unternehmen gut gefüllte Auftragsbücher, aber niemand weiß, wie sich die Situation im kommenden Jahr entwickelt", sagt Andreas Jacobsen vom Verband Baugewerblicher Unternehmer im Land Bremen.

Maklerin Schönfeldt-Schulz will sich nicht bangemachen lassen: "Das ruckelt sich wieder ein", ist sie sich sicher. Die Menschen hätten trotz aller Widrigkeiten ja weiterhin ihren Wohnwunsch, und hinreichend Liquidität sei eigentlich auch da.

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