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Inklusionsbetriebe in Bremen "Man lernt hier jeden Tag etwas Neues"

Integra Automotive ist einer von ingesamt acht Inklusionsbetrieben in Bremen und Bremerhaven. Das sagen die Mitarbeiter des Betriebs.
29.11.2022, 05:00 Uhr
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Von Eva Hornauer

In der Lagerhalle von Integra Automotive fahren Gabelstapler hin und her, die Mitarbeitenden stehen an ihren Stationen, scannen Einzelteile und befüllen Transportboxen. Hier läuft eigentlich alles so, wie man es von einem Logistikunternehmen, das Produkte für Mercedes-Benz vorsortiert, erwarten würde. Die unterschiedlichen Einzelteile, wie Fußmatten, werden angeliefert, an die jeweiligen Stationen in der Halle geräumt und – sobald ein Auftrag von Mercedes kommt – durch die Mitarbeiter in die Transportbehälter einsortiert. Die fertig gefüllten Transportbehälter werden dann zu Mercedes gebracht, sodass die Mitarbeiter dort die richtigen Einzelteile für das richtige Auto parat haben. Trotzdem ist das Unternehmen etwas Besonderes: Integra Automotive ist einer von acht Inklusionsbetrieben in Bremen.

Tarifliche Bestimmungen gelten

Ein Inklusionsbetrieb unterschiedet sich von einem gewöhnlichen Betrieb vor allem im Bezug auf die Einstellungsquote von schwerbehinderten Menschen. 30 bis 50 Prozent der Mitarbeitenden in einem Inklusionsunternehmen müssen eine schwere Behinderung haben – man spricht hier von den Zielgruppenmitarbeitern. Diese Arbeitsplätze sind sozialversicherungspflichtig und müssen arbeits- und tarifrechtliche Bestimmungen beachten.

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Inklusionsbetriebe sind wirtschaftlichen Hochs und Tiefs genauso unterworfen, wie Betriebe ohne einen besonderen Fokus auf Inklusion. "Inklusionsbetriebe agieren als Unternehmen auf dem ersten Arbeitsmarkt und müssen sich damit auch den allgemeinen Bedingungen des Marktes stellen", sagt Thomas Mundl, Leiter des Integrationsamtes Bremen. Hier liegt auch ein großer Unterschied zu Werkstätten, wie etwa dem Martinshof: Die Arbeit dort ist keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da die Beschäftigten einer Werkstatt als dauerhaft erwerbsgemindert gelten und auch nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. "Inklusionsbetriebe sind positive Beispiele für eine gelebte soziale Marktwirtschaft und einen inklusiven Arbeitsmarkt", so Mundl. "Sie haben den Auftrag, besonders betroffene schwerbehinderte Menschen dauerhaft beruflich einzugliedern."

Da Inklusionsbetriebe, wie Integra Automotive, auf die einzelnen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter verstärkt eingehen müssen, werden die Betriebe vom Integrationsamt unterstützt. Zum Beispiel erhalten die Betriebe 30 Prozent des Bruttogehalts der schwerbehinderten Beschäftigten zurück. Wenn der Betrieb einen besonderen Aufwand leistet, um seine Zielgruppenmitarbeiter zu beschäftigen, erhält er zusätzliche Förderungen. Zielgruppenmitarbeiter in Inklusionsbetrieben sind jene Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung.

Familiäres Miteinander trotz hoher Ansprüche

Integra Automotive gibt es seit 2013, rund die Hälfte der 63 Beschäftigten hat eine Schwerbehinderung. "Zu unseren Zielgruppenmitarbeitern zählen gehörlose Menschen, Ältere, die zum Beispiel einen Bandscheibenvorfall hatten und nicht mehr schwer heben können, Menschen mit Gehbehinderung oder psychischen Erkrankungen", sagt Viola Vogt, Leiterin des Betriebs. Eigentlich sollen Inklusionsbetriebe ihre Zielgruppenmitarbeiter vor allem auch für andere Jobs qualifizieren. "Wir haben hier keine große Mitarbeiterfluktuation", sagt Vogt. "Ich denke, das liegt daran, dass die Mitarbeiter sich hier wohlfühlen, dass wir hier gut miteinander umgehen trotz der Ansprüche vom Kunden."

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Dass das Miteinander im Betrieb gut ist, bestätigt auch Yaw Adu Teddy Poku. 2015 kam er über eine Zeitarbeitsfirma zu Integra Automotive. Poku ist kein Zielgruppenmitarbeiter, zu seinen Aufgaben gehört aber unter anderem, diese zu unterstützen. "Man lernt hier jeden Tag etwas Neues", sagt er. "Die Leute sind sehr freundlich und wir haben im Team guten Kontakt."

Ahmad Hassan arbeitet noch nicht so lange wie Poku beim Logistikunternehmen. Nach einem Unfall, der ihm einen Teil seines Beines gekostet hat, konnte der gelernte Tischler seinen alten Job nicht mehr ausüben. "Wir sind hier so was wie eine Familie", sagt Hassan lächelnd. Auch Stefan Bolte, der seit zweieinhalb Jahren im Betrieb arbeitet und gehörlos ist, lobt die Dynamik im Team. "Die Arbeit macht Spaß, auch wenn es mal stressiger ist", so Bolte. Zu Integra Automotive sei er gekommen, weil hier schon Freunde von ihm gearbeitet hätten – ein Weg, der laut Vogt schon viele Zielgruppenmitarbeiter zum Logistikunternehmen gebracht hat. Auch zukünftig möchte Bolte im Unternehmen arbeiten.

Bremen unterstützt den Ausbau von Inklusionsbetrieben

Mit acht Inklusionsbetrieben liege Bremen – in Anbetracht der Größe des Landes – im bundesweiten Durchschnitt. "Der Ausbau von Beschäftigungsmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist weiterhin wünschenswert und steht im Fokus des Integrationsamtes", sagt Mundl. Deshalb soll mit dem Aktionsprogramm "Inklusion im Betrieb", das Anfang dieses Jahres gestartet ist, die Neugründung und der Ausbau bereits bestehender Betriebe gefördert werden.

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