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Verband warnt vor Insolvenzwelle E-Zigaretten werden durch Tabaksteuer teurer

Kommendes Jahr soll die Tabaksteuer steigen. E-Zigaretten dürften dadurch deutlich teurer werden. Die Folgen für Kioske könnten fatal sein, warnt ein Verband.
09.06.2021, 17:25 Uhr
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E-Zigaretten werden durch Tabaksteuer teurer
Von Stefan Lakeband

In den kommenden Jahren könnten etliche Tabakläden, Kioske und Lotto-Annahmestellen vor dem Aus stehen. Davor warnt Dirk Quade, Vorsitzender des Bremer Fachverbands Tabakwaren, Presse und Toto-Lotto. Er sieht ihre Existenz durch die geplante Erhöhung der Tabaksteuer gefährdet. Sie verteuert nicht nur Zigaretten, sondern auch Alternativprodukte wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer. Diese Produkte, so Quade, könnten dadurch vom deutschen Markt verschwinden – was die Händler wiederum beim Umsatz spüren würden.

„Dass sich die Tabaksteuer regelmäßig erhöht, ist nichts Neues für uns“, sagt Quade, der auch den Laden Tabac & Pfeife in der Katharinen-Passage betreibt. Der jetzige Anstieg sei aber anders. Denn bislang fällt auf die Flüssigkeit für E-Zigaretten nur die Mehrwertsteuer an, nicht aber die Tabaksteuer. Jetzt wird ein eigener Steuertarif für nikotinhaltige Substanzen eingeführt. Denn die Liquids genannten Flüssigkeiten, die in den E-Zigaretten verdampft werden, gibt es mit unterschiedlichem Nikotingehalt. Das könnte eine Preissteigerung von bis zu acht Euro als Folge haben; aktuell gibt es ein Fläschchen mit zehn Millilitern ab zwei Euro. Mit diesen Zahlen rechnet die Initiative „Dauerhaft geschlossen“, hinter der Händler und Unternehmen aus der Tabakwirtschaft stehen. Ähnlich sieht es auch bei Tabakerhitzern aus. Die dazugehörigen Sticks wurden bislang wie Pfeifentabak besteuert – mit der Reform der Tabaksteuer zum Juli 2022 soll das geändert werden. Auch hier erwartet Quade drastische Preissprünge. „Wenn das passiert, sind die Produkte tot“, sagt der Unternehmer. Er geht davon aus, dass bei solchen Preisen niemand mehr zu Zigaretten-Alternativen greift – zumindest nicht legal. Der Schmuggel werde zunehmen, schätzt Quade.

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Mit dieser Sorge ist der Bremer nicht allein. Dieter Dewes, Vorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ), warnt: „Neue Steuertarife wirken wie ein Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt.“ Schmuggel und Verkauf von illegal hergestellten und unversteuerten Waren würden massiv zunehmen. Eine Packung Tabaksticks für Erhitzer kostet laut BDZ derzeit etwa sechs Euro, nach der Steuererhöhung wären es knapp zehn Euro. „In Polen kostet dieselbe Packung circa 3,15 Euro“, sagt Dewes.

Die Folge wird laut Quade eine „Insolvenzwelle“ sein. Allein in Bremen gebe es etwa 400 Lotto-Annahmestellen und Kioske, die auch vom Zigarettenverkauf abhängig seien. Er glaubt, dass durch die Steuererhöhung fünf bis zehn Prozent dieser Geschäfte aufgeben müssen. „Viele haben es schon jetzt schwer, besonders durch die Corona-Pandemie“, sagt der Verbandsvorsitzende.

Im Jahr 2014 wurde die Tabakrichtlinie der EU veröffentlicht, die den Markt für E-Zigaretten regeln soll. Sie sieht unter anderem vor, dass die Flüssigkeiten nur vermarktet werden dürfen, wenn ihr Nikotingehalt 20 Milligramm pro Milliliter nicht übersteigt; Nachfüllbehältnisse dürfen maximal zehn Milliliter fassen. Seitdem ist der Markt für Alternativprodukte stark gewachsen. Laut Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels gab es im Jahr 2019 rund zwei Millionen Menschen, die regelmäßig E-Zigarette geraucht haben. Der Umsatz stieg zwischen 2017 und 2019 von 290 auf 500 Millionen Euro.

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Vor allem von den Herstellern werden Erhitzer und E-Zigaretten als Alternative zur Zigarette angepriesen und als Mittel, um sich das Rauchen ganz zu entwöhnen. Durch eine E-Zigarette lasse sich der Nikotingehalt immer weiter reduzieren, was letztlich die Entwöhnung erleichtern soll. Ein weiteres Verkaufsargument ist die Tatsache, dass die Alternativprodukte weniger schädlich sind als herkömmliche Zigaretten. Sorglos sind die E-Zigaretten aber nicht zu betrachten. Denn beim Verdampfen der Liquids können etliche bedenkliche Inhaltsstoffe in die Lunge gelangen, darunter Formaldehyd, Acetaldehyd sowie Nickel, Chrom und Blei. Davor warnt das Deutsche Krebsforschungszentrum.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) verteidigte jüngst die Anhebung der Tabaksteuer. E-Zigaretten seien bei Weitem nicht alle unschädlich. „Es gibt gesundheitspolitische Erwägungen, die dafür sprechen, dass wir jetzt nicht alles harmlos finden, was sich selber für harmlos deklariert“, sagte Scholz.

Unterstützt wird er vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Dessen Präsident Thomas Fischbach begrüßt die geplante Erhöhung für E-Zigaretten. „Damit werden sie insbesondere für Jugendliche unattraktiver", sagt er. Wie so ein Mechanismus wirken könne, habe man bei den Alcopops gesehen. Diese oft süßen alkoholhaltigen Getränke waren vor allem bei Jugendlichen beliebt – bis sie durch eine Sondersteuer 2004 in Deutschland verteuert wurden, woraufhin ihr Absatz deutlich zurückging.

„Für viele Jugendliche sind E-Zigaretten der Einstieg ins Rauchen. Studien zeigen: Jugendliche, die schon mal eine E-Zigarette probiert haben, haben ein doppelt so hohes Risiko, später auch zur Tabakzigarette zu greifen“, sagt Fischbach. Daher hoffe er, dass die Besteuerung eine Lenkungswirkung entfalten könne.

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Das Bundesfinanzministerium plant eine stufenweise Anhebung für den Zeitraum von 2022 bis 2026. Pro Jahr werden für jede Packung Zigaretten etwa acht Cent mehr fällig, das Steuerplus liegt damit bei circa 2,5 Prozent. Zuletzt wurde 2015 die Tabaksteuer erhöht. Derzeit kostet eine Schachtel Zigaretten etwa sieben Euro, vor zehn Jahren waren es noch 4,90 Euro. Im Preis enthalten sind laut dem Deutschen Zigarettenverband 3,48 Euro Tabaksteuer und 1,12 Euro Mehrwertsteuer. Der gesamte Steueranteil beträgt 65,7 Prozent, während auf Hersteller und Handel demnach 34,3 Prozent entfallen. Vergangenes Jahr nahm der Staat rund 14,7 Milliarden Euro an Tabaksteuer ein.

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