Das Bremer Handwerk diskutiert die Integration von Geflüchteten in ihrer Branche. Detlef Scheele, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, macht den Handwerkern Mut, mahnt aber auch zu Realismus.
Peter Bollhagen hat ein gutes Gefühl. Die jungen Männer sind zwar erst seit einem Monat dabei, aber sie liefern solide Arbeit ab. „Ich bin froh, so motivierte Leute zu haben“, sagt der Malermeister und Inhaber von Pero und Partner. Dass der neueste Personalzuwachs aus Afrika kommt und teilweise noch wenig Deutsch spricht, stört ihn nicht. Zur Not laufe die Verständigung mit den Kollegen eben auf Englisch. „Ich glaube immer noch an das ,Wir schaffen das‘ von Angela Merkel“, sagt Bollhagen. Daher sei es für ihn keine Frage gewesen, jungen Geflüchteten aus Afrika eine Ausbildung als Maler zu ermöglichen.
So wie Bollhagen sehen das viele Handwerker in Bremen. Das wird an diesem Montag in der Handelskammer deutlich. Sie sind gekommen, um unter dem Titel „Integration von Flüchtlingen im Handwerk – Gemeinsam Chancen gestalten“ über genau dieses Thema zu diskutieren. Mit dabei: Detlef Scheele, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit. Er macht den Handwerkern, die wie Bollhagen an die Integration glauben, Mut, mahnt aber auch zu Realismus. „Das ist ein langer Weg“, sagt Scheele, „aber er lohnt sich.“
Projekt soll junge Geflüchtete in Ausbildung bringen
Und ein entscheidender Begleiter dabei, so Scheele, ist das Handwerk, das für viele Initiativen verantwortlich sei. Mit dem Projekt „Perspektiven für junge Flüchtlinge im Handwerk“ sollen bundesweit etwa 10000 junge Geflüchtete bis 2018 in eine Ausbildung oder eine Ausbildungsvorbereitung gebracht werden. Erste Erfolge wurden in Bremen bereits erzielt. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres haben 267 Menschen, die zum Beispiel aus Afghanistan, Syrien, Somalia oder Eritrea nach Bremen gekommen sind, einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden – circa ein Viertel davon im Handwerk. „Das mag vielleicht nicht nach viel aussehen“, sagt Götz von Einem, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven. Doch diese Zahl sei schon gut. Auch er sieht gerade Handwerksunternehmen in einer wichtigen Rolle: „Ohne die Betriebe könnten wir das nicht leisten“, sagt er. „Die Jugendlichen müssen wissen, wie die Arbeitswelt in Deutschland aussieht.“ Dazu gehöre das duale Ausbildungssystem. „Das kennt man in Eritrea oder Syrien nicht“, sagt Scheele nicht.
Den Jugendlichen zu vermitteln, warum es dieses System gibt, ist die eine Sache. Hinzu kommen die Probleme, die sich während der Ausbildung ergeben können. Viele junge Geflüchtete haben schon seit Jahren keine Schule mehr besucht. Würden sie nun zu schnell in eine Ausbildung kommen, gäbe es spätestens Probleme in der Berufsschule, sagt Scheele. „Bei der Berufsausbildung darf es aber keine Kompromisse geben. Die Ansprüche dürfen nicht heruntergeschraubt werden.“ Für diese Sätze gibt es Applaus für den Vorstand der Arbeitsagentur. Gleichzeitig wirbt er aber auch für Verständnis bei der Wirtschaft. „Macht es etwas, wenn jemand erst mit 32 Jahren seine Berufsausbildung abschließt?“, fragt er. Denn Scheele plädiert dafür, den Geflüchteten ausreichend Zeit zu geben, damit sie trotzdem noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. „Da brauchen wir uns nichts vormachen“, sagt auch Martina Jungclaus, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer, „ohne eine vorherige Qualifizierung wird das nicht funktionieren.“
Um sie für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren, sind Arbeitsagentur und Jobcenter da. Und die stehen, so sagt es Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD), vor einer kuriosen Situation: „Es mangelt nicht an Geld.“ Dass es trotzdem Hindernisse in der Weiterbildung gebe, liege vor allem in fehlenden Angeboten. „Vor einigen Jahren wurden Strukturen abgebaut, die wir jetzt brauchen“, sagt Günthner.
Jobcenter: Zentrale Anlaufstelle für Geflüchtete ab November
Diese wiederaufzubauen, ist auch Aufgabe von Susanne Ahlers, Geschäftsführerin des Jobcenters. Die Jobcenter waren zuletzt in der Kritik, weil in diesem Jahr nicht alle zugesprochenen Fördergelder vom Bund verbraucht werden. Das hänge damit zusammen, dass die finanzielle Unterstützung teilweise sehr kurzfristig gekommen sei und sinnvolle Maßnahmen nicht sofort umgesetzt werden könnten – etwa weil Fachpersonal fehle. Um die Geflüchteten trotzdem so gut es geht zu unterstützen, bietet das Jobcenter ab November eine zentrale Anlaufstelle für Geflüchtete an. Hier sollen sie Informationen zu vielen Themen bekommen. Außerdem soll Endes des Jahres die Website ins Arabische übersetzt sein, Dolmetscher stünden schon jetzt zur Verfügung.
Trotz aller Bemühungen gehen die Beteiligten davon aus, dass die Integration in den Arbeitsmarkt nicht von heute auf morgen zu schaffen ist. Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung haben laut Scheele ergeben, dass eine Erwerbstätigenquote von 50 Prozent fünf Jahre nach der Einreise realistisch sei. Schneller könne es nicht gehen. Den größten Integrationserfolg misst er den Geflüchteten unter 25 Jahren zu. Sie hätten gute Chancen, ganz regulär eine Ausbildung zu machen und so Fuß in Deutschland zu fassen. „Denn die Arbeit ist in Deutschland mehr als nur Gelderwerb“, sagt er. Sie sei ein wichtiger Faktor zur Integration. Geflüchtete könnten so in den Alltag eingebunden werden und nicht nur in der Unterkunft unter ihresgleichen sein.
Dass das aber zu Spannungen auf dem Arbeitsmarkt führen könne, will der Vorstand der Agentur für Arbeit nicht gelten lassen. Dieser sei groß genug für Einheimische und ausländische Bewerber. „Keiner braucht auf die Straße gehen und muss protestieren, weil ihm ein Flüchtling seinen Arbeitsplatz weggenommen hat. Das wird nicht passieren“, sagt Scheele. Es werde keine nennenswerte Konkurrenz entstehen.