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Wärmeversorgung Experten sehen in Bremen keinen Run auf Ölheizungen

Setzen die Menschen wieder verstärkt auf Ölheizungen? Die Nachfrage ist deutlich gestiegen. Unternehmen in Bremen schaffen sich vermehrt Tanks an. Warum die Ölheizung dennoch keine Renaissance erlebt.
24.10.2022, 05:00 Uhr
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Experten sehen in Bremen keinen Run auf Ölheizungen
Von Lisa Schröder

Vor kurzer Zeit machte eine bemerkenswerte Zahl des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie die Runde. Zwölf Prozent mehr Ölheizungen seien von Januar bis Juli von den Herstellern ausgeliefert worden – ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Vor dem Hintergrund der angespannten Lage bei der Gasversorgung scheint die Nachfrage nachvollziehbar. Wer Sorge vor einem Gasengpass hat, der setzt womöglich jetzt aufs Öl.

Erleben Ölheizungen denn wieder einen Boom?

"Nein. Von einer Renaissance kann man nicht sprechen. Die gibt es nicht", sagt derweil Frederic Leers, Sprecher des Bundesverbandes der Deutschen Heizungsindustrie, zu der Entwicklung. Denn den zweistelligen Zuwachs bei den Ölheizungen, der schon "ein Phänomen dieser Zeit" sei, verzeichne man auf einer extrem niedrigen Basis. Der Blick auf die absoluten Zahlen zeige: Ölheizungen spielten im Verhältnis eine kleinere Rolle.

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Um wie viele Heizungen geht es konkret?

Von Januar bis Juli sind 29.000 Ölheizungen ausgeliefert worden. Im Vorjahr waren es insgesamt 45.500. An Gasheizungen wurden von Januar bis Juli 350.000 in die Privathaushalte ausgeliefert – sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Die derzeit heiß begehrten Wärmepumpen konnten nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie einen Zuwachs von 29 Prozent verzeichnen mit gut 115.000 ausgelieferten Anlagen. Pelletlösungen sind ebenfalls stärker gefragt gewesen: 38.000 konnten geliefert werden und somit 14 Prozent mehr als im Vorjahr.

Was beobachten Bremer Experten derzeit?

Stefan Dohms ist bei der Haustechnik Peinemann und Sohn für Heizungen zuständig. Vor allem Unternehmen setzten derzeit auf zusätzliche Öltanker, um im Notfall vorbereitet zu sein, falls es doch zu einem Gasmangel komme. "Da gibt es schon viel Nachfrage. Es geht sozusagen um eine Notheizung", sagt Dohms. Die SWB nimmt diesen Trend bei Industriekunden ebenfalls wahr. Der Bremer Energieversorger hat laut Sprecherin Angela Dittmer "den einen oder anderen Auftrag zur Wiederinbetriebnahme von Ölkesseln erhalten, weil die Unternehmen mit weniger Erdgaseinsatz ihren Betrieb sicherstellen können".

Privatkunden wechselten jetzt aber nicht ganz neu zum Öl, sagt Heizungsexperte Dohms. Das sei schon seit ein paar Jahren eher nur ausnahmsweise der Fall. Benjamin Hast berichtet für seinen Betrieb ebenfalls, dass es derzeit keine Anfrage für einen Umstieg auf eine Ölheizung gebe. Dagegen sind Wärmepumpen stark geragt: "Ich könnte jede Woche fünf verkaufen." Wärmepumpen sind aber kaum zu bekommen. Die Wartezeiten, sagt Hast, lägen schon bei eineinhalb Jahren.

Der Energielieferant Hoyer aus Visselhövede konstatiert aktuell auch keine veränderte Nachfrage bei den Haushalten. "Für uns ist nicht feststellbar, dass es im Privatkundenbereich eine signifikante Zahl an Neukunden gibt, die wegen einer neuen Ölheizung erstmals bei uns Heizöl bestellen", sagt Sprecher Thomas Hartmann.

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Wechseln Verbraucher von der Ölheizung weg?

Wer allerdings eine Ölheizung hat, bleibt dieser nun öfter treu. Das beobachtet auch Jan-Gerd Reiners, Geschäftsführer und Inhaber des Bremer Energielieferanten Reiners. Bis zum Krieg in der Ukraine sei es fast selbstverständlich gewesen, eine alte Ölheizung gegen eine Gasheizung auszutauschen. "Das war mit dem 24. Februar auf einen Schlag vorbei." Das Modernisierungsverhalten habe sich wegen der Unsicherheit beim Gas verändert: "Viele bleiben bei der Ölheizung. Der Umstellungshype ist gestoppt." Reiners erklärt sich das auch mit dem hohen Sicherheitsbedürfnis der Menschen. Wer seinen Heizölvorrat von 3000 Litern einkaufe, der habe zunächst ein Jahr Ruhe – und müsse keine Angst haben.

Wie hat sich der Ölpreis verändert?

Heizöl ist deutlich teurer geworden. Reiners spricht von einer Verdopplung der Preise im Vergleich zum Vorjahr. Die Anstiege beim Gas sind allerdings wesentlich höher. Was beim Öl dazukommt: Die Preise schwanken seit Kriegsbeginn stark. Im Moment kosten 100 Liter rund 160 Euro. In den nächsten Monaten erwartet Reiners jedoch einen Dämpfer, wenn die Wirtschaftsleistung in der Welt abnehme. Eine Rezession werde Einfluss haben: "Das wird die Ölpreise runterbringen."

Kunden empfiehlt der Heizöllieferant "so wenig wie möglich und so viel wie nötig zu bestellen". Schon das Jahr über hätten die Kunden nur Teilmengen bestellt wegen der hohen Preise. Die Nachfrage von Unternehmen beobachtet auch er. "Ganz ungewöhnlich", sagt Reiners. Ein Industriekunde habe die Produktion zuvor auf Gas umgestellt, setze aber nun für den Fall, das Gas schwer zu kriegen sei, auch auf Öl: "Der hat sich jetzt einen großen Tank zugelegt."

Woher kommt das Öl?

Im Fall von Reiners Unternehmen kommt das Öl aus Skandinavien und dem Nahen Osten. In dieser Zeit beruhigt der Blick auf die Herkunftsländer Reiners. Schon in der Vergangenheit habe er vor den zu einseitigen Versorgungsstrukturen bei der Energie in Deutschland gewarnt.

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Wie viele Ölheizungen gibt es in Deutschland?

Insgesamt gab es im vergangenen Jahr im Bestand 21 Millionen sogenannte Wärmeerzeuger. Die Statistik des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie bezieht sich vor allem auf Ein- und Zweifamilienhäuser. Von diesen Wärmeerzeugern waren rund fünf Millionen Ölheizungen – nur ein kleinerer Teil wiederum davon moderne sparsamere Öl-Brennwertkessel. Der Großteil ist technisch veraltet und muss modernisiert werden. "Teils sind Ölheizungen auf dem Land alternativlos", sagt Verbandssprecher Leers.

Was tut die Politik für die Heizölkunden?

Seit vielen Monaten wird an Konzepten gearbeitet, wie Verbrauchern mit einer Gasheizung geholfen werden kann. Erst mit Verzögerung rücken jetzt auch die Heizölkunden in den Fokus. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die zehn Millionen Haushalte mit Ölheizungen mit ihren gestiegenen Energiekosten alleingelassen werden sollen“, kritisierte der Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie, Adrian Willig, laut "Handelsblatt" unlängst.

Ende der vergangenen Woche beschäftigten sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder bei ihrer Jahrestagung in Hannover mit dem Thema. Gegenüber dem Bund machten die Länder klar, dass auch für Verbraucher mit Ölheizung eine Hilfe nötig sei. "Es darf kein Winterloch bei der Unterstützung geben", sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) angesichts steigender Energiekosten. "Ich sehe auch die dringende Notwendigkeit, diejenigen zu entlasten, die mit Öl heizen – so wie wir es auch bei Gas und Fernwärme machen. Ein möglicher Weg wäre die Senkung der Mehrwertsteuer."

Die Bundesregierung will den Einbau reiner Ölheizungen ab 2024 nur noch in Ausnahmefällen erlauben. Hybrid-Anlagen, die etwa durch die Kombinationen eines fossilen Brenners mit Sonnenenergie oder Wärmepumpen 65 Prozent des Wärmebedarfs mit erneuerbaren Technologien abdecken, bleiben aber erlaubt.

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