Herr Timphus, Sie haben am Freitag bis auf Weiteres den letzten Tag das Café geöffnet. Nun dürfen Sie nur noch außer Haus verkaufen. Wann werden die Einschränkungen wegen des Coronavirus für Sie existenziell?
Bernard Timphus: Das geht ganz schnell. Wir sind ja als Unternehmen mit Tageskasse sofortige und ständige Liquidität gewöhnt. Daher haben wir auch keine großen Rücklagen, um die Zeit zwischen Leistung und Bezahlung zu überbrücken, wie das etwa im Bauhandwerk bekannt ist. Ich hab neulich Nacht viel gerechnet, da ich ohnehin nicht schlafen konnte. Wir haben Kosten von rund 20 000 Euro im Monat – ohne das Personal, das jetzt schon teilweise in Kurzarbeit ist. Wenn wir also nicht spätestens im April wieder Umsätze machen können oder Geld von anderer Stelle bekommen, geht es sofort an die Substanz.
Würden Ihnen schnelle, unbürokratische Kredite dabei helfen?
Theoretisch schon, allerdings glaube ich aus meiner Erfahrung nicht so recht an schnelle, unbürokratische Kredite. Aber selbst wenn: Falls die Situation länger anhält, sagen wir drei Monate, dann gilt es, 60.000 Euro zu finanzieren. Bei einem Kredit, sogar mit vernünftigem Zinssatz, frage ich mich, wie das zu stemmen ist. Ich bin jetzt 55 Jahre alt. Kann ich das in meiner verbleibenden Lebensarbeitszeit wieder erwirtschaften und zurückzahlen? Ich bin da skeptisch, zumal ja noch andere Kreditverpflichtungen laufen. Und das wird mir ja nicht allein so gehen.
Halten Sie die faktische Vollbremsung der Wirtschaft zur Bekämpfung der Corona-Pandemie eigentlich für angemessen?
Wie jeder andere, muss ich den Experten vertrauen und ich tue das auch. Ich habe selbst schon vorige Woche zwei Mitarbeitern mit Vorerkrankungen geraten, gar nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Es ist völlig richtig, die Ansteckungsrisiken zu minimieren. Wirtschaftlich gesehen hängt einfach sehr viel davon ab, wie lange die Situation anhält.
Haben Sie abgesehen von der Kurzarbeit für Ihre Mitarbeiter andere Möglichkeiten, die Betriebskosten in dieser Zeit zu senken? Wenn Sie nur wenig verkaufen können, brauchen Sie zum Beispiel ja auch nur wenig Material.
Die größten Kostenfaktoren sind nicht unbedingt der Einkauf, sondern die Miete, langfristige Kreditverpflichtungen für zurückliegende Investitionen und so etwas wie Energiekosten. Die Kühlaggregate laufen ja mit wenig Vorräten genau so, wie mit voller Auslage. Aber klar fängt man an, auch Kleinigkeiten anzugucken. Wir hatten schon jetzt erhebliche Einbußen und dann fällt einem die 9000 Watt Profi-Kaffeemaschine ins Auge, die allein für das koffeinfreie Angebot läuft. Muss jetzt vielleicht nicht sein. Wir hatten das Café-Angebot ohnehin schon verkleinert und zum Beispiel weniger Sahnetorten gemacht, die am nächsten Tag eben nicht mehr verkauft werden können. Das Fatalste ist eigentlich, dass ich gegen so ein Ereignis versichert bin, aber Schwierigkeiten bekomme, die Bedingungen zu erfüllen.
Sie sind tatsächlich gegen Ausfälle durch Infektionskrankheiten versichert?
Ja, und die Versicherung hat mir sogar noch bestätigt, dass sie auch im Falle der aktuellen Corona-Pandemie greift. Allerdings muss mir der Laden durch eine konkrete Behördenanweisung wegen der Epidemie geschlossen werden. Ich bräuchte also einen amtlichen Dreizeiler, der mich namentlich auffordert, den Betrieb einzustellen. Und den bekomme ich gerade nicht. Ich hab deswegen lange mit zahlreichen Stellen telefoniert, aber weder Gesundheitsamt noch Ordnungsamt fühlen sich da zuständig und handlungsfähig. Würde ich so eine Anweisung bekommen, zahlt die Versicherung für 30 Tage alle laufenden Kosten inklusive der Mitarbeitergehälter.
Es gibt eigentlich nur wenige Unternehmen, die gegen so ein Ereignis versichert sind..
Es nützt mir aber grad auch nichts. Dabei wäre das nicht nur für mich gut, auch die Mitarbeiter hätten ja zumindest für den Monat ihr volles Gehalt, statt 60 Prozent ihres Nettogehalts als Kurzarbeitergeld. Das Lohnniveau im Konditorenhandwerk ist ja nicht über Gebühr hoch.
Wie viele Mitarbeiter sind denn bei Ihnen betroffen und wie hat die Belegschaft das aufgenommen?
Wir sind zwölf Angestellte und fünf Auszubildende, für die es übrigens kein Kurzarbeitergeld gibt. Wir haben alle zusammengesessen und ich habe die Situation erklärt. Aber das haben meine Mitarbeiter natürlich kommen sehen. Wenn im Cafe mit 80 Plätzen am ganzen Tag gerade mal drei Tische besetzt sind, können die auch rechnen.
Hatten Sie zuvor schon mal Erfahrungen mit Kurzarbeit gemacht?
Überhaupt nicht. Das ist für mich als Konditor absolutes Neuland gewesen. Aber der Berater beim Arbeitsamt war kompetent und hilfreich. Er hat mich zum Beispiel mehrfach darauf hingewiesen, dass man bis zu einem Jahr Kurzarbeit beantragen kann, als ich da einfach mal naiv den 19. April ins Formular geschrieben hab. Es im Nachhinein zu verlängern ist offenbar komplizierter als die Dauer später zu verkürzen. So etwas weiß man ja nicht, wenn man sich damit nie befassen musste.
Das Gespräch führte Timo Thalmann.
Bernard Timphus hat vor 20 Jahren die Traditionskonditorei Stecker übernommen und ist Obermeister der Konditoreninnung Bremen/Oldenburg