Die Marzipan-Osterhasen sind fertig, die Ostereier werden verpackt, doch ob es ein Ostergeschäft geben wird, weiß Carsten Schriefer gerade nicht. Dabei darf der Konditormeister mit seiner kleinen Confiserie in Findorff seinen Laden weiter offen halten. „Ich zähle zum Handwerk und zum Lebensmitteleinzelhandel“, sagt Schriefer. Aber die Kundenfrequenz sinke natürlich, wenn alles drumherum geschlossen ist.
Doch sein Hauptgeschäft und damit aktuell sein eigentliches Problem liegt hinter der Ladentheke in der Backstube. Hier entstehen gewöhnlich jede Woche drei bis fünf aufwendige, individuelle Motivtorten nach Kundenwunsch. Vor allem mehrstöckige Hochzeitstorten beschäftigen ihn und seine Angestellte Sandra Schierenbeck. Doch Hochzeiten und andere Feierlichkeiten mit zahlreichen Gästen werden wegen des Coronavirus derzeit allesamt abgesagt und verschoben. „Es wurde fast alles storniert“, sagt Schriefer. Bis zu 80 Prozent seines Umsatzes hängt im Frühjahr aber an seinen Kunstwerken aus Teig, Sahne, Fondant und Schokolade.
Seine einzige Angestellte wird darum in Kurzarbeit gehen müssen. „Ich will sie ja unbedingt behalten, aber wovon soll ich das Gehalt zahlen, wenn das Hauptgeschäft wegbricht?“, fragt Schriefer. Sandra Schierenbeck arbeitet in Teilzeit. Üppige Gehälter sind in der Konditorbranche ohnehin selten und der kleine Betrieb kann auch nicht viel zahlen. „Ich arbeite hier ja vor allem, weil ich viel individuell machen und lernen kann“, sagt Schierenbeck, die eigentlich gerade an ihrem Meisterbrief arbeitet. Aber auch hier sind ihre Fortbildungen und Prüfungen gerade bis auf Weiteres ausgesetzt. Kurzarbeit bedeutet, dass ihr Salär auf einige hundert Euro im Monat schrumpft. „Mein Mann ist im Metallbau, wenn der auch in Kurzarbeit muss, wird es wirklich eng“, sagt die Konditorgesellin. Schriefer würde das Kurzarbeitergeld ja gern aufstocken. „Aber wovon?“, sagt der Handwerker und hebt die Schultern.
Er ist beim Thema Kurzarbeit nur einer von zahlreichen Fällen, die derzeit bei der Arbeitsagentur vorstellig werden. Von weit mehr als 1000 Anfragen berichtet Jörg Nowag, Sprecher der Agentur für Arbeit Bremen und Bremerhaven – und die Zahlen stiegen stündlich. „Branchenschwerpunkte lassen sich dabei nicht identifizieren.“ Weil viele erstmals damit zu tun haben, sei der Beratungsbedarf ziemlich hoch. „Das entsprechende Mitarbeiterteam wurde darum jetzt personell verstärkt“, berichtet er.
Kurzarbeit auf dem Spielplan
„Wir hatten da keine Probleme, auch wenn es für uns eine Premiere war – aber Premieren kennen wir ja nun wiederum gut“, sagt Philipp Peiniger. Der Direktor des Bremer GOP-Theaters will sich seinen Optimismus bewahren. „Wir rechnen jetzt mit dem 7. Mai für die neue Show, ob das dann so kommt, werden wir sehen, aber irgendwie müssen wir ja planen.“ Bis dahin allerdings steht für rund 70 der 100 Mitarbeiter ebenfalls Kurzarbeit auf dem Spielplan.
„Das betrifft natürlich vor allem die Gastronomie- und Küchencrew, aber auch unsere Bühnentechnik.“ Eingestellt habe man den Spielbetrieb schon vorigen Sonntag, bevor dann ab Mittwoch von Amts wegen der Vorhang fiel. „Wir schauen natürlich, welche Arbeiten wir jetzt gut machen können“, sagt Peiniger und nennt eine Teppich-Grundreinigung als Beispiel. „Sonst haben wir ja keine drei Tage zum Trocknen des Belags.“ Aber Beschäftigung erfinden, das könne er jetzt auch nicht. „Wir hoffen einfach, dass es nicht zu lange dauert und wir die Mannschaft zusammenhalten können.“
Das würde Marc Palma auch gern. Fünf Mitarbeiter kümmern sich in seiner Bremer Niederlassung der Eco Containertrans GmbH um den Weitertransport von Seecontainern per Zug, Lkw oder Binnenschiff. „Wir haben das Kurzarbeitergeld bereits vor zwei Wochen an unserem Hauptsitz in Lörrach beantragt“, sagt der Bremer Geschäftsführer und Firmenteilhaber. Das sei auch alles problemlos gelaufen, bis er den Empfehlungen der Bundesregierung folgte und seine Mitarbeiter mit den entsprechenden Stundenkürzungen ins Homeoffice schicken wollte. „Dann könne kein Kurzarbeitergeld gezahlt werden, hieß es von der Arbeitsagentur“, sagt Palma. Die Arbeitsagentur interpretiere Homeoffice als klassische „Heimarbeit“. Wer so beschäftigt sei, zähle nicht zu den regulären Arbeitnehmern eines Betriebs.
Für Palma ist es eine veraltete Regelung, von der er auch nicht glaubt, dass sie derzeit durchgesetzt wird. „Aber als kleines Unternehmen können wir da auch kein Risiko eingehen.“ Er wünscht sich darum eine schnelle Anpassung der Bedingungen. „Es kann ja nicht sein, das ich mich entscheiden muss, ob ich jetzt die Firma schütze oder lieber die Gesundheit meiner Mitarbeiter.“
Tui Deutschland schlägt Sparkurs ein
Bei Tui Deutschland sollen die Beschäftigten wegen der schwierigen Geschäftslage durch die Corona-Krise für ein halbes Jahr in Kurzarbeit gehen. Die mit dem Management vereinbarte Regelung greife für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September, hieß es in einer Information von Konzernbetriebsratschef Frank Jakobi an die Mitarbeiter. Das Unternehmen will demnach über die gesamte Phase verschieden hohe Anteile von Kurzarbeit in verschiedenen Bereichen einführen. Weitere Einzelheiten hierzu würden derzeit noch verhandelt, war am Donnerstag aus der Zentrale in Hannover zu hören.
Tui ist – wie viele andere Reiseveranstalter, Fluggesellschaften und Betriebe aus dem Gastgewerbe – aufgrund der globalen Verbreitung des neuen Coronavirus erheblich in Bedrängnis geraten. Die Gespräche über Kurzarbeit-Regelungen liefen bereits seit einigen Tagen. Konzernchef Fritz Joussen muss zudem mit einem Sparkurs auf die wegbrechende Nachfrage nach Urlaubsreisen reagieren, Investitionen ohne vertragliche Bindungen und nicht unbedingt notwendige Ausgaben liegen auf Eis. Seit Dienstag holen die Tui-Airlines zusammen mit Lufthansa und Condor Zehntausende im Ausland festsitzende Urlauber nach Deutschland zurück. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) setzt sich für rasche staatliche Hilfen für Tui ein.