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Partner für Logistikprojekt weiterhin gesucht Kühlschrank per Fahrrad

Wo sonst Lkw gefragt sind, setzen Bremer Spediteure auf Lastenräder mit E-Antrieb. Verschiedene Akteure arbeiten beim Experiment zusammen. Doch dem Projekt fehlt es weiterhin an Partnern.
19.07.2021, 20:59 Uhr
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Kühlschrank per Fahrrad
Von Lisa Schröder

Lübecker Straße 37. Zum Weserstadion ist es von hier nicht weit. Gleich um die Ecke das pralle Leben im Bremer Viertel. Doch der Parkplatz vor Ort ist recht gewöhnlich – eine unspektakuläre Kulisse. Bisher zumindest. Seit Kurzem steht im äußersten Winkel ein Container herum. Anwohner haben sich schon gefragt, was es damit auf sich hat. Obwohl der Container recht unscheinbar aussieht, verbirgt sich in seinem Innern nicht weniger als ein Experiment zur Innenstadtlogistik der Zukunft in Bremen.

Worum es hier geht? Speditionslieferungen sollen aufs Lastenrad gebracht werden. Das Bremer Projekt läuft seit 2019. Der Standort im Viertel ist neben einem in der Innenstadt der zweite dieser Art. "Das ist sehr erfolgreich und hat sich gut eingespielt", zieht Marcel Thielbar, der Geschäftsführer der Bremer Radkuriere, für das Experiment heute Bilanz. Die Alternative zum Lastwagen komme bei den Kunden gut an. "Die freuen sich natürlich, wenn ein Rad in die schmale Seitenstraße fährt statt ein 7,5 Tonner."

Bis zum Sommer konnten über den ersten Standort insgesamt etwa 1300 Sendungen geliefert werden mit rund 120 Tonnen Gewicht. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Debatte über autoarme Zentren bekommt das Projekt zunehmend Relevanz. Allerdings zeigt sich, dass es derzeit immer noch an einigen Partnern fehlt, die sich die Projektverantwortlichen vor zwei Jahren bereits erhofften. Die Förderung läuft Ende des Jahres zunächst aus.

Der Container ist eine Art Drehkreuz für Speditionsgüter im Miniaturformat. Denn von hier aus übernehmen die Bremer Radkuriere die berühmte letzte Meile für die Unternehmen Hellmann Worldwide Logistics und die BHS Spedition und Logistik GmbH – mit einem Lastenrad mit E-Antrieb. Gewöhnlich müssen die Touren Lastwagen übernehmen. Die Lieferung per Rad soll eine umweltfreundliche Alternative sein und den Verkehr entlasten.

Kai Hasenpusch von Hellmann Worldwide Logistics spricht jedoch von Vorbehalten in der Branche: "Es ist Skepsis da." Akzeptanz für das E-Lastenrad-Projekt sei wichtig, um wirklich etwas zu bewegen. Er wünscht sich weitere Partner. Geht es nach den beteiligten Akteuren, soll es weitere Container in der Hansestadt geben. 

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Hellmann ist von Anfang an dabei. Schon vor mehr als zehn Jahren habe das Unternehmen Anläufe unternommen, um Logistik in Bremen ökologisch sinnvoller zu organisieren: Gütertransporte sollten gebündelt werden und so weniger Lkw vom Güterverkehrszentrum (GVZ) in die Stadt fahren. "Das ist damals gescheitert wegen wirtschaftlicher Interessen", erinnert sich Hasenpusch. Auch mit der Brepark, die heute den Platz für den Container stellt, habe man mal das Gespräch gesucht.

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Nun der dritte Versuch. Der soll klappen. Und mit BHS Spedition und Logistik hat sich seit Projektbeginn ein weiteres Unternehmen dem Vorhaben angeschlossen. Im GVZ werden die von BHS und Hellmann auszuliefernden Waren gesammelt und gemeinsam in die Container gebracht. Kira Piening von BHS findet es wichtig, Lieferungen auf die Räder zu schaffen, selbst wenn das derzeit noch überschaubar ist: Von täglich 500 Sendungen bei BHS landen fünf bis zehn auf dem Rad.

Piening hofft, dass der Anteil steigt. Das Gebiet zum Auftakt sei zunächst eng umrissen gewesen: "Wir haben mit der Postleitzahl 28195 angefangen." Jetzt liefert BHS auch im Viertel auf drei Rädern aus. Die Resonanz sei sehr positiv – gerade bei den Privatkunden. "Die sind alle restlos begeistert", sagt die Managerin. Das Modell wolle man weiter verfolgen, um die Innenstadt und Wohngebiete zu entlasten. "Wir versprechen uns davon schon einiges." Außerdem wisse man nicht, ergänzt Piening, ob vielleicht irgendwann doch Fahrverbote für Lkw im Zentrum kämen.

Darauf weist auch Thomas Nobel von der Dachorganisation der deutschen Güterverkehrszentren (DGG) hin. Die Branche müsse hier Antworten haben. "Wir müssen als Logistikbranche zeigen, dass wir Innovationen anschieben."

180 Kilo kann das Lastenrad des Bremer Unternehmens Rytle transportieren und 1,80 Meter Höhe – auf einer Europalette. So können auch größere Lieferungen an Restaurants oder den Einzelhandel übernommen werden. Kommoden oder Kühlschranke für Privatpersonen lassen sich so bis an die Haustür transportieren. Das Rad sei ein Hingucker, bemerkt Constantin Schulz, der für die Bremer Radkuriere arbeitet. "Damit kriegt man eigentlich fast jeden Blick." Schon seit ein paar Tagen fährt er im Viertel Lieferungen mit dem E-Lastenrad aus.

Die DGG begleitet das Projekt wissenschaftlich. Das erste Mikrodepot zeigt dabei: Im Schnitt werden 70 Kilo pro Lieferung bewegt. Nobel erinnert sich an die Zweifel im Vorfeld: "Als wir das Projekt gestartet haben, haben alle gesagt: Was wollt ihr mit Paletten und Fahrrädern? Das ist doch viel zu schwer! Das schaffen die gar nicht!"

Wichtig seien jetzt weitere Partner, damit das Projekt namens „Urban-BRE" sich nach der Anschubfinanzierung durch Bremen alleine rechnen könne. Nobel hält es für sinnvoll, dass neben den Spediteuren auch Paketdienste einsteigen. "Um die Auslastung noch zu erhöhen. Und um deutlich zu machen: Es geht beides."

Für Hellmann ist das Projekt laut Hasenpusch aktuell in etwa kostenneutral. Doch das liegt an der Förderung. Der Manager geht davon aus, dass es sogar kostengünstiger werden könnte, wenn genug Unternehmen einsteigen, wenn gleich 40 oder 50 der Räder im Einsatz sind und Lkw nicht mehr nötig. "Deswegen brauchen wir Nachahmer." Im Sinne der Nachhaltigkeit müsse hier der Wettbewerbsgedanke in den Hintergrund treten.

Zur Sache

Experimente zur Innenstadtlogistik

Das Projekt wird vom Bremer Wirtschaftsressort mit einer Summe von 230.000 Euro gefördert. Teile davon kommen von der EU. Die Unterstützung läuft noch dieses Jahr. Gespräche über eine weitere Förderung beginnen nun, erklärt Hans-Georg Tschupke vom Wirtschaftsressort. Wichtig sei beim Projekt die Frage, wie die Geschäftsmodelle der Partner zusammenfinden. "Am Ende geht es nicht nur um Dekarbonisierung, sondern auch um wirtschaftliche Arbeitsplätze." Die Nachfrage nach klimaneutraler Zulieferung steige künftig. "Auf einen solch wachsenden Markt muss man sich vorbereiten." Die GVZ Entwicklungsgesellschaft Bremen koordiniert das Projekt.

Bremen engagiert sich zudem bei einem EU-Projekt zu urbaner Logistik. Daran wirken 25 internationale Partner mit. Koordiniert wird es vom Mobilitätsressort von Maike Schaefer (Grüne). Das Fahrrad spiele auf der letzten Meile eine große Rolle, sagt der Referent für nachhaltige Mobilität im Ressort Michael Glotz-Richter. Das werde in der EU wahrgenommen. "Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir hier nicht mit den  Gedanken allein stehen." Die Bremer Ansätze seien eingebettet in lokale, nationale und europäische Politik.

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