In einem offenen Brief an Vertreter der Bundesregierung haben mehrere Lebensmittelverbände um Hilfe gerufen – sie warnen vor leeren Kühlschränken und Tiefkühltruhen. Ihre Botschaft ist deutlich: Die deutlich gestiegenen Energiekosten seien besonders für Betriebe entlang der Kühlkette eine existenzielle Bedrohung. Die Lage sei mehr als ernst. Hersteller von tiefgefrorenen Lebensmitteln, Kühlhäuser und Logistikunternehmen, aber auch der Handel und Vertrieb seien derzeit mit „dramatischen Preissteigerungen“ bei Strom und Gas konfrontiert.
Der Deutsche Bauernverband und weitere Agrarverbände haben sich ebenfalls mit einem Appell an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gewandt. Die „explodierenden Energiekosten“ gefährdeten die Unternehmen der Obst-, Gemüse-, Gartenbau- und Kartoffelwirtschaft in ihrer Existenz: „Ein Zusammenbruch der Produktion ist nicht auszuschließen.“
„Die Betriebe geraten ins Schlingern“, sagt die Bremer Gewerkschaftssekretärin Iris Münkel über Lebensmittelhersteller vor Ort. In Betrieben hätten sich die Gaskosten teils vervierfacht. Aktuell seien viele Großunternehmen mit hohem Tempo dabei, vom Gas wegzukommen, sagt Münkel von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), was aber nicht so schnell zu leisten sei: „Die Entwicklung läuft auf Hochtouren, doch bis zur Umsetzung halten die Unternehmen es nicht durch.“ In Bremerhaven sind mit Frosta oder auch Frozen Fish als Hersteller der Fischstäbchen für Iglo Branchenriesen im Bereich Tiefkühlkost angesiedelt.
Die Verbände der Tiefkühl- und Frischewirtschaft warnen, dass ohne Hilfe „erhebliche Versorgungslücken bei der täglichen Lebensmittelversorgung“ in Deutschland drohen könnten. Neben Habeck ist ihr Brief auch an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) adressiert. Unternehmen befürchteten Einschränkungen bei der Produktion. „Manche bereiten sich sogar schon auf eine mögliche Insolvenz vor“, heißt es von den Wirtschaftsvertretern. Insolvenzen von Lebensmittelproduzenten sind laut Münkel in Bremen derzeit kein Thema: “Wir reden nicht darüber, dass kein Kaffee, keine Fischfeinkost oder Tiefkühlwaren mehr aus Bremen kommen.“ Dennoch spricht auch sie von einer „sehr bedrohlichen Situation“. In einigen Betrieben werde über Kurzarbeit gesprochen. Iris Münkel plädiert für einen Gaspreisdeckel und eine Strompreisbremse.
Bremer Senat will sich für Ausweitung der Unternehmenshilfen einsetzen
Die Verbände kritisieren, dass in den Hilfsprogrammen des Bundes eine Unterstützung für kleine und mittelständische Betriebe fehle. Kritik daran übt auch aus das Bremer Handwerk. Der Bremer Senat will sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einsetzen, dass die Unternehmenshilfen ausgeweitet werden. „Die anhaltend hohen Energiepreise bringen immer mehr Firmen in existenzielle Schwierigkeiten“, sagte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Die Betriebe dürften nicht allein gelassen werden.
Initiatoren des Briefes sind das Deutsche Tiefkühlinstitut (DTI) und der Verband Deutscher Kühlhäuser und Kühllogistikunternehmen. Zu den Mitgliedern der Interessenvertretung DTI gehört die Deutsche See aus Bremerhaven. Das Fischunternehmen wollte sich zu Nachfragen momentan nicht äußern. Frosta wollte das Schreiben ebenfalls nicht kommentieren. Man gehöre nicht zu den Unterzeichnern des Briefs.
Die Henry Lamotte Food GmbH aus Bremen zählt auch zu den DTI-Mitgliedern. Das Unternehmen liefert verarbeitete Lebensmittel an die Industrie und den Handel – Obst, Gemüse und Fisch. Der Anteil des Tiefkühlgeschäfts sei überschaubar, sagt Geschäftsführer Sebastian Drewes, aber natürlich sei man auch von den höheren Energiekosten betroffen. Die Lagerung und der Transport der Waren bei Minusgraden seien sehr viel teurer geworden.
Die hohen Energiekosten spielten nicht nur bei Tiefkühlware eine große Rolle. „Das ist ein Riesenthema“, sagt Drewes. „Unsere produzierenden Kunden stehen vor immensen Herausforderungen, da die Möglichkeiten, die Kosten an den Handel beziehungsweise die Konsumenten weiterzugeben, begrenzt sind.“
Vom Anstieg der Kühlkosten ist auch das Logistikunternehmen BLG betroffen. Das Coldstore in Bremerhaven ist eins der größten gewerblichen Kühlhäuser in der Region. Steigende Energiepreise seien schon länger ein Thema, sagt Sprecherin Vivien Kretschmann. Man arbeite schon viele Jahre daran, den Energieverbrauch im Kühlhaus zu senken. „Aktuell ergreifen wir weitere Maßnahmen. Zum Beispiel reduzieren wir die Türöffnungszeiten weiter.“