Ölgeruch liegt in der Luft. Maike Schaefer (Grüne) nimmt ihn ganz deutlich wahr. Längst ist das Großtanklager hier am ehemaligen Ölhafen Geschichte. Doch der Betrieb hat auf dem Gelände Spuren hinterlassen. Das Areal ist massiv mit Mineralöl verunreinigt. Daran soll sich etwas ändern.
Bremens Bau- und Klimaschutzsenatorin ist nicht das erste Mal auf dem Gelände. Denn Schaefer befasste sich für ihre Doktorarbeit unter anderem mit der Verunreinigung vor Ort: "Ich habe hier vor etlichen Jahren in Gummistiefeln gestanden und Bodenproben genommen." Die Werte zeigten: Hier muss was getan werden.
Das Unternehmen Strabag will sich nun um die Sanierung des Grundstücks kümmern. Zwei Jahre Zeit wird das kosten. "Es schließt sich für mich ein Kreis", sagte Schaefer am Freitag, als der Startschuss fürs Gesamtprojekt fiel. Als Geschenk brachte die Senatorin den Vertretern von Strabag Lektüre mit: ihre Promotionsarbeit.
Ein Kreis schließt sich – genau darum soll es hier künftig in Endlosschleife gehen. Denn Strabag will auf dem Gelände ein Technologie- und Kreislaufwirtschaftszentrum entwickeln. Bauschutt aus Bremen soll hier wieder zu neuem Asphalt, Beton und Baumaterial aufbereitet werden. Die Stadt selbst wird somit zum Rohstofflager.
Bremen hat das 13,7 Hektar große Grundstück symbolisch für einen Euro an Strabag verkauft. Dabei eingepreist ist der Zustand des verseuchten Areals, in das noch viel Arbeit gesteckt werden muss. Insgesamt wird Strabag rund 23 Millionen Euro ins Projekt investieren. Neben den Aufbereitungsanlagen sind hier auch Büros und Labore geplant. Denn vor Ort soll zum Recycling geforscht werden. Eine Zusammenarbeit unter anderem mit der Hochschule Bremen ist angedacht. Aktuell sind 130 Arbeitsplätze vorgesehen.
Aus Sicht von Schaefer ist das Engagement von Strabag aus vielen Gründen von Bedeutung – zunächst die Sanierung des Geländes. Daran hat sich in der Vergangenheit bereits ein Unternehmen versucht. Die Sache ging aber schief. Zuständig für den neuen Anlauf ist jetzt die Strabag Umwelttechnik GmbH, die auf die Altlastensanierung und das Flächenrecycling spezialisiert ist. "Wir freuen uns wahnsinnig", sagte Schaefer, "dass nach 32 Jahren auf einer Brache eine Revitalisierung stattfindet mit einer großen Boden- und Grundwassersanierung."
Immerhin müssen 700.000 Tonnen Boden auf dem Grundstück saniert werden. Und eine Kampfmittelsuche steht aus. Die Aufgabe sei herausfordernd, sagte der Geschäftsführer der Strabag Umwelttechnik Dirk Brozio. "Gleichzeitig sind wir sehr gespannt, welche Überraschungen wir an dem Standort finden werden."
Die Bausenatorin überzeugt dabei zudem der nachhaltige Ansatz, Materialien ein zweites Leben zu schenken. Die Vertreter von Strabag wiesen am Freitag selbst aufs Gesamtbild hin: Im Moment habe die Baubranche aufgrund der Emissionen weltweit noch einen Riesenanteil an der Erderwärmung. Der Bautechnologiekonzern selbst will bis 2040 entlang der ganzen Wertschöpfungskette klimaneutral werden. Das Zentrum in Bremen, das bei der Gewinnung der sogenannten Sekundärrohstoffe hilft, ist ein Baustein dazu.
Das Leuchtturmprojekt hat fürs Unternehmen Strahlkraft "weit über Bremen hinaus". In Europa will der Konzern weitere Kreislaufwirtschaftszentren errichten. "Wir als Strabag möchten einen großen Anteil daran leisten, die Bauindustrie neu zu erfinden", sagt der Unternehmensbereichsleiter von Strabag Moritz Freyborn. "Wir hoffen, die ganze Branche zu motivieren." Um nachhaltiger zu werden, habe man bereits viel investiert. Es brauche angesichts des Klimawandels neue Technologien und Ideen. Freyborn betonte zugleich: "Klimaneutralität und Nachhaltigkeit gibt es aber nicht umsonst. Der Markt muss es auch wollen." Der Manager richtete seine Botschaft an Auftraggeber und Investoren, aber auch an den Gesetzgeber. Andere Länder seien schon etwas weiter als Deutschland.
Dirk Brozio wies ebenfalls auf den bisher niedrigen Recyclinganteil bei den Baumaterialien hin. Hier brauche es "schnelle und nachhaltige Veränderungen". Maike Schaefer kann sich dabei eine Quote für den Einsatz von wiederverwendetem Material beim Bau, die es in den Niederlanden schon gebe, gut vorstellen. "Absolut", sagt sie. "Bisher sind wir immer vom guten Willen abhängig." Genug Expertise gebe es aber inzwischen. Darum sei der Punkt erreicht, wo es gut vorstellbar sei, gesetzlich etwas zu verankern. Moritz Freyborn teilt die Einschätzung zum Einsatz von Recyclingmaterial: "Wenn es nicht gesetzlich vorgegeben ist, wird der Auftraggeber es in einer Ausschreibung nicht einfordern."
In Bremen beschäftigt sich ein Arbeitskreis mit dem Recycling in der Baubranche. Wie lässt sich eine Qualität der Sekundärbaustoffe schaffen? Wie Akzeptanz? Und wo braucht es vielleicht auch neue Regularien für den Einsatz? Diese Fragen schauen sich die Experten an.
Bevor es am Ölhafen konkret wird, muss zunächst aufgeräumt werden. Bagger von Strabag stehen neben den Bauschutthügeln und Ruinen bereit.