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Made in Bremen: Tales of Terroir Ein Bremer ist Herr über die Weine der Welt

Der Bremer Philipp Bode hat als Manager für Hotels und Gastronomie die Welt bereist. Die Pandemie verhinderte ein Engagement in Thailand. Stattdessen verkauft er nun Weine aus aller Welt in seinem Onlineshop.
14.02.2021, 05:00 Uhr
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Von Anke Velten

Philipp Bode hat noch drei Koffer in Bangkok. Geparkt in der Wohnung eines Freundes, als Zwischenstation vor der nächsten spannenden beruflichen Herausforderung, während ihr Besitzer den Jahreswechsel 2019/20 in der Heimat verbrachte. Doch dann kam etwas dazwischen, womit keiner rechnen konnte.

Wegen des neuen Virus machte Thailand seine Grenzen schon früh dicht, der Traumjob im Touristenparadies Phuket rückte in unerreichbare Ferne, und der so Gestrandete musste sich Gedanken machen, wie es nun weitergehen könnte. Er beschloss, in Eigenregie das zu machen, was er am besten kann – guten Wein gut verkaufen. Im Oktober des vergangenen Jahres wurden die „Tales of Terroir“ gegründet. Bodes Ziel ist es, Privatleute überall, und speziell die Gastronomen der Region, auf den Geschmack seiner naturbelassenen Weine, genannt „Artisan Wines“, zu bringen.

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Im Sortiment des Onlineshops findet sich eine handverlesene Auswahl an Weinen kleiner Weingüter. Im Internet und persönlich teilt Bode seine Weine mit ansteckender Begeisterung: Neben den anregenden Produktbeschreibungen geht es vor allem um die Geschichten der Menschen und Orte, die hinter den Weinen stecken.

Weine mit Geschichte

Da sind zum Beispiel das britisch-elsässische Winzerpaar Imogen Berry und Robby Althoff, das auf dem Landgut Le Quai à Raisins nahe Montpellier Bio-Weine in kleinsten Mengen produziert. Oder der junge Winzer Filippo Ayunta, der ein uraltes Weingut am Nordhang des Ätna übernahm, und mit ihm Rebstöcke, die dort zum Teil bereits seit 300 Jahren stehen. Im Weingut Vigneti Tardis entlocken der Londoner Sommelier Jack Lewens und der Winzer Bruno de Conciliis dem kargen Boden Kampaniens Weine aus heimischen Rebsorten – und schaffen Arbeitsplätze in einem der ärmsten Flecken des Landes.

Gemeinsam ist allen, dass sie nach selbst auferlegten Regeln arbeiten, die die Anforderungen der gängigen Bio-Zertifikate meist deutlich übertreffen, erklärt Bode: Sie halten ihre Rebstöcke chemiefrei gesund, lesen ihre Trauben von Hand, verwenden natürliche Hefen und verzichten auf gängige Zusätze und künstliche Manipulationen. Das Ergebnis sind Weine von purem, authentischem, lokaltypischem Geschmack. Natürlich lecker, sagt er: „Echte Naturweine.“

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Die Bezeichnung ist nicht gesetzlich definiert oder gar geschützt, und nicht allenthalben ein Begriff. In Metropolen wie London, Paris, New York, Tokio und auch Berlin wisse man schon lange, was es damit auf sich habe, sagt Bode. „Vor allem in der modernen Gastroszene haben Naturweine inzwischen ihren festen Platz – nicht nur im Bereich Fine Dining, sondern überall, wo gute, frische Küche serviert wird“, erklärt er.

Die Motivation der „Fundis“ der Weinbranche sei im Grunde dieselbe, die in den vergangenen Jahren auch viele kleine Kaffeeröstereien, Craft-Bier-Manufakturen und solidarische Landwirtschaftsprojekte hervorbrachte: Es ist der Wunsch, der zunehmenden Industrialisierung und Massenproduktion eine menschliche Dimension und einen nachhaltigen Ansatz entgegenzusetzen. Vergleichbar ist daher auch die Zielgruppe: Es sind Konsumenten, denen solche Werte wichtig sind. Als eine der Leitfiguren der Bewegung gilt die vielfach ausgezeichnete Weinexpertin und Autorin Isabelle Louberon, die seit 2012 die internationale Naturwein-Community bei der unabhängigen Weinmesse „Raw Wine“ zusammenbringt. Und Philipp Bode war fast von Anfang an hautnah dabei.

Unterstützung beim Weinimport

Nach seiner kaufmännischen Ausbildung bei einem Getränkegroßhändler bei Bremen und einem Studium der Freizeitwissenschaft verantwortete er zunächst die Markteinführung eines Hotels in Laos. Dort machte er Bekanntschaft mit einem ansässigen italienischen Gastronomen, der sich Unterstützung beim Weinimport wünschte. „Da hat es bei mir Klick gemacht“, sagt Bode. Es folgten eine weinspezifische Ausbildung beim Wine and Spirits Education Trust in Hongkong und London und die Mitarbeit in einer angesagten Boutique für sogenannte "Fine Wine & Spirits" im Londoner Nobelviertel Mayfair.

Von dort aus ging es weiter nach Kambodscha in leitender Funktion beim größten Lebensmittelimporteur des Landes. Persönlich betreute der Getränkefachmann die anspruchsvolle Kundschaft aus Luxus-Hotellerie und Sternegastronomie – darunter die legendäre „Elephant Bar“ in Phnom Penh. Weil er die Weine aus dem Anbaugebiet Saint-Émilion in Asien so gut verkaufte, wurde ihm im vergangenen Jahr eine besondere Ehre zuteil: Mit einem feierlichen Ritual wurde Bode in den Kreis der Jurade de Saint-Émilion aufgenommen und darf sich Botschafter der ältesten Weinbruderschaft der Welt nennen.

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Und nun, 39-jährig, ist das Elternhaus in einer kleinen Hastedter Wohnstraße zumindest übergangsweise Wohnort und Arbeitsplatz. Hier hat er, mit Unterstützung der Bremer Starthaus-Initiative, seine Selbstständigkeit geplant, sein Konzept entwickelt, den Onlineshop und ein Netzwerk aufgebaut. Viel Platz braucht es nicht: Lager und Versand der Bestellungen hat er einem Weindienstleister in Frankfurt am Main übertragen. Weinproben werden zurzeit online durchgeführt. Vorteil: Die Winzer können mit dabei sein, ohne Flugtickets zu buchen.

Bleibt die Frage: Braucht Bremen, das – so sagt er selbst – über eine ganze Reihe „fantastischer“ traditionsreicher und junger Weinhandlungen verfügt, unbedingt eine neue? Philipp Bode ist sich sicher: Vor allem was die Weinkarten in der Gastronomie anbelangt „ist noch Luft nach oben“.

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Zur Sache

Online-Weinhandel wächst stark an

Für die Weinbranche war 2020 ein gutes Jahr. Gemäß der Statistik des Deutschen Weininstituts tranken die Deutschen durchschnittlich 20,7 Liter Wein, und damit pro Person 0,6 Liter mehr als im Vorjahr. Der Absatzanteil des Online-Handels ging in diesem Zeitraum geradezu „durch die Decke“, meldete im Januar die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Die Daten besagen, dass neun Prozent aller Weinkäufe über das Internet getätigt wurden – ein Zuwachs von 71 Prozent. Zudem habe Corona den Trend zur „Premiumisierung“ verstärkt, so die Marktforscher. Aufgrund der wachsenden Ausgabebereitschaft der Konsumenten habe vor allem das Segment ab fünf Euro profitiert, und vor allem Online-Kunden seien bereit, für guten Wein gutes Geld zu bezahlen. Bremer Weinhändler können beide Trends bestätigen.

Es lasse sich wohl generell sagen, dass Menschen, die Weine online kaufen, „eher hochwertige Weine kaufen“, sagt Luca Lobenberg, Geschäftsführer des Premium-Weinhandels Lobenbergs Gute Weine. Im vergangenen Jahr sei das Bestellvolumen unter den Bestandskunden um rund 20 Prozent gestiegen, außerdem habe das Unternehmen rund 50 Prozent mehr Neukunden als im Vorjahr gewonnen. Die Nachfrage unter den Privatkunden habe auch im neuen Jahr nicht nachgelassen. Dramatisch leide dagegen das Geschäft mit der Gastronomie, das im Vergleich zum Vorjahr um 75 Prozent eingebrochen sei.

Das Bremer Traditionshaus Ludwig von Kapff verzeichnete hundert Prozent Zuwachs: Seit Mitte März des vergangenen Jahres habe sich der Umsatz über den Onlineshop fast verdoppelt, sagt Geschäftsleiter Lars Kaniok. Allerdings sei auch der Verkauf in den durchgängig geöffneten Filialen im zweistelligen Prozentbereich gewachsen, weil der Weingenuss durch den fortwährenden Lockdown von der Gastronomie ins Zuhause verlegt wurde. Daran habe sich bislang auch nichts geändert, so Kaniok: Die Nachfrage sei „weiterhin hoch“.

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