Es dauert nicht lange, dann hat Jerome Böker den ersten Ferrari für 100.000 Euro in der Werkshalle stehen. Seit ein paar Monaten erst betreibt er zu diesem Zeitpunkt seinen Autohandel. Hat angefangen mit zwei Porsches, einem Cayman für 50.000 Euro und einem Cayenne für 35.000 Euro. Schnell wird er die beiden Autos los, verkauft sie mit Gewinn weiter.
Aber jetzt steht dieser Ferrari schon fünf Tage bei ihm, und kein Interessent, der sich meldet. Auch nicht am sechsten Tag. Und nicht am siebten, achten, neunten und zehnten. „Da bin ich echt nervös geworden“, sagt Böker. 100.000 Euro hat er investiert, und jetzt soll er auf dem Ferrari sitzen bleiben? Noch einen Tag länger muss Böker warten, dann, endlich, am zwölften Tag meldet sich ein Kunde. Und tatsächlich wird man sich schnell einig.
Gut eineinhalb Jahre ist das jetzt her. Der Ferrari ist Bökers erstes Auto, das er für über 100.000 Euro verkauft. Der Geschäftsabschluss, sagt er, habe ihm damals die Gewissheit gegeben, dass seine Idee, mit exklusiven Sportwagen zu handeln, aufgehen werde.
Investitionen in sechsstelliger Höhe bereiten dem Jungunternehmer inzwischen keine schlaflosen Nächte mehr. Vor wenigen Wochen erst hat er einen Porsche 911 GT2 RS an einen Kunden aus Luxemburg verkauft, limitierte Auflage. 700 PS, 340 km/h Spitzengeschwindigkeit, von 0 auf 100 in 2,8 Sekunden. Preis: 350.000 Euro. „Es ist verrückt.“ Diesen Satz sagt Böker im Gespräch mehr als ein Mal.
Ortstermin an der Harpsteder Straße in Stuhr. Hier hat Böker vor zwei Jahren sein Geschäft eröffnet. Neben dem Rolltor verrät ein kleines Schild, dass JB Motors hier zu Hause ist. Es ist eine kleine Werkshalle, gerade groß genug, um vielleicht sieben oder acht Autos zu parken. Böker, 28 Jahre alt, sitzt in seinem Büro, es ist bescheiden, aber einladend eingerichtet. Hinter dem Schreibtisch hängt ein gerahmtes Bild von einem Porsche, in der gemütlichen Sitzecke steht Wasser für Gäste bereit, Kaffee gibt es auf Wunsch auch. Böker selbst braucht für seinen Job nicht viel mehr als Laptop und Smartphone.
Die Stars stehen vorne in der Halle, heute sind es ein Rolls Royce, ein Porsche und zwei Ferraris, seinen eigenen nicht mitgezählt. Böker hält den Bestand überschaubar. Sein Geschäft ist kapitalintensiv, der Durchlauf hoch. 70 Autos hat Böker nach eigener Aussage 2020 verkauft, darunter mehrere Ferraris, drei davon für jeweils über 200.000 Euro. Wer kauft solche Autos?
Böker schmunzelt. Er hört Fragen nach seinen Kunden oft. Böker macht kein Geheimnis daraus, schließlich weiß doch jeder, dass es Menschen mit Geld gibt, mit ganz viel Geld, die sich für Autos interessieren. Die Namen seiner Kunden verrät er selbstverständlich nicht, Diskretion gehört zu seinem Beruf dazu. Aber ein bisschen was darf er erzählen. Zum Beispiel, dass vor einiger Zeit ein junger Mann, 21 erst, einen Rolls Royce bei ihm gekauft habe. Sein ältester Kunde sei über 80 gewesen und habe ein Ferrari-Cabrio gesucht. Auch Fußballprofis gehören zu Bökers Kunden.
Jung und alt, reich und megareich, prominent oder „eher unter dem Radar“, wie Böker es ausdrückt, „ich glaube, dass ich mit allen Menschen gut kann.“ Er erkenne inzwischen sehr schnell, wie ernst es einem Kunden mit seiner Suche nach dem Traumauto sei. Oder ob derjenige nur auf eine Probefahrt mit einem schnellen Auto scharf ist, um danach Freunden stolz von dem coolen Erlebnis erzählen zu können. Termine macht Böker grundsätzlich nur nach telefonischer Vereinbarung.
Böker sagt über sich selbst, dass er sehr unkompliziert sei, offen und neugierig. Er trägt T-Shirt und Turnschuhe. Wer in einem gediegenen Ambiente von einem Anzugträger beraten werden möchte, der muss eines der exklusiven Verkaufszentren der großen Hersteller besuchen.
Böker hat es innerhalb von knapp zwei Jahren geschafft, sich einen Namen in der Szene zu machen. Die teuren Autos zu verkaufen, sagt er, sei inzwischen nicht mehr das große Problem. Interessante Objekte zu finden, das sei die eigentliche Herausforderung. Deshalb ist Böker viel unterwegs, arbeitet 24/7, wie er sagt, „ich habe immer Autos im Kopf“.
Das war schon so, als Böker noch ein kleiner Junge war. Er wird in bescheidenen Verhältnissen groß. Fängt an mit Motocross, als ihm sein Vater mit acht ein Kindermotorrad schenkt. Als Teenager gibt es für ihn nur Motorsport. Gemeinsam mit einem Kumpel fährt er Wochenende für Wochenende im Wohnmobil durchs Land, von einer Piste zur anderen, von einem Rennen zum nächsten. „Motocross war der Mittelpunkt unseres Lebens“, sagt er, „verrückt“ auch das. Wenn andere sich zum Feiern getroffen hätten, habe er geschraubt. Wenn andere in den Urlaub gefahren seien, habe er gejobbt.
Nach dem Abitur beginnt er ein Studium, Wirtschaftsingenieurswesen in Bremen. Er wohnt zu Hause, das spart Geld. Er arbeitet in der Nachbarschaft, als Schrauber für das Autohaus T+R. Es dauert nicht lange, und er ist häufiger in der Werkstatt als im Hörsaal. Das verdiente Geld legt er für seinen Traum zur Seite: einen Porsche. Tatsächlich schafft er es, sich einen zu kaufen.
Zu der Zeit ist Böker noch Student. Und zu der Zeit, sagt er, habe er auch gemerkt, dass er nach dem Abschluss des Studiums sein „eigenes Ding“ machen möchte. Als er sich einen Pick-up für 2500 Euro kauft, 500 Euro in das Auto investiert und es wenig später für 6000 Euro weiterverkauft, sei das die Initialzündung gewesen, sagt er. „Das kann ein Business sein, habe ich mir gedacht.“
Inzwischen laufen die Geschäfte so gut, dass er demnächst ein eigenes Autohaus bauen wird. Außerdem plant er mit einem Partner ein Gewerbezentrum. In der Werkstatt packt er heute nur noch selten an, dafür hat er einen Mitarbeiter.
An diesem Vormittag bastelt der Mann an einem ganz besonderen Stück. Aufgebockt in der Ecke steht die Rohkarosse eines De Tomaso Pantera. Böker hat den Sportwagen, der bis 1993 gebaut wurde, in Schweden gekauft. Zerlegt in seine Einzelteile habe der Flitzer dort jahrelang auf einem Dachboden gelegen. Wieder zu Hause in Stuhr hätten sie die Teile zusammengesetzt, eine Probefahrt gemacht und festgestellt, dass das gute Stück noch prima laufe. Danach haben sie den Wagen wieder auseinandergebaut. Jetzt wird er Teil für Teil restauriert, „ein Langzeit-Projekt“, sagt Böker. Seit zwei Jahren arbeiten sie schon daran, aber Böker hat keine Eile. Wenn er eines gelernt hat mit der Zeit, dann, dass er für so ein schönes Stück auch in ein paar Jahren noch einen Interessenten finden wird.