Höchsttemperaturen im Norden – sie fordern auch die Arbeitnehmer auf Baustellen, dem Lager, in den Büros, in Werkstätten und der Produktion. Der Sommer bringt mit den heißen vergangenen Tagen gezwungenermaßen ein wenig Entschleunigung. Im Werk von Mercedes gibt es seit dieser Woche Zusatzpausen in allen Schichten, um Entlastung für die Autobauer zu schaffen.
Klimaanlagen gibt es in den Werksanlagen nicht. "In den Hallen ist es warm – da fällt die Arbeit schon nicht leicht. Da sind erschwerte Bedingungen", sagt der Betriebsratsvorsitzende des Standorts, Michael Peters. Selbst wenn die Produktivität deshalb geringer ist, sei das die richtige Entscheidung.
"Die Kollegen können nach der Pause konzentrierter weiterarbeiten. Sonst wären mehr Nachbesserungen an den Autos nötig." Das Band läuft derweil nicht in langsamerer Geschwindigkeit. Weil die Prozesse aufeinander abgestimmt sind, wäre es zu kompliziert, daran etwas zu verändern. Neben den Pausen gibt es für die Belegschaft wie das ganze Jahr über ausreichend Wasser.
Heiß ist es auf der Bremer Stahlhütte von Arcelor Mittal. "Das sind schon extreme Wetterlagen", sagt Unternehmenssprecherin Marion Müller-Achterberg. Genügend kostenlose Flüssigkeit – darauf setzt man auch hier. Für die Mitarbeiter des Werks stellt das Unternehmen derzeit sehr viel Wasser zur Verfügung. "Außerdem legen die Kollegen ebenfalls häufiger Pausen ein, um den Arbeitsalltag zu bewältigen."
Die Pausenräume seien zudem klimatisiert oder mit Lüftern ausgestattet. In bestimmten Bereichen sei die Wärme vom Hochofen wahrnehmbar – der Stahl wird immerhin bei 1400 Grad gekocht. Direkt ausgesetzt ist dieser Hitze natürlich niemand. Dennoch: "Die Kollegen müssen gerade tatsächlich aufeinander Acht geben. Denn es ist schon nonstop heiß", sagt Müller-Achterberg.
Die Unternehmenssprecherin will sich deshalb über ihren Arbeitsplatz nicht beklagen: "Ich möchte nicht jammern. Ich sitze im Büro." Trotz der Temperaturen gibt es keine Kulanz bei der Kleidung für die Stahlkocher: "Der Arbeitsschutz ist das A und O." Die Schutzkleidung samt Arbeitsschuhen anbehalten müssen die Mitarbeiter von Mercedes ebenfalls. Oberkörperfrei dürften sie nicht ans Band, sagt Betriebsrat Peters: "In bestimmten Bereichen sind auch Handschuhe notwendig."
"Wir sind weg von der Anzugpflicht"
Anders ist das im Büro der AOK Bremen. "Die Mitarbeiter können sich bei diesem Wetter ganz leger kleiden. Es muss kein Anzug, keine Krawatte und kein langes Hemd sein. Wir müssen nur aufpassen, dass das nicht ausartet", sagt Jens Rosenbrock, Direktor im Stabsbereich des Vorstands. Wenn ein Kollege ihm auf dem Flur in Flipflops oder zerrissenen Jeans entgegenkäme, wäre das doch zu viel. "Da frage ich dann schon, ob derjenige einen Tag Urlaub eingereicht hat."
Freizeithose und T-Shirt seien aber in Ordnung. Tatsächlich kann ein Unternehmen rechtlich auf Einhaltung einer Kleiderordnung bestehen. Gibt es dagegen nur Empfehlungen für den Dresscode, sind diese juristisch nicht bindend. Die AOK hat sich allerdings sowieso schon umgestellt. "Wir sind weg von der Anzugpflicht", sagt Rosenbrock.
Nur bei bestimmten offiziellen Terminen müsse der Anzug mit Schlips noch sein. Insgesamt sei das ein Trend. "Im Moment kommt aber keiner im Anzug." Zum Beispiel in Bremer IT-Unternehmen dürfen Entwickler derweil tatsächlich auch Flipflops tragen. Weitere Abkühlung für die AOK-Mitarbeiter kommt an diesem Freitag: Dann soll es kostenloses Wasser für alle geben. Klimaanlagen gibt es im Bürohochhaus nicht.
Gegen eine Klimaanlage habe sich die Krankenkasse in der Vergangenheit schon bewusst entschieden. Das sei aus Umweltgründen geschehen, und weil sie nur selten nötig wäre. Überhaupt, sagt Rosenbrock: "Unser Vorteil ist, dass wir nur geistig arbeiten." Anders sei die Situation sicher für Mitarbeiter im Straßenbau oder der Küche.
Wenn das Thermometer am Arbeitsplatz 30 Grad anzeigt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, etwas für die Kühlung zu tun: die Arbeitszeiten oder Kleiderordnung lockern oder Getränke bereitstellen. Schon ab 26 Grad sollte er aber reagieren, um seine Mitarbeiter zu schützen. Hitzefrei in der Wirtschaft gibt es allerdings erst, wenn in einem Raum mehr als 35 Grad herrschen.
Heiße Temperaturen, viel Sonne – der Windkraftbranche kann das aktuelle Wetter zunächst recht sein. Allerdings bringt der Sommer nicht genug Wind. "Wegen der anhaltenden Hochdrucklagen haben wir weniger Wind. Das schlägt sich bei der Stromerzeugung nieder", sagt Rainer Heinsohn, Unternehmenssprecher des Windkraftentwicklers PNE in Cuxhaven. Nach einem sehr positiven Frühjahr erlebe man nun einen Dämpfer. "Das müssen wir hinnehmen." Die Hitze sei für die Windkraftanlagen kein Problem. PNE betreut insgesamt rund 900 Windkrafträder.
Herr über die Hitze
Eis Ecki erlebt dagegen den Sommer seines Lebens. Der Eiswürfelhersteller aus Schwanewede Eckhard Ahrens hoffte in den vergangenen Jahre stets auf mehr Absatz. Allerdings gab es nur Flauten: "Wir mussten sogar Maschinen zeitweise abstellen. Wir wussten gar nicht, wohin mit dem Eis." Doch in diesen Tagen hat sein Geschäft Hochkonjunktur. Das bedeutet viel Arbeit: Im Umkreis von 75 Kilometern beliefert Ahrens mit seinen Mitarbeitern Kunden – auch in Bremen.
Immer wieder springt er zwischen den Temperaturen: Im Wagen kühlen die Eiswürfel bei minus 18 Grad, die Mitarbeiter im Lager haben sechs Grad. Nur am Steuer seines Transporters ist Ahrens Herr über die Hitze: "Ich weiß gar nicht, was die Menschen früher ohne Klimaanlage gemacht haben. Die Hitze ist für alle kein Geschenk." Eine Siesta kann sich Ahrens jetzt nicht erlauben. Das stört ihn nicht: "Von diesem Sommer haben wir geträumt." Und die Kunden seien nun besonders glücklich, wenn die kalte Ware kommt.