Wo Mercedes draufsteht, ist nicht immer Mercedes drin. Welches Ausmaß Produktfälschungen haben müssen, dafür geben Zahlen für das vergangene Jahr einen Eindruck. Nach Angaben des Autoherstellers sind 2020 mehr als 1,7 Millionen gefälschte Produkte beschlagnahmt worden, die vortäuschten, von Daimler zu sein. Zunehmend wurden Nachahmungen dabei in der Zeit der Pandemie über den Onlinehandel vertrieben. Daimler hat seine Maßnahmen gegen Fälschungen im Netz darum ausgebaut.
Die Bandbreite der Fälschungen ist nach Angaben einer Sprecherin groß. Gefälschte Sterne, Windschutzscheiben, ganze Kühlergrills, Räder oder Verschleißteile wie Bremsbeläge und Filter werden entdeckt. "Teilweise finden wir auch Produkte mit unserem Markenlogo, die von uns gar nicht produziert werden. Das ist auch illegal, und dagegen gehen wir ebenfalls vor."
Bei der Aufdeckung unterstützt auch der Zoll in Bremen das Unternehmen. Zwar arbeite man mit allen wichtigen Zollstellen in Deutschland eng zusammen, teilt die Sprecherin mit. Bremen und Bremerhaven nähmen als Umschlagplätze dabei aber einen besonderen Stellenwert ein: "Zahlreiche Aufgriffe und Beschlagnahmen von Fälschungen unserer Produkte gehen deshalb auf das Hauptzollamt Bremen und das Zollamt Bremerhaven zurück."
Viele Fälschungen entdeckten nur Experten als solche, weil die Nachahmungen sich äußerlich kaum vom Original unterscheiden ließen. "Das macht die Fälschungen noch gefährlicher. Die mangelhafte Qualität zeigt sich dann beispielsweise in Belastungstests oder bei Material-Analysen." In der Mitteilung von Daimler heißt es darum: "Produktfälschungen sind nicht nur illegal, sie gefährden auch die Sicherheit und Gesundheit von Autofahrern und anderen Verkehrsteilnehmern."
Das Unternehmen ist demnach zunehmend gegen Produktpiraterie vorgegangen. Vor allem sicherheitsrelevante Produkte wie gefälschte Bremsscheiben oder Räder standen dabei im Vordergrund. "Wir haben über 550 Razzien initiiert und begleitet. Das ist eine leichte Steigerung im Vergleich zum Vorjahr – trotz der Herausforderungen durch die Pandemie", kommentiert Florian Adt, der für das geistige Eigentum von Daimler zuständig ist, die Zahlen. Weltweite Lockdowns wegen Corona hätten viele Razzien ausgebremst.
Ob die Rechte Dritter verletzt werden? Das werde bei der Prüfung von Zollanmeldungen und bei Warenkontrollen immer untersucht, erklärt der Sprecher des Hauptzollamts Bremen. Marken- und Produktpiraterie behinderten den freien Warenverkehr und die Bildung neuer Arbeitsplätze. "Häufig sind nachgemachte und gefälschte Waren auch von minderer Qualität und können für den Endverbraucher, insbesondere bei Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, eine große Gefahr darstellen."
Daimler warnt ebenfalls – auch vor den Herstellungsbedingungen der Artikel. "In vielen Fällen lassen organisierte Fälscher ihre Ware unter menschenunwürdigen Bedingungen ohne Rücksicht auf Umweltstandards, Arbeitsschutz oder Menschenrechte produzieren", heißt es in der Mitteilung. Produktpiraten gingen häufig mit hoher krimineller Energie ans Werk. Die Margen seien oft höher als beim Drogenhandel, weist das Unternehmen auf eine Studie des Wirtschaftsverbands Unifab hin.
Die Markenschützer von Daimler sind vernetzt mit Zoll- und Strafverfolgungsbehörden. Gibt es merkwürdige Angebote, werden diese unter die Lupe genommen, um Fälschern auf die Schliche zu kommen. Reagiert wird mit Razzien, um die Strukturen der Produktpiraterie zu zerschlagen. Daneben gibt es laut Daimler Klagen auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz.
Wenn es bereits zu spät ist, die gefälschten Ersatzteile schon verwendet werden, dann kann es passieren, dass Daimler für Mängel verantwortlich gemacht wird: Kunden beschweren sich wegen der Falschware beim Unternehmen. Offenbar sind die Verbraucher völlig überzeugt, Originalware gekauft zu haben. So kommt das Unternehmen aber auch an Hinweise zu Produktfälschungen, die sich im Umlauf befinden.
In der Jahresbilanz konstatiert das Hauptzollamt Bremen, dass wegen Corona die Fallzahlen 2020 bei Delikten der Produktpiraterie geringer als in den Vorjahren ausgefallen seien. Dennoch zeigten sie, "dass die Fälscher ohne Nachlass produzieren und deshalb alle Anstrengungen zum Schutz gegen diese Form der Wirtschaftskriminalität weiter auf hohem Niveau vorangetrieben werden müssen". Wie auch sonst seien hochpreisige Markenwaren beliebte Fälschungsobjekte – besonders Uhren, Schmuck, Brillen oder Taschen.