Die guten Nachrichten zuerst: In der Metall- und Elektroindustrie konnten betriebsbedingte Kündigungen in Bremen im Juni vermieden werden. Und in Niedersachsen ist die Kapazitätsauslastung gegenwärtig mit 73 Prozent hinter Schleswig-Holstein (80 Prozent) der zweitbeste Wert unter den fünf norddeutschen Bundesländern. Das geht aus einer Umfrage hervor, die die Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV Nord bei ihren Mitgliedsunternehmen der Metall- und Elektroindustrie gemacht haben, um die Entwicklung drei Monate nach Beginn der Corona-Krise zu erfassen.
Die schlechte Nachricht für Bremen: Mit 63 Prozent bleibt die Kapazitätsauslastung die schwächste im Norden. Allerdings hat sich dieser Wert im Vergleich zum Vormonat in Bremen laut der Arbeitgeberverbände-Umfrage, die dem WESER-KURIER exklusiv vorliegt, um acht Prozentpunkte verbessert. Und in diesen Branchen kann es nur noch bergauf gehen. Denn die Auto- und Luftfahrtindustrie sowie der Schiffbau in der Hansestadt hätten offenbar die Talsohle der Krise erreicht, sagt Lutz Oelsner, Nordmetall-Vizepräsident aus Bremen. „Erste Anzeichen dafür sind die wieder leicht ansteigende Kapazitätsauslastung oder das Ausbleiben betriebsbedingter Kündigungen." Geantwortet hatten Geschäftsführer von zehn Betrieben mit etwa 5000 Mitarbeitern.
Bremen besonders betroffen
„Bremen ist von den Folgen der Corona-Pandemie in besonderem Maße betroffen", sagt Oelsner. In den vergangenen zwei Monaten wurden gerade die Autoproduktion und der Flugzeugbau enorm zurückgefahren beziehungsweise teilweise ganz gestoppt – zwei Segmente, in denen es in Bremen verhältnismäßig mehr Beschäftigte gibt als in den anderen Nordländern. Die Luftfahrtindustrie wird in der Umfrage als "Sorgenkind" bezeichnet: 57 Prozent der Unternehmen wollen demnach die Zahl der Beschäftigten in den nächsten drei Monaten verringern – das ist der Spitzenwert. Im Segment "Straßenfahrzeugbau" sind es 20 Prozent.
40 Prozent der Unternehmen benötigen Kurzarbeit zum Überleben, 17 Prozent planen sie. 56 Prozent der Unternehmen können ihre Auszubildenden ganz oder teilweise übernehmen. „Jetzt müssen wir alles dafür tun, um Auftragslage und Weltmarktposition der bremischen Industrie zu stärken“, sagt Oelsner. „Nur so kann verhindert werden, dass an der Weser aus Kurzarbeitern im schlechtesten Fall Arbeitslose werden.“ Auf der anderen Seite steht Bremen aber im Vergleich gut da: Nur zehn Prozent der Unternehmen wollen die Zahl der Beschäftigten in den nächsten drei Monaten verringern. In Niedersachsen sind es dagegen 21 Prozent und in Hamburg 18 Prozent.
Spitzenreiter ist Mecklenburg-Vorpommern mit 38 Prozent. „Dieser geringe Wert liegt vor allem daran, dass es in Bremen ein paar große Player gibt, die davon ausgehen, dass die Produktion in den nächsten Monaten wieder hochgefahren wird und Zahlen von vor der Corona-Krise erreicht“, sagt Alexander Luckow, Sprecher der beiden Arbeitgeberverbände. Dafür gebe es deutliche Anzeichen. Ob das auch für den zivilen Flugzeugbau bei Airbus in Bremen gilt, der sehr stark von internationaler Nachfrage abhängig ist, ließ der Sprecher unbeantwortet. Klar ist aber, dass auch die anderen Airbus-Standorte in Hamburg und Stade betroffen wären, unabhängig davon, in welche Richtung sich die Nachfrage entwickelt.
Von allen Bereichen der Metall- und Elektroindustrie zusammengenommen erwarten 30 Prozent der Betriebe in Bremen eine Rückkehr zur starken Produktionsauslastung aus Vor-Corona-Zeiten bis zum Jahresende, zehn Prozent erst bis Mitte 2021. Der Rest vermag dies nicht abzuschätzen. In Niedersachsen liegen die Zahlen auf ähnlichem Niveau. Hamburg ist Schlusslicht in dieser Umfrage-Kategorie: Nur 23 Prozent der Unternehmen glauben daran, dass bis Jahresende Normalität in ihre Produktionsabläufe eingekehrt ist, 27 Prozent, dass das Mitte 2021 erreicht sein wird.
Grundsätzlich müssen aus Sicht der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV Nord weitere Maßnahmen getroffen werden, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern: „Wir werden gemeinsam mit unserem Sozialpartner und der Politik darum ringen, dass nach dem erfolgreichen Instrumentarium der erleichterten Kurzarbeit weitere gute Grundlagen für langfristige Beschäftigungssicherung genutzt oder geschaffen werden“, sagt Oelsner, der bei der Gestra AG Mitglied des Aufsichtsrates ist. „Das könnten beispielsweise flexiblere Arbeitszeiten sein“, so Luckow. Es gebe einige Unternehmen, deren Mitarbeiter vor Corona viele Überstunden aufgebaut hätten. Das sei in dieser Krise ein großer Nachteil. Durch Jahresarbeitszeitkonten wie es sie in anderen Ländern gebe, hätte man nicht so einen Überstundenberg. Das müsse aber von Politik gewollt und von den Gewerkschaften im Hinblick auf die Zukunft mitgetragen werden.
Lob gibt es von Oelsner für Teile des Konjunkturpakets: „Die Initiativen zur Unterstützung der maritimen Wirtschaft sind ein guter erster Schritt auf diesem Weg.“ Allerdings müsse so etwas auf alle notleidenden Branchen und Bundesländer übertragen werden. Vom Konjunkturpaket erwarten die befragten Geschäftsführer der insgesamt 150 Betriebe mit 45 000 Beschäftigten, dass es eher wenig helfen wird, etwa ein Drittel sieht es positiv. Oelsner: Zwar würden Steuersenkungen helfen, vor allem der Konsumgüterindustrie, die exportorientierte Metall- und Elektroindustrie werde aber absehbar kaum profitieren. „Grundsätzliche Strukturreformen wie Verwaltungsvereinfachung, Bürokratieabbau, Investitionsanreize und Innovationsförderung fehlen nach wie vor weitgehend.“ Hilfreich zur Krisenbewältigung könnten auch regionale Zukunftsfonds sein.