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3800 Kilometer an neuen Leitungen werden für die Energiewende in Deutschland gebraucht Milliarden für das Stromnetz

Rund 3800 Kilometer an neuen Stromleitungen werden gebraucht, damit die Energiewende gelingen kann. Die Kosten sind immens: Die Netzbetreiber gehen von weit mehr als 30 Milliarden Euro aus. Wer dafür aufkommen soll, ist noch ungeklärt. Ebenso teuer wird zudem der Ausbau der regionalen Verteilnetze. Vor allem im Norden wächst die Stromkapazität künftig um Tausende von Megawatt.[GRUNDTEXT]
11.06.2012, 13:27 Uhr
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Von Krischan Förster

Rund 3800 Kilometer an neuen Stromleitungen werden gebraucht, damit die Energiewende gelingen kann. Die Kosten sind immens: Die Netzbetreiber gehen von weit mehr als 30 Milliarden Euro aus. Wer dafür aufkommen soll, ist noch ungeklärt. Ebenso teuer wird zudem der Ausbau der regionalen Verteilnetze. Vor allem im Norden wächst die Stromkapazität künftig um Tausende von Megawatt.[GRUNDTEXT]

Bremen. Der scheidende Chef des Energieversorgers EnBW, Hans-Peter Villis, fand drastische Worte: Die Versorgungssicherheit in Deutschland werde durch die schleppende Energiewende gefährdet, sagte er in einem Interview. In Berlin herrsche ein „Dickicht“ verschiedener Kompetenzen, die Branche brauche dagegen einen zentralen Ansprechpartner, am besten einen Energieminister. Werde jetzt nicht schnell gehandelt, so lautet die Botschaft von Villis, „wächst das Risiko von Stromausfällen.“

Ausgerechnet der massenhafte Aufbau von Fotovoltaik-Modulen in den vergangenen Jahren wird zum Problem: Die vielen eher kleinen Anlagen schalten automatisch ab, wenn bei Schwankungen im Stromnetz die Frequenz von 50,2 Megahertz erreicht wird. Im schlimmsten Fall ginge eine Kapazität von 9000 Megawatt schlagartig aus dem Netz, für die es ohne Atomkraftwerke keine ausreichenden Reserven mehr gäbe. Es droht der gefürchtete „Blackout“.

Vier neue Strom-Autobahnen

Als größter Schwachpunkt der Energiewende gelten die Lücken im Stromnetz, dessen Ausbau dem Bedarf seit Jahren hinterherhinkt. 3800 Kilometer an neuen Trassen werden gebraucht, um das Netz künftig nicht zu überfordern. Eine Strecke, weiter als von Bremen bis Kairo. Weitere 4400 Kilometer müssen optimiert werden, um die immer wieder schwankende Einspeisung auffangen zu können. So haben es die vier Übertragungsnetzbetreiber gestern in Berlin vorgerechnet. Kosten: 22 Milliarden Euro. Weitere zwölf Milliarden Euro koste es, die geplanten Offshore-Windparks in der Nordsee anzuschließen.

Abhilfe sollen vor allem vier neue, über mehrere Hundert Kilometer verlaufende Stromautobahnen schaffen. Sie sollen die verbrauchsstarken und vom Atomausstieg besonders betroffenen Regionen im Süden mit dem windreichen Norden verbinden. Diese Leitungen führen von Emden über Nordrhein-Westfalen nach Baden-Württemberg, vom südniedersächsischen Wehrendorf nach Hessen, von Brunsbüttel und Kaltenkirchen (Schleswig-Holstein) nach Baden-Württemberg und Bayern sowie von Sachsen-Anhalt nach Bayern. Weil es darum geht, Windstrom aus dem Norden und vom Meer in den Süden zu leiten, die Trassen also quasi Einbahnstraßen sind, sollen erstmals in Deutschland Gleichstrom-Leitungen gebaut werden. Bei kürzeren Strecken, wie die 60 Kilometer lange und schon seit Jahren geplante Höchstspannungsleitung zwischen St. Hülfe und Ganderkesee ist das ungeeignet – 1700 der 3800 Kilometer werden daher als Wechselstromleitungen geplant.

Bis Ende des Jahres soll der Bundestag dieses Ausbauszenario als Bundesbedarfsplan per Gesetz beschließen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sieht gute Chancen, die Bauzeiten neuer Stromtrassen mithilfe des seit 2011 geltenden Netzausbaubeschleunigungsgesetz von zehn auf vier Jahre reduzieren zu können. Zur Kasse gebeten werden in jedem Fall die Verbraucher – sie vor allem werden die gewaltigen Investitionen und höheren Netzentgelte über den Strompreis bezahlen. In manchen Regionen sogar mehr als anderswo.

Leistungszuwachs im Norden

Strom-Autobahnen allein lösen das Übertragungsproblem noch lange nicht. Auch die vielen regionalen Verteilernetze müssen dringend ausgebaut werden, knapp 900 Betreiber gibt es bundesweit, darunter auch viele Stadtwerke. In der Fläche fehlen für die Energiewende sogar 200000 bis 400000 Kilometer an Leitungen, hatte die Bundesenergieagentur Dena schon vor Jahren ermittelt. Vor allem im Norden wird zudem der Leistungszuwachs besonders groß sein. Rund 80000 Kilometer an Leitungen verwaltet allein das Oldenburger Energieunternehmen EWE, das eine Region versorgt, die sich von Emden bis Hamburg und von den Ostfriesischen Inseln bis nach Haselünne im Süden erstreckt. Mit gut 4000 Megawatt beziffert der Energiekonzern die heute bereits installierte Leistung innerhalb des eigenen Netzes – der Gegenwert zu vier Kernkraftwerken. „Bis 2020 wird sich die Kapazität ungefähr verdoppeln“, sagt Ralf Kuper, Netzplaner bei EWE. Dabei sei die Belastungsgrenze längst erreicht.

Allein im vergangenen Jahr seien 11000 Fotovoltaik-Anlagen neu angeschlossen worden, in diesem Jahr dürften mindestens weitere 9000 folgen. Dazu kämen Biogasanlagen, große Windparks an Land und die Mega-Projekte auf See. EWE ist gesetzlich verpflichtet, den Netzanschluss für jede Anlage herzustellen und den erzeugten Strom komplett einzuspeisen. 35 Millionen Euro hat das Unternehmen bereits in den vergangenen vier Jahren in die Netzverstärkung investiert. Nun werden weitere Leitungen und Umspannstationen gebraucht. „Bis 2020 sind bis zu 120 Millionen Euro nötig“, sagt Kuper. Kosten, die bislang ausschließlich auf die eigenen Kunden abgewälzt werden.

EWE-Netzchef Torsten Maus fordert deshalb eine bundesweit geltende Umlage für den Netzausbau. „Auch Gegenden, in denen nicht so viel Öko-Strom produziert wird, sollten an der Finanzierung beteiligt werden“, sagt Maus. Das Ruhrgebiet zum Beispiel.

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