Es brummt dezent. Im Park Hotel schreiten nämlich die Bauarbeiten weiter voran. Ganz passend ist die Geräuschkulisse für die Veranstaltung des Abends. In Bremens Fünf-Sterne-Haus treffen sich an diesem Donnerstag Politik, Verwaltung und Wirtschaft zur "Nordwestdeutschen Immobiliennacht". Im Zentrum des Abends steht die Frage, wie es gelingen kann, mehr bezahlbaren Wohnraum hervorzubringen. "Dafür müssen wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Darum treffen wir uns hier", betont im Vorfeld Dirk Streicher, Vorstandsvorsitzender des Landesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Niedersachsen/Bremen (BFW), der ins Park Hotel eingeladen hatte. Das Interesse an der Veranstaltung sei groß: „Wir erwarten in diesem Jahr so viele Gäste wie nie." Wegen der jüngsten Angriffe auf Immobilienunternehmen in Bremen wachen vor dem Eingang zur Immobiliennacht in diesem Jahr Sicherheitsmänner.
Drei Gründe macht Dirk Streicher aus, warum das Bauen derzeit schwer ist. Einerseits fehle es an geeigneten Grundstücken – auch in Bremen. Zugleich dauerten die Planungszeiten wegen zunehmender Vorschriften immer länger: „Teilweise länger als die eigene Bauzeit.“ Schon seit Jahren plädiere man dafür, dass es eine Musterbauordnung für alle Bundesländer gebe statt Landesbauordnungen, um die Genehmigungen zu beschleunigen. In den Niederlanden sei das erfolgreich. Außerdem sieht Vorstandschef Streicher in Überlegungen zu einem Mietendeckel oder Enteignungen die Gefahr, dass sich Investoren zurückziehen, ihr Geld nicht im Wohnungsbau anlegen. „Das ist ein politischer Irrweg. Das ist ganz klar“, sagt Dirk Streicher. In Bremen und Niedersachsen fordern Politiker der Linkspartei einen Mietendeckel. Dieser verschärfe aber die Situation auf dem Wohnungsmarkt, weil das Angebot sich dann nicht erhöhe: „Dann ist das Dilemma da.“
Die Politik habe sich lange nicht um die Wohnungswirtschaft gekümmert, sagt Streicher, weil es auch nicht nötig war. Nun wisse sie, was zu tun sein, das müsse nur auch umgesetzt werden: „Wir haben kein Erkenntnisproblem.“ Während seines Vortrags macht Streicher in Richtung Politik gleich zweifach deutlich: „Wir lassen nicht locker.“ Im Publikum sitzen die Bremer Senatsbaudirektorin Iris Reuther und Stefanie Nöthel aus dem Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz in Niedersachsen. Reuther bringt in ihr Grußwort Zahlen ein, um vielleicht auch die „Diskussion zu versachlichen“, wie sie sagt.
Zum Beispiel: 2018 lebten in Bremen 38 Prozent der Bewohner im Eigentum. 75 Prozent der Wohnungen, die nicht gefördert werden, hätten eine Miete von unter 6,50 Euro pro Quadratmeter. Ein Raunen geht an dieser Stelle durch den Saal. Der Wohnungsbau entwickle sich in Bremen dynamisch. 2020 wolle man einen Stadtentwicklungsplan Wohnen in die Beschlusslage bringen. Nöthel weist im Anschluss auf die 400 Millionen Euro hin, die Niedersachsen zusätzlich in die Hand nehme, um den sozialen Wohnungsbau zu fördern.
Niedersachsen ist bei der Digitalisierung der Verfahren weiter als Bremen
Niedersachsen ist laut David Huber, Geschäftsführer des BFW, gerade bei der Digitalisierung der Verfahren schon weiter: „Da hinkt Bremen ganz weit hinterher.“ Das Bremer Bündnis für Wohnen liefere weniger konkrete Ergebnisse als das Nachbarbundesland.
Der Experte Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, schaut sich in seinem Vortrag an, welche Faktoren die Baukosten treiben. Walberg kritisiert zum Abschluss: „Der Wohnungsbau ist viel zu spät wieder auf die Agenda gerufen worden.“
„Wie wohnt Deutschland?“ Eine Studie mit diesem Titel stellt Felix Flemming, Projektleiter für Politik- und Sozialforschung bei Forsa, vor. Eigentümer und Mieter seien größtenteils zufrieden mit ihrer Wohnungssituation, sagt er im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Anders sei ihr Blick auf die Städtepolitik und den Wohnungsbau: Die Menschen nähmen wahr, dass es ein Problem mit steigenden Mieten und Wohnungsnot gebe, selbst wenn sie selbst nicht betroffen seien. In den Metropolen ab 500.000 Einwohnern habe sich dabei bei der Hälfte der Mieter in den vergangenen vier Jahren die Miete erhöht.
Knapp 80 Prozent der Befragten seien mit ihrer Miete dennoch zufrieden. „Aber auch 20 Prozent nicht. Das ist schon eine gewisse Masse“, sagt Flemming. Die Umfrage zeige auch, dass es eine sehr verzerrte Sicht auf den Wohnungsmarkt gebe: „Der Stellenwert der börsennotierten Aktienunternehmen, die Wohnungen und Immobilien haben, wird maßlos überschätzt.“ Das sei auch bedingt durch die Debatte in Berlin, Konzerne zu enteignen, die Schlagzeilen gemacht habe. 65 Prozent der Mieter sagten zwar, dass sie einen privaten Einzeleigentümer als Vermieter hätten, doch nur neun Prozent gaben an, dass die meisten Mietwohnungen von Privatvermietern errichtet werden.