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Mit 63 Jahren Ex-Hellweg-Beschäftigte findet neue Arbeit

Als Elke Eßmann nach dem Aus des Hellweg-Centrums mit 61 Jahren ihre Arbeit verlor, hat sie sich nicht entmutigen lassen. Jetzt hat sie eine neue Arbeit gefunden..
21.10.2022, 18:11 Uhr
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Ex-Hellweg-Beschäftigte findet neue Arbeit
Von Florian Schwiegershausen

Verkaufen und beraten ist ihr Ding. Das hat Elke Eßmann 22 Jahre im Hellweg-Centrum getan, stand mit Rat und Tat der Kundschaft zur Seite, wenn die sich neue Berufskleidung zulegen wollte. Doch vor gut zwei Jahren kam über Nacht das Aus für Hellweg. Der Besitzer hatte das Unternehmen an einen mutmaßlichen Firmenbestatter weitergegeben. Es blieb nur noch der Räumungsverkauf, bei dem sich Eßmann und die Kollegen von ihren Stammkunden verabschieden wollten.

Doch mit 61 Jahren einen neuen Arbeitsplatz finden? Eßmann hat sich nicht unterkriegen lassen, arbeitete einige Monate als Weihnachtsaushilfe, half ehrenamtlich im Kaufhaus der Inneren Mission. Und nun ist sie wieder zurück in einem Geschäft, in dem es um neue Bekleidung geht. Am 1. September hat im Schüsselkorb im ehemaligen Ladengeschäft der Firma Mey "Kaspers Geschmack" eröffnet – unter dem Motto „Outlet mit Herz“. Auf gut 100 Quadratmetern gibt es hier alles vom T-Shirt bis zur Winterjacke für jede Preisklasse. Was Inhaber Michael Kauke dabei wichtig ist: „Auch wenn wir mit Outlet-Preisen werben, sollen die Kunden hier vernünftig begrüßt werden, sie sollen vernünftig beraten werden, wenn sie das wünschen, und sie sollen auch wieder freundlich verabschiedet werden. So wünsche ich mir das, denn an anderer Stelle vermisst man so was."

Umkleidekabine mit Klingelknopf

Und dabei hat Kauke sich für Elke Eßmann als gestandene Mitarbeiterin entschieden sowie für die Kollegin Reyya Balikci und setzt dabei auf ihre Berufserfahrung. Eßmann freut sich und sagt: „Hier fühle ich mich wohl und bin in meinem Element. Und ich habe einen tollen Chef.“ Als sie in der Arbeitsagentur von der offenen Stelle bei Michael Kauke erfuhr, ging sie direkt mit ihrem Lebenslauf zu ihm ins Geschäft und stellte sich vor. Bereits einen Tag später gab er ihr die Zusage.

Man kann es ihr ansehen: Die Motivation stimmt, ihr Chef soll sich auf sie verlassen können. Und Kauke sagt selbst, dass Motivation wichtig sei. So setzt er lieber auf Beschäftigte in Vollzeit als auf Minijobber. Und auch was den Service angeht, möchte er sich etwas absetzen: In den beiden Umkleiden, in denen von der Größe her auch ein kleines Badezimmer inklusive Dusche Platz finden könnte, gibt es einen Klingelknopf. Wenn man den drückt, kommt Elke Eßmann oder ihre Kollegin vorbei und fragt, wie sie behilflich sein kann – wenn Sie nicht eh schon ein Auge auf die Kundschaft hat.

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Für den Sauerländer aus Arnsberg ist es das erste eigene Geschäft. Der zweite Laden soll noch in diesem Jahr in Bad Salzuflen folgen. Dass es Städte mit „B“ am Anfang sind, sei reiner Zufall. Auf keinen Fall wolle er in Berlin ein Geschäft eröffnen. Doch langfristig ist er bundesweit auf der Suche nach Ladenlokalen, wo es von den Bedingungen her passt – und dabei will er eben nicht in die Millionenstädte schauen, sondern eher auf irgendwas in der Größenordnung zwischen Bad Salzuflen und Bremen.

Kauke kommt aus der Textilbranche, war bei namhaften Anbietern auch in leitender Position. Doch er hatte immer im Hinterkopf, dass er irgendwann etwas Eigenes machen wollte. Und er glaubt, dass das jetzt, wo immer mehr Menschen auf ihren Geldbeutel achten müssen, ein guter Zeitpunkt ist mit der Eröffnung seines ersten Outlet-Geschäfts. Vieles von der Ware stammt aus Überhängen.

Lieber nach vorn schauen

Vom Alter her könnte Elke Eßmann fast seine Mutter sein. Über das, was ihr vor zwei Jahren bei Hellweg passiert ist, sagt er: „Das ist krass.“ Aus heutiger Sicht kann man sagen: Im September 2020 verkaufte der Besitzer des Hellweg-Centrums das Unternehmen in einer Nacht- und Nebelaktion an einen Hamburger. Der stellte alle 39 verbliebenen Beschäftigten frei, darunter Elke Eßmann. Freigestellt bedeutete aber nicht gekündigt. Gehalt hatten sie damals schon länger nicht gesehen, Arbeitslosengeld I konnten sie auch nicht beantragen. Erst Ende Oktober kam der Insolvenzantrag. Bei dem Hamburger Unternehmer handelte es sich um einen mutmaßlichen "Firmenbestatter". Sie lassen sich dafür bezahlen, dass sie eine Firma übernehmen und in die Insolvenz führen. Von strafrechtlichen Konsequenzen ist auch zwei Jahre später nichts bekannt. Zusammen mit dem Insolvenzverwalter organisierten die Beschäftigten damals den Räumungsverkauf. Eßmann hat noch heute Kontakt zum Hellweg-Team. So gut wie alle haben auch inzwischen wieder Arbeit gefunden.

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Auch Elke Eßmann will nun nach vorn schauen. Wenn ein Kunde zufrieden mit einer Tüte in der Hand das Geschäft verlässt, dann macht auch sie das zufrieden. Das Vertrauen, das Michael Kauke ihr mit ihren 63 Jahren gegeben hat, will sie ihm zurückgeben.

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