Die Hanteln könnten noch gerade rechtzeitig für Heiligabend kommen. Auf Lager aber befinden sie sich selten. Die Lieferzeit für die Gewichte von Hammer dauert wegen der großen Nachfrage teils bis in den Dezember hinein. Torsten Heuer hat erlebt, wie die Lust auf Sportgeräte im Zuge der Pandemie plötzlich stieg. „Die Nachfrage ist explodiert“, sagt der Standortleiter von Hammer in Bremen. „Die Kunden haben uns fast überrannt. Die ersten Wochen waren extrem.“ Der Boom hält bis heute. Und er zeige sich generell in der Branche mit Fitnessgeräten.
Irgendwann musste sich Heuer entschließen, keine Ausstellungsstücke mehr zu verkaufen. Viele Lücken hätte es sonst immer wieder im Geschäft gegeben. Auf Großgeräte müsse auch ein bis zwei Monate gewartet werden. Der Blick in den Onlineshop verrät: Ob Laufband, Stepper oder Hantel – viele Artikel sind derzeit ausverkauft. Hammer bietet ausschließlich seine eigenen Fitnessprodukte an. Bremen ist einer von bundesweit fünfzehn Standorten. Einen gewissen Zulauf gebe es auch, sagt Heuer, weil das Geschäft recht neu sei und immer bekannter werde. „Die Menschen kommen gezielt zu uns. Wir haben hier in der Überseestadt nur wenig Laufkundschaft.“
Yoga per Youtube? Auspowern auf dem Heimtrainer neben dem Sofa? Gerade zu Beginn der Pandemie mussten die Menschen Alternativen zum Fitnessstudio und dem Sportverein finden. Alles fürs Sporteln im Freien war bei Händler Decathlon besonders gefragt – vom Wandern über den Radsport bis zur Fitness. Das lasse sich zum Teil auch auf Corona zurückführen, sagt dazu eine Sprecherin. Und ein weiterer Trend: „Die Sportart Fitness wurde noch beliebter, als sie es ohnehin in der Vergangenheit schon war.“ Die Kunden bestellten vermehrt Heimtrainer, Laufbänder, Trainingsbänke oder auch Yogamatten. Die Ergebnisse von Peloton, dem Anbieter von Fitnessrädern mit passenden Trainingskursen, steigen ebenfalls.
In den vier Fitnessstudios von ULC in Bremen und Niedersachsen ist nun ein Großteil der Mitglieder wieder aufs Spinningrad oder an die Hantelbank zurückgekehrt – nach anfänglichem Zögern. Außergewöhnlich viele Kündigungen wegen der Pandemie habe es nicht gegeben, sagt Markus Begerow, der geschäftsführende Gesellschafter von ULC. Im Sommer meldeten sich allerdings weniger Neukunden an, sodass unterm Strich nicht wie sonst ein Zuwachs stand. Im September sei es aber besser geworden.
Zum Training motivieren
„Insgesamt fehlt noch die Power“, findet Begerow. Das ULC versuche, Mitglieder aktiv zum Training zu motivieren. Die Abstände könnten hier eingehalten werden und die Räume seien gut gelüftet. Doch manchmal sei die Antwort: „Ich trau mich noch nicht.“ Neben den Gefahren wegen Corona müsse aber auch über die Gesamtgesundheit des Menschen nachgedacht werden. Gerade in diesen Zeiten sieht Begerow gute Gründe für Sport. Muskelkraft und Bewegung seien für das Immunsystem und die Stimmung wichtig und Mittel gegen Risikofaktoren. „Der Körper braucht Bewegung.“
Die Präsidentin des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen, Birgit Schwarze, bestätigt: Viele Mitglieder hätten den Fitnessstudios, insgesamt gibt es rund 10 000 in Deutschland, die Treue gehalten. Doch in der Tat fehlten die Neukunden, weil es ab dem März wochenlange Schließungen gab. „Das reißt schon ein großes Loch“, sagt Schwarze. Die Studios hätten während dieser Zeit versucht, den Kontakt zu den Mitgliedern zu halten und auch Onlineformate angeboten. „Das ist aber nicht der Ersatz für richtig gut betreutes Training im Fitnessstudio“, findet Schwarze. Die Nachfrage nach Fitnessangeboten steige seit Jahren. Corona habe das Gesundheitsbewusstsein der Menschen verstärkt.
Als nichts mehr ging, haben die Trainer von ULC ebenfalls Fitnessvideos erstellt. Das Angebot nutzten heute noch wenige Mitglieder, sagt Markus Begerow. Denn es gehe vielen auch darum, mit anderen Menschen gemeinsam Sport zu machen. „Sie wollen das Live-Erlebnis.“
Wie sich die Branche weiterentwickelt? Während des Lockdowns sei die Nachfrage nach Heimfitnessgeräten massiv gestiegen, sagt Ralph Scholz, Vorsitzender des Deutschen Industrieverbands für Fitness und Gesundheit. Jedoch seien die Hauptabnehmer der Geräte die Fitnessstudios mit 80 Prozent. Und für sie sei die Situation insgesamt weiter schwierig.
Fitnessmesse vor dem Bildschirm
Die Fibo, die weltweit größte Fachmesse für Fitness, Wellness und Gesundheit in Köln, findet erstmals als reine Onlineveranstaltung statt. Das Programm für Fachpublikum beginnt an diesem Donnerstag und dreht sich passenderweise auch um die Digitalisierung in der Branche. Die Fibo@home, die Messe für Fitnessinteressierte, läuft am 3. Oktober – ausschließlich auf Instagram. Die Teilnahme ist kostenlos. Es gibt auch Trainingseinheiten.
Generell vollzieht sich das Messegeschehen derzeit häufig komplett oder überwiegend virtuell. Die Frankfurter Messe verzichtet auf fast alle Präsenzveranstaltungen bis einschließlich März 2021. In Bremen sind Publikumsmessen wie die Hanse Life ebenfalls abgesagt worden. Die Frankfurter Buchmesse findet im Oktober ohne Hallenausstellung statt. Jedoch gibt es ein digitales Konferenzprogramm, Lesungen, Diskussionen und eine Buchnacht.