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Nach Milliarden-Insolvenz Erste Urteile im Fall der Bremer Greensill-Bank

Die juristische Aufarbeitung im Fall Greensill-Bank kommt in Gang: Ein Anlagenvermittler soll eine Million Schadenersatz zahlen. Auch steht die Frage im Raum, ob die Bafin die Bank eher hätte schließen müssen.
05.10.2022, 05:00 Uhr
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Erste Urteile im Fall der Bremer Greensill-Bank
Von Florian Schwiegershausen

Die Insolvenz der Bremer Greensill Bank im März 2021 war für gut 50 Kommunen wie ein Donnerschlag. Über Nacht waren die Millionen weg, die sie dort investiert hatten aufgrund der damals attraktiven Zinsen. Denn die Gesetze sind so, dass Städte und Gemeinden seit 2017 keinen Cent ihrer Investments aus dem Einlagensicherungsfonds erhalten. Dazu gehört die Stadt Nordenham. Doch nun gibt es ein erstes Urteil zugunsten der Kommunen vom Landgericht München I.

So soll die Gemeinde Vaterstetten von einem Anlagenvermittler eine Million Euro zurückerhalten. Über ihn kam die Gemeinde an die Bremer Greensill-Bank, die eher unscheinbar in einem mehrstöckigen Gebäude in der Martinistraße residierte. Für Nordenhams Bürgermeister Nils Siemen (parteilos) ist dieses Urteil ein Schritt in die richtige Richtung: "Wir werden schauen, welche Schlussfolgerungen wir für uns daraus ziehen können", sagte er dem WESER-KURIER.

Die Strategie der Kommunen: Genug Fakten sammeln, um aus dem Umfeld der Greensill-Bank Schadenersatz einzuklagen. Denn mit dem Geld, das der Insolvenzverwalter Michael Frege sichert, werden die Kommunen als letzte bedient. Zuvor sind Banken an der Reihe. Laut Medienberichten sollen es 232 Gläubiger sein, die Forderungen in Höhe von 5,6 Milliarden Euro angemeldet haben. Der Bundesverband deutscher Banken habe 2,1 Milliarden Euro geltend gemacht, der Einlagensicherungsfonds eine Milliarde Euro und die Kommunen insgesamt 336 Millionen Euro. Die Einlagensicherung wurde vorrangig bedient, die auch beispielsweise von der Oldenburgischen Landesbank mitgetragen wird und nun wieder aufgefüllt werden muss.

Klage gegen Wirtschaftsprüfer

Die Wirtschaftsprüfung Ebner Stolz muss jetzt mit einer Klage auf Schadenersatz rechnen. Klaus Nieding, Vorstandsvorsitzender der Wirtschaftskanzlei Nieding+Barth AG in Frankfurt, der vor allem Kommunen aus dem süddeutschen Raum vertritt, sagte dem WESER-KURIER: „Die Einreichung der Klage gegen den Wirtschaftsprüfer steht kurz bevor.“ Mit ähnlichen Klagen müssen auch die Ratingagenturen rechnen, die die Greensill Bank über Jahre regelmäßig bewertet haben. Genauso geht eine solche Klage auch an den ehemaligen Vorstand der Greensill Bank und ihrer Haftpflichtversicherung.

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Nach mehr als einem Jahr stellt sich auch die Frage, ob die Bafin als deutsche Finanzaufsicht nicht schneller hätte reagieren müssen. Bereits im vergangenen Jahr hatte Nordenhams Bürgermeister Siemen aufgrund der Erkenntnisse durch die Anwälte gesagt: "Eigentlich hätte die Greensill-Bank bereits am 22. Dezember 2020 geschlossen werden müssen." Warum das eine Rolle spielt? Nordenham hatte erst im Februar, also wenige Wochen vor der Schließung der Bank, investiert. Das hätte die Stadt natürlich nicht getan, wäre die Bank da bereits dicht gewesen. Was hat es mit dem Datum auf sich? Die Bafin hatte im September 2020 den Wirtschaftsprüfer KPMG mit einem Sonderprüfbericht beauftragt. Diesen Bericht erhielt die Finanzaufsicht am 22. Dezember 2020. Doch es dauerte bis Anfang März, bis die Bafin ein Zahlungsmoratorium verhängte. Die Bafin teilte dem Finanzausschuss mit, dass aus dem Bericht nicht genug Anzeichen hervorgegangen seien, um die Greensill Bank eher zu schließen.

Gesetz verhindert Klage gegen Bafin

Auch Fachanwalt Klaus Nieding hat sich mit diesem Punkt beschäftigt, aber das Gesetz zur Finanzdienstleistungsaufsicht lasse eine Klage nicht zu. Dort heißt es im Paragraphen 4, Absatz 4: "Die Bundesanstalt nimmt ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr." Wie aus dem Umfeld des Finanzausschusses im Bundestag zu hören ist, gab es in diesem Jahr bisher keinen Gesprächsbedarf zur Bafin und dem Umgang mit der Greensill Bank. Durch die Bundestagswahl sitzen in dem Ausschuss außerdem längst andere Politiker als diejenigen, die sich mit der Greensill-Insolvenz beschäftigt hatten.

Dann ist da noch die strafrechtliche Aufarbeitung des Prozesses in Bremen. Laut dem Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, Frank Passade, haben hier inzwischen mehr als 100 Termine zur Vernehmung von Zeugen stattgefunden, darunter auch Personen aus dem Aufsichtsrat der Bank. Die Staatsanwaltschaft ermittelt hier wegen Bilanzfälschung. Dem ehemaligen Banker Karlheinz Endres reicht das nicht. Er kämpft als sogenannter "kundiger Bürger" für seine Gemeinde Vaterstetten und hat gegen die Bremer Staatsanwaltschaft bereits Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt, weil der Anzeige auch wegen Insolvenzverschleppung nicht nachgekommen werde: "Bisher hat man mir zu dieser Anzeige bisher kein Aktenzeichen nennen wollen."

Insolvenzverwalter mauert

Was den Insolvenzverwalter angeht, hat der bei Presseanfragen in den vergangenen Monaten immer gemauert und darauf hingewiesen, dass es sich um ein nicht-öffentliches Verfahren handele. Bei der letzten Gläubigerversammlung im Juli hieß es nur, dass alles "nach Plan verlaufe".

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Ein Donnerwetter gab seit März 2021 auch in Zürich. Dort sitzt die Credit Suisse, und die hatte zusammen mit Greensill Capital vier Anlagenfonds betrieben, die zur Finanzierung von Lieferketten dienten. Die hatten zum Teil bis zu zehn Milliarden US-Dollar im Fonds, wobei laut "Financial Times" das Geldhaus bisher 7,3 Milliarden US-Dollar eintreiben konnte. Zum August wurde der bisherige Credit-Suisse-Vorstandsvorsitzende Thomas Gottschein abgelöst. Auch er erhielt regelmäßig Mails von Karlheinz Endres, der für seine Gemeinde nach weiteren Informationen verlangte. Doch auch nach eineinhalb Jahren lässt sich Endres nicht entmutigen und macht weiter.

Zur Sache

Sparer in Zukunft weniger abgesichert

Die Insolvenz der Bremer Greensill Bank hat auch Konsequenzen für die Sparer bei Privatbanken. Im Falle einer Insolvenz werden in Zukunft weniger Einlagen abgesichert sein. So hat es der Bundesverband Ende des vergangenen Jahres beschlossen. Ab 2023 sind nur noch die Bankeinlagen von Privatpersonen, Unternehmen, Stiftungen und karitativen Einrichtungen abgesichert. Professionelle Einleger wie beispielsweise Versicherungen, Investmentgesellschaften und öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten sind dagegen nicht mehr geschützt. Hatten Anstalten des öffentlichen Rechts bisher Geld bis zu einer Dauer von 18 Monaten investiert, war dies sicher. Das ist auch der Grund, weshalb die drei ARD-Sender ihre Investments, die sie bei der Greensill Bank angelegt hatten, zurück erhielten. Wie Recherchen des WESER-KURIER kurz nach der Insolvenz ergaben, hatte der NDR bei der Greensill Bank 24 Millionen Euro investiert, der SWR 69 Millionen Euro und beim Saarländischen Rundfunk (SR) waren es zehn Millionen Euro. Sie würden in Zukunft leer ausgehen.

Von 2023 sollen die Einlagen, die für Sparer abgesichert sind, auf fünf Millionen Euro sinken, ab 2025 sinkt die Grenze auf drei Millionen Euro, ab 2030 werden dann noch Summen von Privatsparern bis zu einer Höhe von einer Million Euro abgesichert sein. Einlagen von Unternehmen mit einer Laufzeit von mehr als zwölf Monaten fallen ab 2023 nicht mehr unter die Einlagensicherung. Auch Gelder, die außerhalb Deutschlands über ausländische Niederlassungen von Mitgliedern des deutschen Bankenverbands eingeworben werden, sind künftig nicht mehr geschützt.

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