Für Lutz Oelsner ist der Besuch im Gymnasium an der Hamburger Straße am Dienstag eine Reise zurück in die Jugend gewesen. Denn hier hat der Präsident der Unternehmensverbände im Lande Bremen 1981 sein Abitur gemacht. Die einfach verglasten Fenster zur Hamburger Straße hin habe es so wohl schon zu seinen Zeiten gegeben, meint der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Bremer Armaturenherstellers Gestra. An diesem Tag ist er aber an der alten Wirkungsstätte, weil er dafür werben will, dass mehr Schüler nach ihrem Abschluss eine Berufsausbildung in einem Unternehmen machen sollen. In der Aula lauscht er, wie Schülern der achten und neunten Klasse die Wege in den Beruf erklärt werden. Schulleiterin Claudia Dreyer erläutert, dieser Tag der beruflichen Bildung sei fester Bestandteil des Unterrichts.
Nicht nur Oelsner hört zu, auch Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD), die Präses der Handelskammer, Janina Marahrens-Hashagen, Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke sowie Vertreter der Wirtschaftsjunioren. Bei der Frage an die Schüler, welche Ideen sie für später haben, sind die Antworten eher verhalten. Ein Schüler will später mal etwas Technisches machen. Eine Schülerin möchte nach dem Abitur nach Kanada an eine Grundschule, und vielleicht könnte ihr Berufswunsch in diese Richtung gehen. Der Rest folgt dem Vortrag von Ulrike Tisborn, die die Fachberaterin für Berufsorientierung am Landesinstitut für Schule Bremen (Lis) ist. Auf Tisborns Folie zu den verschiedenen Wegen nach dem Abitur steht die duale Ausbildung oben links an erster Stelle und das Studium rechts unten.
Diese Reihenfolge sollte Bremens Wirtschaftsvertreter angesichts des Nachwuchsmangels freuen. Denn nach dem Aula-Besuch stellen sie ihre neue Initiative „Unternehmer/innen in die Schulen“ vor. Hier sollen Wirtschaft und Schulen enger zusammenarbeiten, als das bisher der Fall ist. In Zukunft sollen Unternehmer mehr an die Schulen in Bremen gehen, um junge Leuten viel stärker für eine duale Berufsausbildung zu begeistern. Handelskammer-Präses Janina Marahrens-Hashagen erläutert: „Die Unternehmen in Bremen und Bremerhaven engagieren sich stark für die Berufsausbildung junger Menschen. Zum Teil fehlt es den Unternehmen an Bewerberinnen und Bewerbern. Daher wollen wir uns mit der Initiative persönlich und vor Ort engagieren, um den Schülerinnen und Schülern die Chancen einer dualen Berufsausbildung näherzubringen.“
Zu ähnlichen Initiativen aus der Vergangenheit äußert sich Marahrens-Hashagen: „Wir wollen dem hiermit nochmals Nachdruck verleihen, weil sich in den vergangenen Jahren verschiedene Berufsbilder stark verändert haben.“ Bald sollen also Unternehmer an die Schulen kommen und eine Doppelstunde lang im Unterricht aus dem Berufsalltag berichten und Fragen der Schüler beantworten. Dabei sollen Berufsbilder praxisnah vorgestellt werden. Laut Handelskammer sind auch fiktive Bewerbungsgespräche denkbar oder auch Planspiele zur Existenzgründung. Auf diese Weise will die bremische Wirtschaft stärker für eine Ausbildung in Handel und Handwerk werben, da aufgrund des Akademisierungstrends die Abiturienten eher ein Studium anstreben. Dabei verweisen die Kammern auf die Abbrecherquoten von 30 Prozent bei den Hochschulen.
Auf offizieller Ebene für den Beruf werben
An den Oberschulen und Gymnasien in Bremen haben in der Vergangenheit immer wieder Unternehmerinnen und Unternehmer für ihren Beruf geworben. Dies erfolgte aber oft auf einer persönlichen Ebene – weil beispielsweise ein Lehrer durch seinen Freundeskreis jemanden aus dem Betrieb kannte. Das wollen die Kammern nun auf eine offizielle Ebene heben. Geplant ist, dass sich die Lehrkräfte in Zukunft bei der Handelskammer, der Handwerkskammer oder dem Lis melden sollen. Die genauen Details dazu werden noch abgestimmt.
Grundsätzlich stellt Bildungssenatorin Bogedan fest: „Wir haben eine lange Zeit gehabt, in der wir gesellschaftlich sehr stark den Trend forciert haben, eine ganze Reihe von Schulabschlüssen zu machen. Nun sehen wir, dass diese Entwicklung gesellschaftlich nicht gut ist. Entsprechend sollen die berufsbildenden Schulen genauso Flaggschiff sein und leuchten wie unsere Universität.“ Um diese Herausforderung gehe es in der Zukunft.
Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke sagt dazu: „Es hilft uns für die Zukunft kein Schwarz-Weiß – gerade wo sich die Gesellschaft immer weiter aufspaltet. Dieses Thema ist zu wichtig für alle, und da müssen wir als Protagonisten auch davon wegkommen, gegeneinander zu arbeiten. Wir sind an einen Punkt gekommen, wo wir auch eine Vorbildfunktion haben.“ Die Handwerkskammer wolle stärker als bisher an Gymnasien werben, gern bereits bei Schülern ab der achten Klasse – auf dass es auch in Zukunft noch genügend Glaser geben wird, die der Schule energiesparendere Fenster einbauen.