Herr Ploß, Sie sind zu Gast auf dem Bremer Kapitänstag. Wie steht es denn um Ihre nautischen Qualifikationen – wenigstens ein Sportbootführerschein?
Schon als kleiner Junge hatte ich immer eine große Leidenschaft für das Maritime – das liegt sicher auch an meiner Heimatstadt Hamburg, wo ich von jungen Jahren an immer wieder voller Begeisterung im Hamburger Hafen unterwegs war. Auf dem Schiff habe ich mich aber immer in die fähigen Hände der jeweiligen Bootsführer und Kapitäne begeben. Vor deren Job habe ich großen Respekt!
Jetzt sind Sie Koordinator der Bundesregierung für maritime Wirtschaft und Tourismus. Und die große Aufgabe, die sie von ihren Vorgängern geerbt haben, ist die Umsetzung einer nationalen Hafenstrategie. Hört sich ein bisschen dröge an, ist aber ein Riesenthema. Können Sie kurz erklären, warum?
Die Umsetzung der nationalen Hafenstrategie ist deswegen so wichtig, weil wir in ganz Deutschland die Stärkung der maritimen Wirtschaft als nationale Aufgabe begreifen müssen, ähnlich wie das in den Niederlanden und in Belgien der Fall ist. Denn: Die Häfen gehen nicht nur die norddeutschen Küstenländer etwas an. Über sie läuft die Versorgung ganz Deutschlands. Nach unserer Verfassung ist die Verantwortung für die Häfen eine Länderaufgabe, aber die Bundesregierung wird sich trotzdem stärker als bisher engagieren, um die Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft in Deutschland zu verbessern.
Wie zum Beispiel?
Zum Beispiel wollen wir Infrastrukturprojekte wie die A 20, die für die niedersächsischen und bremischen Häfen sehr wichtig ist, realisieren und Investitionen anschieben, mit denen die Häfen zu Energiedrehkreuzen umgebaut werden können. Außerdem werden wir dafür sorgen, dass Autobahnen, Gleise und Brücken schneller geplant und gebaut werden. Wir benötigen bei vielen Infrastrukturprojekten in Deutschland mittlerweile von der Planung bis zum fertigen Bau mehr als 20, 30 oder manchmal gar mehr als 40 Jahre, weil es viele Klagen, zu viel Bürokratie und aufwendige Planfeststellungsverfahren gibt. So darf es nicht weitergehen! Das Verbandsklagerecht muss beispielsweise eingeschränkt werden.
Ein Knackpunkt ist ja die Frage: Wer bezahlt für die Häfen? Bis jetzt machen das die norddeutschen Küstenländer, die aber seit Jahren sagen: Wir schaffen das nicht mehr. Ist das jetzt das übliche Gejammer oder eine berechtigte Klage?
Als Maritimer Koordinator wünsche ich mir, dass der Bund mehr finanzielle Verantwortung für die Häfen übernimmt. Im Moment liegt der Hafenlastenausgleich bei 38,3 Millionen Euro im Jahr ...
Also das, was der Bund allen norddeutschen Küstenländern als Zuschuss für die Häfen gewährt. Davon kann man nicht mal 150 Meter Kaje bauen – oder Kai, wie Sie in Hamburg sagen.
Die Summe ist im Grundgesetz festgeschrieben, unabhängig von der allgemeinen Kostenentwicklung. Ich wäre als Maritimer Koordinator sehr dafür, diese Summe anzuheben. Ich bin aber auch Realpolitiker und weiß, dass eine zeitnahe Grundgesetzänderung bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag sehr, sehr schwierig ist.

Kapitänstag in der Oberen Rathaushalle.
Und ohne Grundgesetzänderung geht es nicht?
Für eine Änderung beim Hafenlastenausgleich bräuchte man eine verfassungsändernde Mehrheit im Deutschen Bundestag, weil der Bundeszuschuss für die Häfen im Grundgesetz niedergeschrieben ist. Das bedeutet: Die Stimmen der schwarz-roten Koalition im Bundestag reichen für eine Anhebung der Bundeszuschüsse nicht aus.
Und Sie haben bereits zu erkennen gegeben: In dieser Legislaturperiode, also in den nächsten knapp vier Jahren, wird daraus nichts.
Ich wäre sehr dafür und würde als Bundestagsabgeordneter sofort meine Hand im Deutschen Bundestag dafür heben – also, eine Stimme hätten wir schon mal (lacht). Aber verfassungsändernde Mehrheiten im aktuellen Bundestag sind sehr schwierig. Und ich will nicht die ganze Legislaturperiode nur mit verfassungsrechtlichen Diskussionen verbringen und am Ende für die maritime Wirtschaft nichts bewegt haben.
Das heißt: Die Stärkung der Häfen soll eine nationale Aufgabe werden, aber Geld vom Bund gibt es dafür nicht?
Doch. Die neue Bundesregierung hat bereits gehandelt und beschlossen, für die maritime Wirtschaft aus dem Klima- und Transformationsfonds 400 Millionen Euro bereitzustellen, damit in den Häfen zum Beispiel Landstromanlagen und Bunkeranlagen für klimafreundliche Kraftstoffe gebaut werden können. Es gibt darüber hinaus weitere Möglichkeiten, um die notwendigen Investitionen in unsere Häfen durch den Bund zu unterstützen. Beispielsweise können wir die A 20 über das Sondervermögen für Infrastruktur oder den regulären Bundeshaushalt realisieren. Und wir haben den Ländern 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für Infrastruktur bereitgestellt. Das müssen diese jetzt aber auch entsprechend nutzen! Als Maritimer Koordinator appelliere ich daher an die Länder, dass sie einen Teil dieses Sondervermögens für Investitionen in die Kajen und andere Hafeninfrastrukturen verwenden.
Da sagt jetzt unsere Häfensenatorin: Gut und schön, aber dann geben wir unseren Anteil aus diesem Sondervermögen für die Häfen aus, über die die Bayern und Baden-Württemberger ihre Autos und Tunnelbohrmaschinen exportieren – und die sanieren derweil mit dem Geld ihre Straßen und Brücken.
Ich kann den Punkt nachvollziehen. Aber um einen Hafen, der floriert und auf Vordermann ist, entstehen auch viele neue Wertschöpfungsketten. Das bedeutet: Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.
In Bremerhaven ist die Erneuerung der Containerkaje vordringlich – das kostet in den nächsten zehn bis zwölf Jahren geschätzt eine knappe Milliarde Euro. Können Sie den Bremer Bürgermeister verstehen, wenn er um Hilfe ruft?
Ja, kann ich. Ich habe in den letzten Wochen mehrere Häfen in Norddeutschland persönlich besucht, und ich weiß um den Sanierungsbedarf. Die Infrastruktur in fast allen deutschen Häfen ist im Moment nicht in einem Zustand, den ich mir als Maritimer Koordinator wünsche. Und deswegen werde ich mich dafür einsetzen, dass wir die bremischen Häfen finanziell dabei unterstützen können, die notwendigen Maßnahmen durchzuführen. Ich arbeite hier unter anderem sehr gut mit dem SPD-Abgeordneten Uwe Schmidt zusammen, der einen tollen Job macht. Eine Möglichkeit könnte neben dem Sondervermögen für Infrastruktur das Sondervermögen für Verteidigung sein, weil Bremerhaven ein wichtiges Logistikdrehkreuz für unsere Bundeswehr darstellt.
Auch für die S anierung der Containerkaje?
Das muss man genau prüfen. Im Moment darf der Bund, wie gesagt, aus verfassungsrechtlichen Gründen hierfür kein Geld zur Verfügung stellen – es sei denn, es gibt einen bundespolitischen Bezug. In Hinblick auf die Sanierung der Kajen sehe ich den am ehesten darin begründet, dass wir funktionsfähige Kajen für unsere sicherheitspolitischen Anforderungen brauchen. Deutschland hat Verpflichtungen innerhalb der Nato. Wir müssen die Hafeninfrastruktur auch für militärische Zwecke ertüchtigen. Das betrifft neben den Kajen auch Brücken und Zufahrten, die heute oft nicht dafür ausgelegt sind, dass Panzer oder schweres Gerät darüber transportiert werden können. Aus dem Bund heraus könnten aber auch andere für die bremischen Häfen wichtige Projekte gefördert werden, die einen klaren bundespolitischen Bezug haben – etwa der Umbau der Häfen zu Energiedrehkreuzen.
Das heißt, für einen Energy Port, wie er ja in Bremerhaven auch geplant ist, gäbe es Möglichkeiten für eine Mitfinanzierung durch den Bund?
Genau. Bremerhaven wird für den Import von Wasserstoff und als Umschlagplatz für Komponenten von Windkraftanlagen ein echtes Zukunftsfeld besetzen können.
Bei Ihrem Antrittsbesuch in Bremen haben Sie gesagt: Die Rivalität zwischen Hamburg und Bremen gehört auf den Fußballplatz, aber nicht in die Hafenpolitik. Wir ziehen also alle an einem Strang?
Beim Nordderby schenken sich der HSV und Werder nichts. Aber wenn es um die maritime Wirtschaft geht, müssen wir im Norden alle sehr eng zusammenhalten, für maritime Interessen kämpfen und noch stärker mit einer Stimme im Berliner Regierungsviertel sprechen.
Das Gespräch führte Christoph Barth