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Halbjahresbilanz Bremerhavener Stromkaje verliert massiv an Umschlag

Der Containerumschlag in Bremerhaven ist im ersten Halbjahr eingebrochen. Einer der Gründe ist die flaue Weltkonjunktur. Aber die Ursachen für den seit Jahren anhaltenden Niedergang reichen tiefer.
18.08.2023, 05:00 Uhr
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Bremerhavener Stromkaje verliert massiv an Umschlag
Von Christoph Barth

Weniger Schiffe, hochgeklappte Kräne, geparkte Van Carrier: Die schlechte Lage der Weltwirtschaft ist an der Bremerhavener Stromkaje jeden Tag aufs Neue zu besichtigen. Und nicht nur dort: Im ersten Halbjahr 2023 haben alle großen Containerhäfen im Norden Europas deutlich an Fracht verloren. Aber Bremerhaven und seine kilometerlange Containerkaje hat es besonders heftig erwischt.

Die Zahlen stehen ein wenig versteckt auf der Homepage der Hafengesellschaft Bremenports – eine offizielle Halbjahresstatistik legt Bremen für seine Häfen nicht vor. Noch fehlen zudem die Zahlen für Juni; sie sollen kommende Woche veröffentlicht werden, heißt es aus dem Häfenressort. Aber an dem Negativtrend, der sich bis zum Mai abzeichnete, werden die Juni-Ergebnisse nicht viel ändern: Minus 16,5 Prozent verzeichnet die Zwischenbilanz für den Containerumschlag, gemessen in 20-Fuß-Standardcontainern (TEU).

Selbst wenn ein paar Hunderttausend Stahlboxen im Juni die Halbjahresbilanz noch über die Zwei-Millionen-TEU-Marke gehievt haben sollten: So wenig Container wurden in Bremerhaven zuletzt Mitte der 2000er-Jahre über die Kaje gewuppt, vor bald 20 Jahren. Gegenüber dem Rekordjahr 2012 hat die Stromkaje gut ein Drittel ihres Umschlags verloren.

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Zumindest in der gegenwärtigen Krise steht Bremerhaven mit seinem Minus aber nicht alleine da: "Weltweit verlieren die Containerhäfen aktuell Umschlagmengen im Vergleich zum Vorjahr", stellt Burkhard Lemper, Geschäftsführer des Bremer Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL), fest. Ursache sei eine insgesamt schwächere wirtschaftliche Entwicklung und vor allem der nachlassende Außenhandel. So würden beispielsweise aus China Rückgänge beim Export um etwa 15 Prozent und beim Import um mehr als zwölf Prozent gemeldet.

Wo weniger gehandelt wird, gibt es weniger zu transportieren. Die HHLA, das größte Hamburger Umschlagunternehmen, meldet für das erste Halbjahr ein Minus von 12,7 Prozent an seinen Elbterminals. Hauptgrund: die "stark rückläufigen Volumen im Fahrtgebiet Fernost", so die HHLA. Auch die Zubringerverkehre von und zu den Ostseehäfen lagen weit unter dem Vorjahr, wozu die Sanktionen gegen Russland beigetragen hätten. In Rotterdam, Europas größtem Hafen, ging der Containerumschlag im ersten Halbjahr um 8,1 Prozent zurück. Den geringsten Verlust an Containerfracht unter den nordwesteuropäischen Häfen verzeichnet Antwerpen mit einem Minus von 5,2 Prozent.

Das Problem der deutschen Häfen reicht aber weiter zurück: "Die deutschen Containerhäfen und eben auch Bremerhaven leiden besonders unter dem Verlust von Transshipmentladung", erklärt ISL-Chef Lemper. Das sind Container, die in einem Hafen von einem Schiff auf ein anderes umgeladen werden, in der Statistik also doppelt zu Buche schlagen. In der aktuellen Krise sind es die Container von und nach Russland, die in der Umschlagsbilanz fehlen. Aber der Verlust der Transshipmentladung macht den deutschen Häfen bereits seit Jahren zu schaffen. Weser und Elbe sind mit voll beladenen, großen Schiffen wegen der zu geringen Wassertiefe nicht befahrbar. "Aufgrund der bislang ausgebliebenen Anpassung der Wassertiefe der Außenweser wird ein Teil der Transshipmentmengen bereits in den Westhäfen von Bord der großen Schiffe genommen, um in der Zufahrt auf Bremerhaven weniger Probleme zu haben", erläutert Lemper. "Diese Tendenz der Marktanteilsverluste der deutschen Terminals ist bereits über mehrere Jahre zu beobachten."

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Eurogate will die Umschlagsentwicklung und deren Hintergründe nicht kommentieren. Eine Einschätzung, wie lange sich diese Entwicklung fortsetzt, könne man aktuell nicht abgeben, so ein Sprecher. "Bei einer wirtschaftlichen Erholung dürften die Wachstumsraten wieder in den positiven Bereich zurückkehren – allerdings wahrscheinlich frühestens im kommenden Jahr", prognostiziert ISL-Chef Lemper. Der Verlust von Marktanteilen könne dagegen nur gestoppt werden, wenn Transshipmentverkehre zurückkehrten, "sei es mit einer Normalisierung der Handelsbeziehungen mit Russland oder durch eine Vertiefung des Fahrwassers der Außenweser", mahnt Lemper.

Ausbaden müssen die Krise zurzeit vor allem die Beschäftigten des GHB. Die Bremerhavener Gesamthafenbetriebsgesellschaft ist die Personalreserve des Hafens. "Für die Sparte Container beim GHB bedeutet der Umschlagsrückgang einen Einbruch um circa 60 bis 70 Prozent", erklärt GHB-Geschäftsführer Marcus Bergmann. Die Mitarbeiter aus diesem Bereich sind deshalb seit Mitte April in Kurzarbeit. "Glücklicherweise sind wir in der Situation, dass wir Arbeit aus dem Containerbereich durch Automobilumschlag substituieren können", so Bergmann. Die Gehälter der Mitarbeiter in Kurzarbeit würden tarifvertraglich aufgestockt; der GHB gewähre den Beschäftigten "den bestmöglichen Schutz", versichert er. "Aber eine langfristige Beschäftigungsgarantie kann in dieser besonderen Situation nicht gegeben werden."

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