Der junge Kolumbianer Tomás Vallejo Zangen trägt Bremen im Herzen. Hier hat er drei Jahre studiert und seinen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften gemacht. Als er 2020 anfing, hieß die Hochschule noch Jacobs University. Und als er letztes Jahr vor Freude über seinen Abschluss die schwarze Kappe in die Luft warf, wie es längst auch in Bremen-Grohn Tradition ist, wusste er noch nicht, wann er wieder nach Bremen kommen würde. Doch schließlich hatte auch er wie fast jeder Tourist bei den Stadtmusikanten den Esel an der Nase und den Vorderfüßen berührt. Neben Glück soll das bekanntlich ja auch dazu führen, dass man irgendwann einmal nach Bremen zurückkehrt.
Nun war der 23-Jährige tatsächlich wieder in der Hansestadt. Im Gepäck hatte er seine Lern-App Lingo Questo mitgebracht. Denn als er nach Bogotá zurückkehrte, fragte ihn seine Mutter, wie gut er denn nun Deutsch sprechen könne. Diese Frage spielt durchaus eine Rolle, denn ein Teil seiner Familie hat österreichische Wurzeln – daher auch der zweite Nachname "Zangen". Aber da musste er gegenüber seiner Mutter zugeben, dass sein Deutsch vielleicht für den Einkauf im Supermarkt reicht oder um in der Kneipe etwas zu bestellen. An der Uni in Grohn sowie im Freundeskreis musste er in den drei Jahren nie Deutsch sprechen, weil dort alles auf Englisch stattfindet. "Es gab nicht so viele Situationen, in denen ich Deutsch sprechen musste", sagt der Kolumbianer. Oft haben die Menschen ins Englische oder auch ins Spanische gewechselt, um sich mit ihm zu unterhalten.
Als ob das Programm wirklich mit einem spricht
Aber er stellte sich die Frage, warum es einigen Menschen leicht falle, eine Sprache zu lernen und anderen sehr viel schwerer. Und dann begann er zu überlegen, wie man denn eine App entwickeln könnte, die einem beim Lernen der englischen Sprache hilft. Zusammen mit drei Freunden hat er nun das Sprachprogramm "Lingo Questo" entwickelt. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Sprachbot. Es gibt verschiedene Szenen, in denenen man per Whatsapp Fragen gestellt bekommt – und zwar als Sprachnachricht. Man selbst antwortet auch per Sprachnachricht. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz haben Vallejo und seine Kollegen das Programm so mit Gesprächssituationen gefüttert, dass Lingo Questo immer die passende Reaktion auf eine Frage oder Antwort hat. Am Ende erhält der Nutzer ein Feedback mit einer Fehlerbilanz. Um damit auch Geld zu verdienen, gibt es verschiedene Abo-Modelle über verschiedene Zeiträume. Es könnte der Nutzer selbst die Gebühr zahlen, oder die Schule, an der er ist, oder auch der Staat.
Und mit dieser Geschäftsidee ist Vallejo nach Grohn an seine Uni zurückgekehrt – und zwar in die Bremer Variante von "Die Höhle der Löwen". Es erinnerte schon ein wenig an die Fernsehshow. Doch hier in der vierköpfigen Jury saß statt Carsten Maschmeyer der neue Besitzer der Constructor University, der gebürtige Russe Serg Bell. Vor ihm und den anderen musste Tomás Vallejo in fünf bis zehn Minuten die Vorzüge seiner App erklären, und warum es sich lohne, in sein Start-up zu investieren. Dabei trug er einen lilafarbenen Pullover mit QR-Code. Er war als dritter von insgesamt zehn Start-ups an der Reihe. Dabei ging es auch um etwas. Denn der Risiko-Kapitalfonds der Constructor-Gruppe hatte 100.000 US-Dollar für das interessanteste Start-up ausgelobt.
Geldpreis für den Kolumbianer
Und tatsächlich konnte sich Tomás Vallejo mit Lingo Questo über den Scheck freuen. Er und seine Kollegen möchten nun das Programm weiter ausbauen und neben Kolumbien in weiteren Ländern Lateinamerikas aktiv werden. Außerdem geht es um den Ausbau in verschiedenen Sprachen. Schon jetzt kommuniziert Lingo Questo in einer von fünf verschiedenen Sprachen mit dem Nutzer.

Er hat beim Constructor Demo Day die ”Höhle der Löwen” überzeugt: Tomás Vallejo erhält einen Scheck über 100.000 US-Dollar, um seine Lern-App weiter zu entwickeln.
Dieser Start-up-Tag an der Constructor University zeigte auch, wo die Hochschule hin möchte, und wie die Constructor-Group vom Studium über die Unternehmensgründung bis zum Unternehmensaufbau entlang dieser Kette präsent sein kann. Denn zur Gruppe gehört als eine Tochter die Universität. Eine weitere Tochter ist "Constructor Capital", die interessante Geschäftsideen mit Risikokapital unterstützen und dadurch vielleicht auch Anteile an den neuen und jungen Unternehmen halten. Als dritte Säule gibt es noch "Constructor Technology", die Unterstützung beim Aufbau und der Weiterentwicklung des Unternehmens geben können.
Uni-Besitzer Serg Bell hielt selbst einen gut einstündigen Vortrag darüber, wie man ein Start-up gründet, und welche Fehler man dort machen kann – übrigens in Oberhemd mit aufgekrempelten Ärmeln, Jeans und Sneakern, also so wie Appel-Chef Tim Cook, wenn er ein neues iPhone präsentiert. Uni-Präsident Stanislav Protasov betonte, dass man mit der Constructor University Deutschlands beste Hochschule werden wolle und eine der besten weltweit. Der Blick auf die Stellenseite der Uni zeigt: Momentan werden für Bremen noch 43 weitere Mitarbeiter gesucht.
Damit hat Tomás Vallejo allerdings nichts zu tun. Er will langfristig vielleicht auch zusätzliche Mitarbeiter einstellen, um Lingo Questo nach vorn zu bringen. Inzwischen ist er auch zurück in Bogotá. Aber irgendwann wird er nach Bremen zurückkehren.