Es ist ein Problem, das immer bedrohlicher wird: Unternehmen in Norddeutschland fällt es zusehends schwerer, Fachkräfte zu finden – so stellt es jedenfalls der Arbeitgeberverband Nordmetall dar. Für seine Frühjahrsumfrage hat er 147 Betriebe aus der Metall- und Elektroindustrie gefragt. Fast alle klagen über Personalsorgen, auch weil das Geschäft so gut läuft, wie lange nicht mehr.
„Die Fachkräftekrise verschärft sich immer weiter und wird zur ernstzunehmenden Gefahr für das Konjunkturhoch“, sagte Thomas Lambusch, Präsident von Nordmetall, bei der Vorstellung der Ergebnisse am Donnerstag. Demnach ist für 58 Prozent der Betriebe aus der Metall- und Elektroindustrie in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und dem nordwestliche Niedersachsen die Verfügbarkeit von Fachkräfte unbefriedigend oder sogar schlecht. Lediglich drei Prozent sagen, die Situation sei gut.
Ähnlich, aber nicht ganz so dramatisch, sehen die elf befragten Bremer Unternehmen die Situation. Hier bewerten 36 Prozent der Firmen die Personalsituation als unbefriedigend oder schlecht. Im nordwestlichen Niedersachsen sind es hingegen 61 Prozent.

Auch wenn die Zahl der befragten Betriebe in der Hansestadt vergleichsweise gering ist, hält Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen, die Ergebnisse für aussagekräftig. „Die Zahlen bestätigen die Rückmeldung, die wir regelmäßig von den Unternehmen bekommen“, sagte er. Momentan fänden die Firmen noch genug Fachkräfte. „Allerdings ist der Auswahl an Bewerbern wesentlich geringer als früher.“
Überraschend gut schneidet Bremen bei der Bewerbersituation für Ausbildungsplätze ab. Hier schätzen 30 Prozent der Unternehmen die Lage als gut, 40 Prozent als sehr gut ein. Im Durchschnitt aller fünf befragten Regionen betrachten gerade mal zehn Prozent die Situation als gut, 53 Prozent finden sie befriedigend.
Appell an Politik
Neumann-Redlin sieht dennoch Handlungsbedarf, damit sich die Situation nicht verschärft. „Wir müssen Jugendliche in der Berufsorientierung davon überzeugen, dass man nicht nur mit einem Studium, sondern auch einer betrieblichen Ausbildung erfolgreich sein kann“, sagte er. Dass Personallücken auch durch Geflüchtete gestopft werden können, hält Neumann-Redlin weiterhin für denkbar. „Es gibt viele gute Initiativen in Bremen.“ Nicht nur von großen Unternehmen, sondern auch kleineren Mittelständlern. Er sei hoffnungsvoll, dass man noch mehr Firmen dafür gewinnen könne, Geflüchteten bei der Integration zu helfen.
Gleichzeitig kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Produktion in vielen Unternehmen schon fast an der Grenze ist. Mit fast 90 Prozent hat die Auslastung der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie den höchsten Wert seit zehn Jahren erreicht. „Die Kapazitätsengpässe sind Ergebnisse des leergefegten Arbeitsmarkts. Wenn die Bundesregierung nicht umgehend intensivere Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung einleitet, werden unsere Betriebe immer öfter Aufträge ablehnen müssen, weil einfach das Personal fehlt“, sagte Nordmetall-Präsident Lambusch. Das würde mittel- und langfristig der guten Konjunktur in Deutschland schaden.
Gleiches gelte für das geplante Rückkehrrecht für Beschäftigte, die von einer Teilzeit- wieder in eine Vollzeitstelle wechseln wollen. Dadurch werde die Personalnot in den Betrieben sogar noch verschärft, sagte Lambusch.
Nahles verteidigt Rückkehrrecht
Erst am Mittwoch hatte die SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles CDU und CSU im Bundestag davor gewarnt, das geplante Rückehrrecht für Beschäftigte zu blockieren. Auch jetzt bereits in Teilzeit arbeitende Arbeitnehmer müssten diese Möglichkeit bekommen, sagte sie. Nahles sprach von insgesamt etwa zwölf Millionen Teilzeitbeschäftigten. "Das wird die Wirtschaft nicht umbringen", sagte sie mit Blick auf die geplante Regelung. Derzeit ist der Gesetzentwurf in der Ressortabstimmung zwischen den einzelnen Ministerien.
Mit 87 Prozent ist der Großteil der norddeutschen Unternehmen generell zufrieden mit der aktuellen Geschäftslage. In Bremen sind es sogar 90 Prozent. Hier beurteilen zudem 82 Prozent der Firmen den aktuellen Auftragsbestand als relativ hoch oder zumindest ausreichend.
Die Ergebnisse von Nordmetall decken sich weitestgehend mit den Resultaten des Konjunkturreports der Handelskammer, der Anfang Mai veröffentlicht wurde. Dort heißt es: „Die aktuellen Rückmeldungen aus der stadtbremischen Wirtschaft bestätigen die positive Stimmungslage aus dem letzten Quartal.“ Sowohl die derzeitige Geschäftslage als auch die Geschäftsaussichten würden in der Summe genauso gut bewertet wie schon zum Jahreswechsel.