Frau von der Recke, als Vorständin der Bremer OHB System AG sind Sie zuständig für die Beziehungen in die Politik und in die raumfahrtrelevanten Institutionen. Die Bundesregierung plant bekanntlich ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Wie kann OHB davon profitieren?
Sabine von der Recke: OHB ist ein starker Partner der Bundeswehr. Wir sind dort schon in diversen Programmen als Zulieferer tätig, zum Beispiel für Aufklärungssysteme. Wir denken, dass es da jetzt weiteren Bedarf gibt, und hoffen, dass wir helfen können, die Bundeswehr besser auszustatten.
Was heißt das konkret? Sind Sie im Gespräch mit der Koordinatorin der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt oder mit dem Verteidigungsministerium?
Natürlich sind wir das. Erst vergangene Woche waren wir mit der Raumfahrt-Koordinatorin Anna Christmann beim Start unseres deutschen Umweltsatelliten EnMAP in Florida. Bei dieser Gelegenheit haben wir uns auch über die Herausforderungen für unsere Branche ausgetauscht. Und das Verteidigungsministerium hatte die deutsche Industrie ja aufgefordert, proaktiv Vorschläge zu machen. Das haben wir getan. Jetzt warten wir darauf, welche Signale wir erhalten. Wir sind da aber sehr zuversichtlich.
Zur internationalen Raumfahrtbranche gehören seit Langem Geschäfte und Kooperationen mit Russland. Die europäische Raumfahrtagentur Esa und die russische Roskosmos haben nun wegen des Kriegs gegen die Ukraine ihre Zusammenarbeit eingestellt. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Das hat Auswirkungen auf OHB und auf die gesamte Raumfahrt. Zum Beispiel-kann nun das europäisch-russische Marsprojekt Exo-Mars nicht gestartet werden. Nicht nur, weil das mit einer russischen Rakete von einem russischen Startplatz gestartet würde, sondern weil diese Zusammenarbeit eingestellt worden ist. Wir wissen nicht, wie es da weitergeht. Wir können auch wegen des Abzugs der Sojus-Raketen vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana nicht mehr unsere Satelliten starten. Eine weitere Rolle spielt, dass aus der Ukraine und Russland viele Rohstoffe und Materialien – etwa Titan oder Aluminium – für die Raumfahrt kommen und nun die Lieferketten unterbrochen sind. Man spürt gerade sehr stark, dass die Raumfahrt eine globalisierte, vernetzte Branche ist.
Das bedeutet, dass dieser Krieg unmittelbare Auswirkungen auf Ihr Geschäft hat. Das "Handelsblatt" berichtet, dass etwa wegen des Stopps von Exo-Mars bei OHB Umsätze von 150 Millionen Dollar bedroht seien. Was heißt das für die Mitarbeiter?
Da hat das "Handelsblatt" leider etwas falsch verstanden: Unsere Beiträge für Exo-Mars haben wir längst abgeliefert und selbstverständlich auch das Geld dafür erhalten. Es sind also keine Umsätze bedroht. Aber natürlich hat dieser Krieg Auswirkungen auf das Unternehmen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wir sind ja alle Menschen. Diese Auswirkungen sind allerdings noch nicht so stark, dass sie umsatzrelevant wären. Was wir aber auch bei OHB absehbar spüren werden, sind Verzögerungen grundsätzlicher Art – durch gestörte Lieferketten etwa oder durch abgesagte Starts.
Da wird es Sie gefreut haben, dass Amazon-Chef Jeff Bezos gerade für seine Internetsatelliten 18 Flüge mit der "Ariane 6" bestellt hat, oder?
Aber ja. MT Aerospace ist als Tochterfirma von OHB SE größter deutscher Zulieferer im Ariane-Programm. Der Anteil beträgt rund zehn Prozent. Natürlich freuen wir uns, dass die "Ariane 6" ausgelastet sein wird, wenn sie fertig ist. Das beschert uns an den Standorten Bremen und Augsburg eine ordentliche Arbeitsauslastung.
Das heißt, OHB steht durch die politische und wirtschaftliche Situation vor großen Herausforderungen. Wie passt das zusammen mit der Nachricht, Sie könnten 2023 als Spitzenkandidatin der Bremer CDU antreten?
Die CDU ist an mich herangetreten und hat gefragt, ob ich mir die Spitzenkandidatur vorstellen könnte. Ich habe mich als politischer Mensch natürlich sehr gefreut und darüber nachgedacht. Aber wir haben so viel zu tun bei OHB, dass im Moment der Einstieg in eine aktive politische Karriere nicht der richtige Weg für mich ist. Ich drücke der Bremer CDU fest die Daumen, dass sie bei der anstehenden Landtagswahl mit einem anderen oder einer anderen Spitzenkandidatin erfolgreich sein wird.
Sie sind jung, eine Frau, und haben Management-Erfahrungen. Wäre das nicht genau das, was Bremen gut tun könnte?
Ich denke, dass es in Bremen sehr gute junge, kluge und erfahrene Frauen gibt, die hier viel bewegen können. Ich konzentriere mich voll auf OHB und bin davon überzeugt, dass eine gute und starke Raumfahrtbranche der Stadt auf jeden Fall sehr guttut.
Also ein Nein?
Ja. Das ist ein Nein.