Nach einer lästigen Pflichtübung sieht es nicht aus, wenn Marco Fuchs seine Zahlen und Prognosen präsentiert. Meist hat der Chef des Bremer Raumfahrtunternehmens OHB bei der Vorlage der Jahresbilanz ja auch gute Nachrichten zu verkünden: Zuwächse, Gewinne, neue Aufträge. Doch schon bald könnte das Ritual vor Mikrofonen und laufenden Kameras entfallen. Denn das Familienunternehmen will weg von der Börse und seinen verbliebenen Aktionären die Anteile abkaufen lassen. Mit dem jährlichen Rechenschaftsbericht des Vorstands könnte es dann vorbeisein.
Noch allerdings fehlt dafür die Genehmigung von höchster Stelle. Denn ein amerikanischer Großinvestor soll die Einzelaktionäre auszahlen und neben der Familie Fuchs zum einzigen Anteilseigner bei OHB werden: der US-Investmentfonds KKR. Und bei Investoren aus dem Ausland schaut das Bundeswirtschaftsministerium in sensiblen Branchen lieber noch einmal genauer hin: Was bedeutet das für das Know-how, das ein Unternehmen sich erarbeitet hat - die "Betriebsgeheimnisse"? Was wird aus den Arbeitsplätzen und Unternehmensstandorten?
Familie behält 65 Prozent
"Wir sind da aber auf einem guten Weg", versichert Fuchs. Bis zum Sommer rechnet er mit der Freigabe des geplanten Deals, den er im vergangenen Jahr mit KKR eingefädelt hatte. Die meisten der freien Aktionäre haben dem Verkauf ihrer Anteile inzwischen zugestimmt. Die neuen Besitzverhältnisse der OHB-Dachgesellschaft sehen damit - Stand heute - so aus: 65 Prozent der Anteile verbleiben in den Händen der Familie Fuchs, knapp 29 Prozent befinden sich bereits bei KKR und nur noch 5,7 Prozent bei freien Aktionären. "Unser Ziel bleibt der vollständige Erwerb der Aktien in Streubesitz und das Delisting", versichert Fuchs - sprich: der Rückzug von der Börse. Über das Verfahren, wie man die verbleibenden Aktionäre aus dem Unternehmen drängt, wird noch beraten.
Die Bilanz, die Fuchs in Zukunft nur noch seinem einzig verbliebenen Großaktionär vorlegen müsste, sieht für das vergangene Jahr auf den ersten Blick erfreulich aus: 15 Prozent mehr Umsatz, verdoppelter Gewinn. "Ein ordentliches Ergebnis", urteilt Fuchs. "Aber es sieht schöner aus, als es ist." Denn die Zuwächse kommen vor allem durch eine Neubewertung einiger Bilanzposten zustande, insbesondere der Beteiligung an dem Raketenbauer Rocket Factory Augsburg (RFA). Die Zugewinne stehen also nur auf dem Papier. Tatsächlich hätten sich inflationsbedingte Kostensteigerungen und ein verzögerter Auftragseingang negativ auf die Profitabilität des Unternehmens ausgewirkt und die "operative Performance verschlechtert", so Fuchs. Der Auftragsbestand sei noch zufriedenstellend, "aber wir sind auf der Jagd nach neuen Aufträgen und würden da an dem einen oder anderen Standort gerne wieder nach oben kommen". OHB hofft unter anderem auf eine Beteiligung an dem geplanten europäischen Kommunikationssatelliten-Netzwerk Iris2.
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