Der Kurs der Aktie des Bremer Raumfahrt- und Technologiekonzerns OHB SE ging an diesem Montag durch die Decke: Die Aktie machte ein Plus von über 33 Prozent. Auslöser dafür war das freiwillige Übernahmeangebot des US-amerikanischen Finanzinvestors KKR über 44 Euro je Aktie, was OHB als börsennotiertes Unternehmen per Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichte. Mit 42,15 Euro näherte sich der OHB-Aktienkurs rasant diesem Angebotspreis. Familie Fuchs bleibt weiterhin Mehrheitsaktionärin und Marco Fuchs Vorstandsvorsitzender. Die Familie Fuchs hat etwa 70 Prozent der OHB-Aktien, die im Besitz bleiben sollen.
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Ob die Aktieninhaber die KKR-Offerte annehmen, bleibt abzuwarten. Das Angebot umfasst außerdem eine separate Vereinbarung für eine Kapitalerhöhung um zehn Prozent. Mit dem Einstieg von KKR und der Übernahme der frei gehandelten OHB-Aktien ist der Ausstieg von der Börse vorgesehen. Außerdem erhält die OHB-Tochter Rocket Factory Augsburg (RFA) eine Investition von KKR in Höhe von 30 Millionen Euro. RFA – OHB ist an dem Unternehmen mit 53 Prozent beteiligt – will Startdienstleistungen für Kleinsatelliten in eine niedrige Erdumlaufbahn anbieten. Für den dafür entwickelten Microlauncher RFA One wurde im Mai die Oberstufe erfolgreich getestet. Die ersten kommerziellen Starts sind für 2025 vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana geplant.
"Nach über 40 Jahren Wachstumsgeschichte in der Raumfahrt schlägt OHB heute ein neues Kapitel auf", sagte OHB-Chef Marco Fuchs per Mitteilung. "Ich freue mich, dass wir eine Vereinbarung mit der Investmentgesellschaft KKR als Minderheitsinvestor getroffen haben." Mit dem Einstieg werde die Umsetzung der Unternehmensstrategie „OHB 2025 – Shaping the Future“, die 2019 beschlossen wurde, beschleunigt.
In Bremen werden beim Raumfahrtunternehmen OHB unter anderem die Galileo-Satelliten für das europäische Navigationssystem sowie Wetter- und Erdbeobachtungssysteme gefertigt. Jüngst wurde mit dem letzten Start einer Trägerrakete Ariane 5 das erfolgreiche Aussetzen von „Heinrich Hertz“ gefeiert – einem deutschen Kommunikationssatelliten, der im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt bei OHB gebaut wurde. Über die Tochter MT Aerospace ist OHB zudem eng mit der Entwicklung der Oberstufe für die Ariane-Trägerraketen verbunden, die bei der Ariane-Group in Bremen gebaut wird.
Mit einem Anteil von etwa zehn Prozent gehört OHB zu den wichtigsten Zulieferern des Ariane-Programms – auch beim Nachfolgemodell Ariane 6. Außerdem lieferte und liefert OHB wesentliche Beiträge zum Bau und dem Betrieb der Internationalen Raumstation und den geplanten internationalen Missionen zum Mond oder Mars. Zurzeit arbeiten beim OHB-Konzern 3000 Beschäftigte, davon mehr als 1200 in Bremen.
Hohes Wachstumspotenzial
Ein zentrales Element der Strategie des Bremer Raumfahrt- und Technologiekonzerns „OHB 2025 – Shaping the Future“ ist ein dritter Geschäftsbereich. Neben dem Bau von Satelliten und Raketen soll der Fokus künftig entlang der ganzen Wertschöpfungskette liegen. Hier verspricht sich OHB ein hohes Wachstumspotenzial. Im Kern geht es darum, künftig nicht nur die Sonden zu bauen, sondern auch darum, sie zu betreiben, ihre Daten zu sammeln und die gewonnenen Informationen zu verkaufen.
Die Stärkung von OHB als unabhängiges, europäisches Unternehmen und Partner für Regierungen und Institutionen festige die europäische Sicherheit und Souveränität im Weltraum, so Fuchs. Darüber hinaus werde das KKR-Investment das Unternehmen für die steigende Nachfrage nach privat finanzierten, kosteneffizienten und flexiblen Raumfahrtlösungen besser positionieren. "Wir haben die Ambition, der European Space Champion zu werden, und wollen neue Perspektiven für Kunden und Partner anbieten, indem wir unsere technologischen Spitzenpositionen in den Kernkompetenzen als Infrastrukturpartner und im Servicebereich ausbauen und dadurch den institutionellen und kommerziellen Markt bedienen können."
"Richtiger Schritt"
Bremens Landesraumfahrtkoordinator Siegfried Monser sieht OHB durch die KKR-Beteiligung gestärkt. "Die Raumfahrt hat sich in den letzten Jahren stark verändert, und der Anteil privatwirtschaftlich geführter Raumfahrtprogramme, der sogenannte New Space, ist kontinuierlich gestiegen", erklärt er. Das bringe für jedes Raumfahrtunternehmen Herausforderungen mit sich. Nicht nur der Kapitalbedarf für Unternehmen werde steigen, auch eine globale Vernetzung mit Wirtschaftspartnern aus der Branche sowie mit Anwenderorganisationen würden immer wichtiger. "Insofern hat OHB aus meiner Sicht einen richtigen Schritt getan, um auch in Zukunft zu wachsen", so Monser. Wichtig sei dabei, dass die Mehrheit der Unternehmensanteile weiterhin in Familienbesitz bleibe.
Heute sei ein richtungsweisender Tag für OHB, so Fuchs. Man blicke freudig und gespannt, aber auch mit großer Zuversicht in die Zukunft. "Für uns alle ist das ein großer Schritt, wir sind jedoch fest davon überzeugt, dass wir mit KKR den idealen Partner gefunden haben, der als langfristig orientierter Minderheitsinvestor unser Wachstum und unsere Vision unterstützt und dass heute der erste Schritt in eine bessere Zukunft für OHB gemacht wurde."