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Was Bremer Unternehmen planen Pflicht fürs Homeoffice läuft aus

Im Juli soll es keine Pflicht zum Homeoffice mehr geben. Wie machen die Unternehmen in Bremen weiter? Einige Betriebe wollen die Arbeitsformen künftig verändern.
20.06.2021, 22:09 Uhr
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Pflicht fürs Homeoffice läuft aus
Von Lisa Schröder

Bremer Unternehmen wollen nach dem Ende der Bundesnotbremse nicht aufs Gaspedal drücken. Ende Juni läuft zwar die Pflicht aus, Mitarbeiter im Homeoffice zu beschäftigen, wenn keine Gründe dem entgegenstehen. Viele Betriebe planen allerdings weiterhin mit Vorsicht. Die Option Homeoffice wollen einige in neuen Betriebsvereinbarungen verankern – auch für die Zeit nach Corona.

Das Entsorgungsunternehmen Nehlsen belässt es bis Ende des Jahres bei den wegen der Pandemie aufgestellten Regeln: Wem das Arbeiten von daheim möglich ist, der soll im Homeoffice bleiben, erklärt Sprecherin Marcia Kantoks. Büros sollen weiterhin nur einzeln besetzt werden. Die Pandemie sei noch nicht vorbei, so Kantoks, die Auswirkungen von Mutationen offen. Und langfristig? Aus vielen Abteilungen sei zu hören, dass die Idee der Kombination von Büro und sogenannter mobiler Arbeit gut ankomme. "Wir versuchen, das umzusetzen", sagt die Sprecherin. Während die Müllwerkerinnen und Müllwerker weiter raus müssen, könnten die Kollegen am Schreibtisch künftig vielleicht stärker die Wahl haben zwischen Heim- und Büroarbeit. Es soll eine neue Betriebsvereinbarung geben.

Der Brauereikonzern AB Inbev will zunächst schauen, wie sich die Regeln ab Juli verändern. "Die Pandemie hat uns gelehrt, dass wir zwar Pläne aufstellen können, sich aber manchmal mit wenigem Vorlauf etwas ändern kann", sagt Patrick Buse. Der Jurist koordiniert die Corona-Krisenteams des Konzerns in Deutschland. Bei Beck's in Bremen sei derzeit weniger als ein Fünftel der Mitarbeiter im Büro. Im Moment werde überlegt, ob die Kollegen bald wieder in den Betrieb gebeten werden. Es werde hier flexible Lösungen geben – je nach Abteilung und mit Blick auf die Bedürfnisse des Betriebs. Wie in Zukunft bei AB Inbev und damit Beck's gearbeitet wird? "Wir wollen schauen, was wir Positives aus dieser Zeit mitnehmen können, um es im Unternehmen sinnvoll zu nutzen", sagt Buse. AB Inbev habe dabei Videokonferenzen schon früher viel eingesetzt – damit Mitarbeiter etwa für eine Besprechung in Mailand oder Löwen nicht immer reisen müssen.

Moritz Hanke von der Bremer Arbeitnehmerkammer berät unter anderem Betriebsräte. Nach seiner Einschätzung gibt es kein homogenes Bild: Einige Unternehmen seien dabei, aufgrund der Erfahrungen mit dem Homeoffice neue Betriebsvereinbarungen zu erstellen. "Andere ringen darum, ob das Homeoffice überhaupt weitergeführt werden soll. Tendenziell dort, wo das Geld knapp ist." Es gehe oft um die Frage: Wer zahlt die Arbeitsmittel? Arbeitnehmer wünschen sich derweil flexiblere Modelle. Vier von fünf Beschäftigten, die bisher regulär im Büro arbeiteten, wollen einer Erhebung des Beratungsunternehmens EY zufolge künftig zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen.

Anja Feist hält das Homeoffice für eine gute Sache, um Berufliches und die Familie besser miteinander zu vereinbaren. Unternehmen hätten zuvor teils Vorbehalte gehabt, sagt die Abteilungsleiterin der Arbeitnehmerkammer. Das sei jetzt anders: "In vielen Betrieben hat sich gezeigt: Es läuft gut." Zugleich seien Tage im Büro zum Austausch wichtig. Ausschließlich Homeoffice? Davon hält Feist nichts.

Wirtschaftsprüfer Ulrich Emde, Partner der Kanzlei Westprüfung Emde, fehlt bei der Heimarbeit auch etwas: "Generell kann man sagen, dass der Face-to-face-Austausch, der in kreativen Prozessen notwendig ist, unter der physischen Trennung leidet." Sich auf dem Flur mal kurz abzustimmen, das sei für den Ablauf im Betrieb wichtig. Grundsätzlich funktioniere die Zusammenarbeit auf Distanz in der Bremer Kanzlei. Kollegen mit kleineren Kindern erlebten die Zeit aber als "ausgesprochen anstrengend".

Grundsätzlich soll es an die Standorte zurückgehen, sagt Ulrich Emde, denn man sei stark von Kommunikation abhängig. "Wir haben aber gelernt, dass eine flexiblere Handhabung grundsätzlich nicht zulasten von Qualität und Produktivität geht." So sei wahrscheinlich, dass das Unternehmen freiere Formen der Arbeit ausprobiere.

Cornelius Neumann-Redlin erwartet, dass Unternehmen langsam wieder zur Normalität zurückkehren. Das Ende der Pflicht zur Heimarbeit begrüßt der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen. Diese habe man nur "zähneknirschend" aufgrund der Lage der Pandemie akzeptiert. Betriebe und Beschäftigte hätten gemeinsam sowieso gute Lösungen gefunden. 

Beim Bremer Stromversorger SWB gibt es bereits eine Regelung für die Zeit nach Corona. Die Option für die Mitarbeiter soll bleiben, im Homeoffice zu arbeiten, wenn es betrieblich möglich ist, teilt Sprecher Friedhelm Behrens mit. Die Erfahrungen seien gut gewesen. Insgesamt hat die SWB für rund 2000 Arbeitsplätze die Voraussetzungen fürs Homeoffice geschaffen. Die Präsenzzeit wird jeweils individuell geregelt.

Mercedes kennt das Geschäft auf Distanz schon lange. "Als global aufgestelltes Unternehmen arbeiten wir schon seit Jahren in vielen Bereichen erfolgreich virtuell zusammen", so Sprecher Heiko Pappenberger. Auch in Zukunft setze man auf vielfältige Zusammenarbeitsmodelle – je nach Bereich. Seit 2016 gibt eine Betriebsvereinbarung allen Mitarbeitern grundsätzlich das Recht, mobil zu arbeiten, wo es mit der Aufgabe vereinbar ist.

Eine Dienstvereinbarung „Mobile Telearbeit“ hat die AOK Bremen/Bremerhaven ebenfalls schon vor Corona gehabt. "Wir wollen das Homeoffice nach Möglichkeit weiter nutzen", sagt Sprecher Jörn Hons. In kundennahen Bereichen müsse jedoch genau geschaut werden, wie das umzusetzen sei, um gut ansprechbar zu sein – auch persönlich. Außerdem misst Hons dem Austausch vor Ort ebenfalls viel Wert bei: "Gespräche am Kopierer kann man nicht ersetzen."

Zur Sache

Was gilt ab Juli?

Regeln für den Arbeitsplatz werden derzeit laut Bundesarbeitsministerium erarbeitet. Demnach sollen einer Sprecherin zufolge die Vorgaben unter anderem für Abstände und Masken angepasst und verlängert werden. Die neue Arbeitsschutzverordnung soll kommenden Mittwoch im Kabinett beschlossen werden und von Juli bis Ende September gelten. Tests müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern weiter stellen. Bremen hält zudem an der Regelung fest, dass diese Tests von den Mitarbeitern auch durchgeführt werden müssen.

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