Im neuen Jahr werden die Kunden am Supermarktregal mit weiteren Preisspiralen nach oben rechnen müssen. Bei Artikeln wie zum Beispiel Toilettenpapier und Küchenrollen, die in der Herstellung energieintensiv sind, sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Davon gehen zum einen Experten aus, zum anderen geht das aus Prognosen der einschlägigen Marktforschungsinstitute hervor. Demnach planen laut dem Münchner Ifo-Institut 70 Prozent der Hersteller von Nahrungsmitteln und Getränken, die Preise erhöhen zu wollen. Frühestens in der zweiten Jahreshälfte sei nach Angaben von Branchenexperten ein Ende der Teuerungswelle in Sicht, schreibt das „Handelsblatt“.
Die Hersteller hätten ihre gestiegenen Kosten nicht vollständig an die Kunden weitergegeben. Dabei verweist die Zeitung auf die Entwicklung der Erzeugerpreise: Die lagen im vergangenen Oktober nach Angaben des Statistischen Bundesamts 40 Prozent über dem Vorjahresmonat. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke kosteten dagegen im Oktober 20 Prozent mehr als noch im Oktober 2021. Die Experten sehen anhand dieses Vergleichs, dass die Hersteller hier noch Preiserhöhungen nachholen müssen.
Beim Beispiel Toilettenpapier würden laut „Lebensmittelzeitung“ bei vielen Herstellern ab Januar neue Verträge ihres Energieversorgers greifen – zu höheren Preisen. Die leichte Erholung der vergangenen Wochen bei den Preisen für Strom und Gas werde da noch nicht greifen. Allerdings waren im Dezember keine Klopapier-Hamsterkäufe zu beobachten, wie man sie noch vom Beginn der Pandemie kennt.
Butter und Sonnenblumenöl günstiger
Zumindest hat Aldi kurz vor Weihnachten den Preis für ein halbes Pfund Butter der Eigenmarke um 30 Prozent auf die strategisch bedeutsame Preisschwelle 1,99 Euro gesenkt. Entsprechend werden andere Discounter nachziehen. Auch die Preiskapriolen bei Sonnenblumenöl seit Beginn des Ukraine-Kriegs scheinen sich langsam wieder zu beruhigen. So war es ebenfalls der Discounter Aldi in der vergangenen Woche, der die Kunden mit einem Liter Sonnenblumenöl zum Preis von 1,99 Euro in die Geschäfte zu locken versuchte. Ende April mussten die Kunden dafür stolze 4,99 Euro zahlen. Davor lag der Preis für die Literflasche bei 1,80 Euro.
Ohnehin haben die Verbraucher durch die Preiserhöhungen im abgelaufenen Jahr vermehrt zu den Eigenmarken der Ketten gegriffen – auch Handelsmarken genannt – und der Markenware zum Teil den Rücken gekehrt. Die Markenhersteller können dies im kommenden Jahr wohl größtenteils mit Preisaktionen kompensieren, um die Stammkunden nicht ganz zu verlieren.
"Wir prüfen jede Preiserhöhung genau"
Wenn die Hersteller allerdings die Preise erhöhen wollen, haben da noch die großen Handelsketten Aldi, Edeka, Lidl & Schwarz sowie Rewe ein Wörtchen mitzureden. Und die wollen auch im neuen Jahr nicht einfach jede Preiserhöhung hinnehmen, wie ein Sprecher von Edeka Minden-Hannover dem WESER-KURIER sagte: „Aus unseren Gesprächen wissen wir, dass viele Preiserhöhungsforderungen nur teilweise auf echten Kostensteigerungen beruhen. Daher stehen wir seit Monaten in harten Verhandlungen mit der Industrie und prüfen jede Preiserhöhungsforderung sehr genau.“
Der Edeka-Verbund selbst investiere in erheblichem Umfang, um die Verkaufspreise möglichst stabil zu halten – „auch zu Lasten der eigenen Marge“. Der Sprecher ergänzte: „Nicht vermeidbare Preissteigerungen dürfen nicht allein den Verbrauchern aufgebürdet, sondern müssen in der gesamten Wertschöpfungskette verteilt werden.“ Gleichzeitig machte der Unternehmenssprecher deutlich: „Selbstverständlich geben wir auch weiterhin, wann immer möglich, Einkaufsvorteile an unsere Kunden weiter. Wir werden auch in Zukunft, durch konsequente Verhandlungen mit den Herstellern, alle vermeidbaren Preiserhöhungen abwenden.“
Rewe im Streit mit Nestlé
Was das konkret bedeutet, konnten die Verbraucher sowohl bei Edeka als auch bei Rewe an den Regalen für Süßwaren und Tierfutter erkennen: Wo sonst die Artikel des Herstellers Mars stehen, war außer gähnender Leere nichts. Oft wies ein Infozettel auf das Problem hin. Bei Rewe flogen ebenso die Cerealien-Produkte der Firma Kellogg’s aus dem Regal. Und Rewe-Chef Lionel Souque deutet im „Tagesspiegel“ bereits an, welches weitere Produkt beim Sonnenblumenöl einen ähnlichen Weg raus aus den Märkten nehmen könnte: „Viele unserer Lieferanten haben die Preise jetzt wieder gesenkt, aber andere wollen auf dem hohen Niveau bleiben.“ Damit meint der gebürtige Franzose unter anderem Nestlé mit der Marke Thomy. Rewe habe erwartet, dass die Hersteller die Preise um mindestens einen Euro wieder absenken, doch die Absenkung kam nicht. „Jetzt bestellen wir Thomy nicht mehr“, sagte Souque, „Man kann doch nicht sagen, die Rohstoffe werden teurer, deshalb erhöhe ich die Preise. Und wenn die Rohwaren dann billiger werden, senkt man den Preis nicht?“
Gerade bei internationalen Konzernen beobachtet Souque die Entwicklung. „Sie sind der Auffassung, dass sie in Deutschland zu wenig verdient haben“, begründet er diese Tendenz. Die Lebensmittelpreise in Deutschland seien im europäischen Vergleich sehr niedrig, wovon die deutschen Kunden profitiert haben sollen. Souque beobachtet die Entwicklung auf den internationalen Märkten. Dabei hat er sowohl einen Blick auf die geringeren Preiserhöhungen in anderen Ländern als auch darauf, um wie viel die Konzerne die Gewinnausschüttungen für ihre Investoren erhöhen. „Die glauben wohl, wir können kein Englisch“, sagte der Franzose im Interview mit dem „Spiegel“. Für die Verbraucher bedeutet das im neuen Jahr: Gerade Lebensmittel von internationalen Konzernen könnten in den kommenden Monaten zeitweise aus den Supermarktregalen verschwinden.