Der Krieg in der Ukraine und die internationalen Sanktionen gegen russische Unternehmen und Oligarchen treffen auch die Superjachtindustrie. Bei den Luxusbooten der Superreichen (ab einer Länge von mehr als 40 Metern) machen Russen neun Prozent aller Eigentümer aus, was sie zum zweitgrößten Klientel hinter den US-Millonären macht. Mit diesem Marktanteil und einigen der größten Superjachten der Welt (14,7 Prozent nach Volumen im Jahr 2021) ist ihr finanzieller Beitrag zur Branche erheblich, insbesondere für die nordeuropäischen Werften, die sich auf den Bau dieser Jachten spezialisiert haben – darunter die Bremer Lürssen-Gruppe.
Aber nicht nur der Neubaumarkt könnte betroffen sein: Vor der anstehenden Mittelmeersaison macht man sich in Fachkreisen auch darüber Sorgen, dass Wartungs- und Umbauarbeiten an den Jachten nicht bezahlt werden können. Einige der größten russischen Jachten liegen in Häfen und Werften im Mittelmeerraum, und ihre mögliche Beschlagnahme gibt den Eigentümern Anlass zur Sorge. Ein weiteres Problem sind die Besatzungen: Russen und Ukrainer gelten als zuverlässige und vergleichsweise billige Seeleute und Crewmitglieder auf den Jachten – sie könnten für den Betrieb der Boote fehlen.
Unter Multi-Milliardären gilt eine Superyacht vom Bremer Werftunternehmen Lürssen als ultimatives Statussymbol. Aktuell liegt die 158 Meter lange „Blue“ an der Ausrüstungspier der Werft in Bremen-Aumund, die von einem arabischen Staatsmann bestellt wurde. Ob durch die EU-Sanktionen aktuelle Neubauaufträge bei der Lürssen Werft in Gefahr sind, lässt sich derzeit nicht sagen. Doch betroffen ist auf jeden Fall der Umbaubereich, denn aktuell liegen bei der Lürssen-Tochter Blohm + Voss in Hamburg gleich drei Megayachten russischer Oligarchen zur Überholung.
Nach Informationen des Magazin "Forbes" wurde die 156 Meter lange "Dilbar", von der Vermessung her die größte Luxusyacht der Welt, bereits von deutschen Behörden beschlagnahmt. Seit Oktober letzten Jahres liegt sie bei Blohm + Voss für umfangreiche Überholungsarbeiten. Eigner der 2016 von Lürssen in Bremen-Nord erbauten Yacht ist der 68-jährige Alischer Usmanow, ein Oligarch usbekischer Herkunft und enger Vertrauter von Putin. Usmanow ist Gründer einer der größten privaten russischen Holdinggesellschaft, die eine Reihe von Unternehmen aus den Bereichen Bergbau, Metallindustrie, IT und Telekommunikation bündelt. Sein Vermögen wird von "Forbes" auf mehr als 15 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Unklare Eigentumsverhältnisse
Auch die 85,10 Meter lange „Solandge“ führt das Bauschild der Lürssen Werft, und wurde als Projekt „Nikki“ am Standort in Rendsburg produziert. Eigner ist der russische Oligarch und Parlamentsabgeordnete Suleiman Abusaidowitsch Kerimow, der eine Zeit lang mit einem Vermögen von 17,5 Milliarden US-Dollar als reichster Mann der Welt geführt wurde. Zudem liegt bei Blohm + Voss noch die 115 Meter lange Yacht „Luna“ für Wartungsarbeiten, die 2010 für Roman Abramowitsch auf der Lloyd Werft gebaut wurde. Zwischenzeitlich verkaufte Abramowitsch die Yacht an den Oligarchen Farkhad Akmedow. Dieser hatte aber bislang nicht viel Glück mit der Yacht, denn nach einer Scheidung von seiner Gattin Tatiana Akhmedova wurde von einem britischen Gericht die geschätzt rund 400 Millionen Euro teure Yacht der Frau zugesprochen. Somit sind die Eigentumsverhältnisse bei der „Luna“ nicht ganz eindeutig.
Einer Beschlagnahmung seiner eigenen 82 Meter langen Jacht „Graceful“ ist der russische Machthaber Wladimir Putin übrigens zuvorgekommen. Die 97 Millionen Dollar teure Luxusjacht wurde 2014 bei Blohm + Voss gebaut und lag dort jetzt zu Umbauarbeiten. Unter anderem wurde sie mit zwei neuen Balkonen ausgestattet. Putin ließ die Jacht noch vor Abschluss der Arbeiten überstürzt nach Russland zurückholen. Das vom Designbüro H2 Yacht Design entworfene Boot verfügt auf den fünf Decks unter anderem über einen Innenpool, ein Spa, einen Hubschrauberlandeplatz, eine Tanzfläche, einen Fitnessraum und eine Bar.
Eine Gruppe des Ablegers von Anonymous mit dem Namen Anon Leaks erklärte gegenüber der britischen Zeitung "Daily Star", es sei ihnen gelungen, das Automatische Identifizierungssystem (AIS) für den Seeverkehr zu manipulieren. So wurde der Name der Jacht in dem weltweit verfügbaren Ortungssystem von "Graceful" in "FCKPTN" (für "Fuck Putin") geändert. Die Hacker ließen es außerdem so aussehen, als sei die Jacht in die ukrainische Schlangeninsel gestürzt, und änderten dann den vermeintlichen Zielort in "Hölle".