Wenn an diesem Mittwoch die Rakete in Französisch-Guayana abhebt, ist es ein Start im doppelten Sinne. Nicht nur, dass die Ariane 5 Richtung Weltraum aufbricht, mit ihrer Fracht komplettiert sie auch das europäische Navigationssystem. An Bord hat sie vier Galileo-Satelliten, die bei OHB in Bremen gebaut wurden. Wenn sie am späten Nachmittag im All ausgesetzt werden, kann das Galileo-Programm zu 100 Prozent seine Arbeit aufnehmen.
18 Satelliten von OHB sind schon im Weltraum, mit den vier jetzt wird das zweite Auftragspaket abgeschlossen und das europäische Navigationssystem soll endlich die Leistung bringen, für die es entworfen wurde; es soll mit seinen Signalen 100 Prozent der Erde abdecken. Schon seit Ende 2016 können Nutzer die ersten Dienste der Galileo-Satelliten verwenden, jetzt soll das Angebot größer und genauer werden. „Mit den zusätzlichen Satelliten wird Galileo verbessert“, sagt OHB-Vorstand Wolfgang Paetsch.
Wer auf das Signal der europäischen Satelliten zugreifen möchte, braucht allerdings Geräte, in denen die entsprechenden Chips zum Empfang verbaut sind. Laut einer Liste der Europäischen Satellitenagentur GSA können bereits mehr als 100 aktuelle Smartphones die Signale verarbeiten, darunter die iPhones mit den Modellnummern 8, 10 und X.
Auch die Android-Handys Pixel 2 von Google und Samsungs Galaxy-Smartphones 8 und 9 können laut GSA die neue Technologie schon nutzen. Wenn Galileo seinen kompletten Betrieb aufgenommen hat, wird die Zahl der Galileo-fähigen Modelle wohl noch weiter wachsen. Gleiches gilt für Navigationsgeräte, die etwa Autofahrer in ihren Wagen nutzen können. Hier ist der Markt bislang noch recht übersichtlich.
Tomtom, einer der führenden Anbieter von mobilen Navigationssystemen, nutzt Galileo offenbar nicht. Auf der Website des Unternehmens gibt es keinen Bezug zum neuen System, Tomtom-Geräte tauchen auf der GSA-Liste nicht auf – und auch eine Anfrage des WESER-KURIER ließ das Unternehmen unbeantwortet.
"Wir lassen Galileo nur zusammen mit GPS laufen"
Der Schweizer Hersteller Garmin bietet bereits Geräte an, die auf Galileo zurückgreifen können. Hier ist die Auswahl mit vier Geräten für die Navigation im Auto allerdings noch überschaubar. „Bei uns ist Galileo aber auf jeden Fall ein Thema“, sagt ein Unternehmenssprecher. Das System in die Geräte zu integrieren sei kein Problem gewesen. Man habe lediglich die neuen Chips zum Empfang einbauen müssen, an den Antennen der Geräte habe sich nichts geändert.
Auch bei anderen Geräten, etwa fürs Wandern, habe Garmin schon die entsprechenden Chips verbaut und „deutliche Verbesserungen“ festgestellt. „Wir lassen Galileo nur zusammen mit GPS laufen“, sagt der Unternehmenssprecher. Das habe den Vorteil, dass durch die Nutzung beider Systeme die Zahl der Satelliten steige – umso genauer werde die Positionsbestimmung.
Dass Navigationsgeräte auf mehrere Systeme zurückgreifen, ist nicht ungewöhnlich. Schon jetzt nutzen viele nicht nur das amerikanische GPS, sondern auch häufig die Signale der Glonass-Satelliten, dem Navigationssystem, das vom russischen Verteidigungsministerium finanziert und betrieben wird. Und nun soll auch noch Galileo als weiterer Anbieter auf den Markt kommen.
Von der Idee bis zum betriebsbereiten europäischen Navigationssystem war es ein langer Weg, immer wieder hat sich das Programm verzögert: Anfang des Jahrtausends hat die Europäische Kommission beschlossen, solch ein Programm zu starten. Der Gedanke dahinter: Europa wollte unabhängig werden. Die Systeme Glonass und GPS werden von der russischen beziehungsweise der US-Regierung kontrolliert. Wenn es zu einem Konflikt kommt, können sie die Signale für andere Nutzer ungenauer machen oder ganz abstellen.
Im schlimmsten Fall wären dann Millionen Menschen ohne Navigationssystem. Seit 2009 baut das Bremer Familienunternehmen OHB nun schon die Navigationssatelliten, von denen jeder etwa geschätzte 40 Millionen Euro kostet. „Das ist mittlerweile Routinearbeit für uns“, sagt Paetsch. 2014 wurden die ersten Galileo-Satelliten aus Bremen ins All geschossen, insgesamt soll das Raumfahrtunternehmen 34 liefern; 22 braucht das System, um voll funktionsfähig zu sein, die restlichen Satelliten sind Reserve oder Ersatz.
Die Laufzeit eines Galileo-Satelliten, der in etwa 23.000 Kilometern Entfernung um die Erde kreist, liegt bei etwa zwölf Jahren. „Wir sind optimistisch, dass die Satelliten gut funktionieren“, sagt Paetsch. Bis sie ganz einsatzbereit sind, dauert es noch etwa sechs Monate – so lange braucht es, bis die Satelliten ihren regulären Betrieb im All aufgenommen haben.