Herr Nesemann, die Zeiten sind für viele nicht leicht. Das Leben ist viel teurer geworden. Was beobachten Sie in Bremen?
Tim Nesemann: Wir stellen schon fest, dass die Kunden weniger Geld zur Verfügung haben. Sparvermögen werden teils stärker in Anspruch genommen – und Dispositionskredite.
Die Ersparnisse schrumpfen also?
Das kann man so allgemein nicht sagen. Es ist nur bei manchen Kundengruppen zu beobachten.
Wenn es um die Höhe der Zinsen für Guthaben geht, lassen sich die Banken durchaus Zeit – anders als bei den Kreditzinsen. Das hat selbst der Präsident des Sparkassenverbands gerade kritisiert: Wenn die Sparkassen den Eindruck hinterließen, Sparsamkeit nicht mehr zu belohnen, „dann nagt das an unserer DNA“. Wie schauen Sie darauf?
Ich sehe das ganz genauso. Deswegen haben wir auch attraktive Angebote für die Einlagen der Privat- und Firmenkunden. Das machen nicht alle Banken so. Und natürlich gibt es daneben immer Wettbewerber, die hohe Zinsen zahlen, weil es ihr Geschäftsmodell ist. Wir stellen permanent Marktvergleiche an. Unsere Zinsen sind wettbewerbsfähig.
Sie haben sich in den vergangenen Jahren von Standorten verabschiedet. Es sind dafür Ihre neuen Stadtteilfilialen entstanden. Sind Sie noch genug in der Fläche vertreten?
Die Stadtteilfilialen sind ein wesentlicher Teil unserer Strategie für das digitale Zeitalter. Wir wollen mit dem Konzept für unsere Kundinnen und Kunden einen Mehrwert stiften – auch wenn fast alles digital möglich ist. Da sind wir auf einem sehr guten Weg. Wir investieren viel in die Standorte. Wir haben nach wie vor ein sehr dichtes Filialnetz. Das ist aber sicherlich anders als vor 30 Jahren, als man eben für Bankgeschäfte immer in eine Filiale kommen musste.
Viele Bürgerinnen und Bürger sehen den Rückzug der Banken in Bremen mit Sorge. Das liegt also vor allem an der Konkurrenz?
Filialen sind bundesweit auf dem Rückzug. Da unterscheidet sich Bremen nicht. Wir halten aber an unseren Investitionsmaßnahmen fest.
Geht Ihr Konzept denn auf? Im Kern ging es Ihnen ja darum, die Menschen eines Stadtteils in den Filialen zusammenzubringen – und zwar über Bankgeschäfte hinaus. Wird das angenommen?
Ja, gerade nach dem Ende der Corona-Zeit. Die Zahl der Veranstaltungen und Besuche nimmt signifikant zu. Wir bekommen unheimlich tolles Feedback von den Kunden.
Es hat einen Austausch mit der Politik über die Präsenz der Banken in Bremen gegeben. Ein Resultat: Sie wollen über zusätzliche Geldautomaten nachdenken. Gerade in der Innenstadt sind Sie kaum sichtbar.
Wir überprüfen permanent die Nutzung unserer Standorte. Wir eröffnen auch neue Standorte wie beispielsweise im Tabakquartier und der Überseestadt – wo neues Leben entsteht. Wo die Nutzung abnimmt, bauen wir Standorte zurück. Mit unserer Präsenz in der Innenstadt sind wir gerade sehr unzufrieden. Unser wichtigster Standort liegt dort zwischen Hillmannplatz und Hauptbahnhof. Sie kennen die Diskussionen zu diesem Umfeld. Wir überlegen, ob und wie wir uns da verändern können.
Es könnte gut sein, dass Sie dort weggehen?
Genau. Es ist unser Bestreben, in der Innenstadt weiterhin einen großen Standort zu haben. Das sollte eigentlich diese Filiale sein. Aber auch wir hören zunehmend Beschwerden. Die Kunden fühlen sich dort nicht wohl, genauso wie auch unsere Mitarbeitenden. Wir suchen deswegen nach Alternativen.
Wovon berichten die Kunden?
Vom offenen Drogenhandel, von vielen Obdachlosen und der hohen Polizeipräsenz. Das zusammen schafft ein Gefühl der Unsicherheit – gerade in der dunklen Jahreszeit.
Gibt es schon einen Plan?
Wir prüfen viele Optionen. Unsere Anforderungen sind hoch. Die Gebäude sollen möglichst besonders nachhaltig sein, sie müssen außerdem große Flächen bieten. Da gibt es gar nicht so viele Möglichkeiten.
Natürlich wäre da Ihr Stammsitz am Brill...
Ja. Das hängt aber natürlich davon ab, was dort eigentlich passieren wird. Das hätte ja alles schon viel weiter sein können.
Die Bagger zum Umbau des Gebäudes sollten sofort nach Ihrem Auszug loslegen – das wünschten Sie sich damals für Ihren Stammsitz. Sie hofften auf einen Impuls für die Innenstadt. Es kam anders. Begleiten Sie die Ideen für den Brill weiter, weil Sie mit den Investoren verbunden sind?
Jein. Wir sind als finanzierende Bank im Hintergrund immer dann im Boot, wenn es konkret um etwas geht. Welche Ideen die Investoren für die Entwicklung des Objektes haben, welche Gespräche mit potenziellen Nutzern laufen, dazu kann ich Ihnen im Detail nichts sagen.
Nachdem die Pläne von Daniel Libeskind gescheitert sind, gab es die Idee für einen Campus am Brill. Daraus ist wieder nichts geworden. Jetzt ziehen die Studenten ins Gebäude der NordLB am Domshof. Wurmt Sie das?
Grundsätzlich finde ich es gut, wenn Studenten in die Innenstadt kommen. Ich habe kein Herzblut drin, an welchem Standort das passiert. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass auch die Universität diesen Schritt sehr gut findet. Da hatte ich am Anfang meine Zweifel. Jetzt ist wohl eine Lösung gefunden worden, mit der alle zufrieden sind.
Die Sparkasse Bremen hat sich in den vergangenen Jahren gehäutet, was der neue Standort im Technologiepark versinnbildlicht. Was war der Ausgangspunkt für diese Neuaufstellung?
Auslöser waren die sehr dynamischen Entwicklungen der Digitalisierung. Plötzlich waren in allen Händen Smartphones, mit denen sich ganz viele Bankgeschäfte erledigen ließen. Wir erleben immer schnellere Veränderungen auf der Welt. Diese Beschleunigung hat vor einigen Jahren bei uns zu der Erkenntnis geführt, dass wir als Unternehmen die notwendige Anpassungsgeschwindigkeit und Innovationskraft dafür entwickeln müssen. Deswegen haben wir uns für einen Neubau entschieden, wo eine andere Zusammenarbeit möglich ist, die nicht mehr auf Hierarchien und Abteilungen beruht. Wir haben außerdem einen Standort gesucht, wo möglichst viel innovativer Spirit herrscht. Und das ist hier im Technologiepark der Universität Bremen.
Ihr Vorstand hat sich ebenfalls komplett verändert – Sie sind mit fast 20 Jahren im Management die Konstante. Ist das Team für die Zukunft der Sparkasse aufgestellt?
Ja. Wir haben ein tolles Team mit unterschiedlichsten Lebensläufen, Erfahrungen und Kompetenzen, die sehr gut zur strategischen Aufstellung der Sparkasse Bremen passen. Gerade durch die Berufung von Frauke Hegemann haben wir erlebt, welche Wirkung und Reputation wir inzwischen haben: Wir hatten viele Bewerbungen für diese Position im Privatkundenbereich. Viele waren begeistert, dass wir die Vision einer Filiale der Zukunft hier in Bremen umsetzen. Das ist deutschlandweit einmalig.
Zum Umzug ins neue Gebäude erklärten Sie, das Büro müsse auch toll sein, weil es im Wettbewerb mit dem Homeoffice stehe. Wir sprechen an einem Freitag – prädestiniert fürs Daheimbleiben. Schauen Sie darauf relaxt?
Ich bin davon überzeugt, dass man ein Unternehmen nicht voranbringen kann, wenn alle im Homeoffice arbeiten. Deswegen ist unser Wunsch, möglichst viele Mitarbeitende an die Arbeitsplätze hier vor Ort zubekommen. Und das geht auf. Wir bieten sehr attraktive Arbeitsplätze. Viele Mitarbeitende schätzen das. Das mobile Arbeiten gehört heute dazu. Gerade wenn Sie an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie denken, ist das eine tolle Möglichkeit. Am Freitag ist es etwas leerer hier, an den anderen Tagen muss ich selbst schauen, wo ich noch sitzen kann. Wer die besten Plätze haben will, muss früh aufstehen.
Denn es gibt keine festen Schreibtische bei Ihnen. Dafür braucht es wenig Gepäck.
Jeder hat ein Notebook und ein Smartphone. Das sind heute unsere Arbeitsgeräte. Es gibt kein Papier mehr. Im Kundengeschäft ist manchmal noch eine Unterschrift auf Papier notwendig. Das wird aber immer weniger.
Anfang des Jahres war Ihre Erwartung für 2023, den Überschuss von 50 Millionen Euro im Vorjahr noch zu übertreffen. Steht die Prognose?
Die 50 Millionen werden wir auf jeden Fall überschreiten. Der Grund dafür ist, dass die sehr belastende Niedrigzinsphase der letzten zehn Jahren jetzt ad hoc vorüber ist. Das führt bei uns und vielen Banken zu einer großen Entlastung. Wir können das Ergebnis nutzen, um die Substanz weiter zu stärken.
Die Vorsorge ist nötig?
Ja. Das denke ich schon. Im Laufe der Jahre wird es so sein, dass die Erträge der Banken trotz der höheren Zinsen durch den Wettbewerb weiter unter Druck geraten werden. Die eingetrübte Konjunktur führt dazu, dass die Geschäftsergebnisse belastet werden. Zugleich werden wir nicht umhinkommen, mehr Risikovorsorge zu treffen, falls es Ausfälle bei den Krediten gibt.